Der Absatz von Labelfleisch harzt. Die Bauern tragen das Risiko und verlieren Investitionen. Das Wirtschaftsmagazin «Eco» des TV-Sender SRF hat einen Schweine- und einen Kälbermäster besucht. -> Mit Video
Die TV-Macher haben Meinrad Pfister, Schweinezüchter und -mäster aus Altishofen LU auf seinem Hof besucht. Der Präsident von Suisseporcs liefert Schweine in das Label TerraSuisse der Migros.
«Glaubten an Programme»
Mitte der 1990-er Jahre hat er den Hof der Eltern übernommen und in neue, tierfreundliche Stallungen investiert. «In dieser Zeit wurden die Labels gegründet. Wir haben an diese geglaubt und ins Tierwohl investiert», sagt Pfister.
Für die Investitionen und Mehrarbeit wird der Landwirt mit einer Labelprämie bedacht. Bauern erhalten zudem über Bundesprogramme Direktzahlungen. Pfister erhielt Ende Februar einen Produzentenpreis von 4.60 Fr./kg Schlachtgewicht (SG). Zusätzlich erhielt er eine Labelprämie von TerraSuisse von 30 Rp. je Kilo SG sowie Direktzahlungen (tierfreundliche Stallhaltung) in der Höhe von 19 Rappen.
Coop und Migros: Zuschläge unverändert
Pfister produziert seit 12 Jahren für das Labelprogramm, zuvor für Coop. Die Situation habe sich verschlechtert. «Ich habe mit einer Labelprämie von einem 1 Franken pro Kilo Schlachtgewicht begonnen. Mit der Einführung der Direktzahlungen für Tierwohlprogramme wurden die Prämien auf einen Schlag halbiert», führt er gegenüber «Eco» aus. In den vergangenen Jahren seien die Prämien tendenziell weiter gesunken. Und seit Kurzem würden gar die Mengen gekürzt, kritisiert Pfister.
Die Migros äussert sich gegenüber SRF schriftlich zu den Äusserungen von Pfister: «Fakt ist, das wir seit dem Start von TerraSuisse 2008 etwa gleichbleibende Zuschläge bezahlen. Frühere Zahlen und Daten liegen nicht vor.»
Und Coop sagt zu ihrem Label Naturafarm porc: «In den vergangenen 20 Jahren hat sich der ausbezahlte Zuschlag (50 Rappen) nicht verändert.» Die Annahmemengen wurde Anfang 2020 um 30 Prozent reduziert.
Kälbermäster von Coop enttäuscht
Bei den Kälber sieht es noch drastischer aus. Dieses wird Ende Jahr 2020 von Coop eingestellt. Stellvertretend für die Kälbermäster spricht Landwirt Benno Elmiger vor der Kamera. Er produziert seit 15 Jahren für das Naturafarm-Labelprogramm. Vor 4 Jahren hat er noch in die Stallungen 25'000 Franken investiert. Die Nachricht von Coop, dass das Programm nicht weitergeführt werde, habe ihn geschockt.
Denn zwei Jahren hätten die Vertreter des Detailhändlers kommuniziert, wie wichtig das Programm und das Tierwohl sei, so Elmiger. «Der Entscheid von Coop ist eine grosse Enttäuschung und ein Vertrauensverlust», macht er deutlich.
Risiko nur bei den Bauern
«Eco» hat bei Coop nachgefragt. Auch hier wurde nur schriftlich geantwortet: «Die Nachfrage von Kalbfleisch ist von 2010 bis 2017 um 20 Prozent zurückgegangen. Coop muss die Produktion der Nachfrage anpassen.»
Die Bauern tragen das unternehmerische Risiko, ohne zu wissen, wie lange die Labelprogramme fortgeführt werden. 2016 verschärfte Coop die Richtlinien für das Programm. Elmiger investierte 25'000 Franken in den Stall. Diese Investitionen kann er nun nicht mehr amortisieren. Bis Ende Jahr könne er noch in den Coop-Kanal liefern. Er habe Augen und Ohren offen für neue Abnehmer. Elmiger würde es bedauern, wenn er Ende Jahr in den konventionellen Kanal liefern müsste.
Seine Investitionen ins Tierwohl bereut er aber nicht. Das Kalb könne sich frei bewegen und selber entscheiden, ob es sich im Aussenbereich oder im Stall aufhalten wolle. «Das ist auch für mich schön zu beobachten», sagt Elmiger.
Tierschutz: kein Verständnis für Detailhandel
Kein Verständnis für das Gebaren der Detailhändler zeigt der Schweizer Tierschutz (STS). Die Labels seien entscheidend für das Tierwohl. «Die Entwicklung in den vergangenen Jahren war klar: Man wollte die Programme ausbauen. Deshalb hat der Bund diese Labelprogramme auch gestützt und gefördert», sagt STS-Geschäftsführer Stefan Flückiger zu «Eco».
Wenn es nun eine Stagnation oder gar einen Rückschritt bei diesen Programmen gebe, sei dies ein ganz schlechtes Zeichen, macht er klar. Der Tierschutz wird in Kürze eine Studie veröffentlichen. Das Fazit lautet: Fleisch aus konventioneller Tierhaltung ist gegenüber Labelfleisch zu günstig. So werden aus der Sicht der Studie die Preise verzerrt.
Landwirte müssen fair entlöhnt werden
«Die Preise müssen sich angleichen, damit das Labelprodukt gegenüber dem konventionellen Fleisch preislich wieder attraktiver wird, damit es von den Kunden vermehrt gekauft wird», fordert Flückiger. Nur so könne die Tierwohlbewegung vorangetrieben werden.
«Letztendlich muss aber der Produzent fair entlöhnt werden», sagt Flückiger weiter. Es gehe nicht an, günstiges Fleisch auf Kosten der Bauern und der Tiere zu produzieren.
Naturafarm zu IP-Suisse
Der Grossverteiler Coop übergibt sein Naturafarm porc (CNf)-Programm in die Hände von IP-Suisse. Per 1. Januar 2021 werden die Produktionsrichtlinien von IP-Suisse- und von CNf-Schweinen einander angeglichen. Das schreibt IP-Suisse in einer Medienmitteilung. IP-Suisse verstärkt bei den Labelschweinen somit schrittweise die Anforderungen bezüglich Tierwohl und Kontrolle. Die Labelproduktion für die CNf-Produzenten wird dadurch für die Zukunft gesichert. Nach den Reduktionsplänen von Coop war die Weiterführung nämlich ab 2021 offen. Und über diesen Weg finden nun auch IP-Suisse-Produkte den Weg ins Coop-Regal.In diesem Zusammenhang werde die Kontrolle sämtlicher Schweineproduzenten von IP-Suisse und Naturafarm neu ausgerichtet. So würden die Kontrollen ab 2021 durch den Kontrolldienst Schweizer Tierschutz durchgeführt, schreibt IP-Suisse weiter. Zudem wird die Mindestgesamtfläche pro Schwein erhöht. Dies gilt für neue Betriebe ab 1. Januar 2021, aber auch in bestehenden Betrieben werden die Schweine bei Neu- und Umbauten schrittweise mehr Platz erhalten.
Den Weg der Biodiversitätsförderung wird IP-Suisse für CNfporc übernehmen. CNf-Schweineproduzenten müssen deswegen Mitglied von IP-Suisse werden. Dies sei auch ein klares Bekenntnis von Coop zur Labelproduktion, schreibt IP-Suisse weiter. Gleichzeitig garantiere Coop fürs kommende Jahr die Abnahme von 220'000 Labelschweinen. dha