Jedes Grad entscheidet, bisweilen sogar ein Tröpfchen Wasser. Ein Blick hinter die Kulissen der Tomatenproduktion im Gewächshaus der Bösiger Gemüsekulturen AG, wo die Ernte seit Ende März in vollem Gang ist.
Natürlich geht es derzeit nicht ohne Importe, dafür ist die Tomate, hierzulande meistgegessenes Gemüse, einfach zu beliebt. Doch seit Ende März kommen aus Niederbipp BE die ersten Schweizer Tomaten. Seit Ende März! Und es sind keine rot gewordenen Wasserkugeln mit fader Geschmacksarmut, sondern: Tomaten! Prall, rot, süss und säuerlich, von Hummeln bestäubt und lediglich mit 15 Litern Wasser pro Kilo zur Erntereife gezüchtet – nicht mit 500 wie in Europas Süden. So viel dazu, die Schweizer Tomatenproduktion könne nicht nachhaltiger sein. Dennoch: Mehr Energie braucht sie natürlich.
11 Hektaren Gewächshaus
Niederbipp, das ist der Sitz der Bösiger Gemüsekulturen AG, einer der wichtigsten Gemüseproduzenten der Schweiz. Von den 11 Hektaren Gewächshausfläche sind knapp 9 mit Tomaten bewachsen. Sie ist die wichtigste Kultur des Unternehmens, das 80 Prozent des Ertrags von jährlich rund 4000 Tonnen an die beiden Grossverteiler Coop und Migros liefert. Der Rest wird schweizweit im Gross- und Kleinhandel sowie im eigenen Hofladen direktvermarktet.
Geerntet wird von Hand
In den Gewächshäusern des Familienunternehmens läuft vieles, ja fast alles automatisch. Bewässerung, Luftfeuchtigkeit, Dünge- und CO2-Gehalt, Beschattung. Geerntet wird zwar von Hand, maschinell lassen sich Tomaten nicht ernten. Doch von der Staude zur Sortiermaschine verläuft alles vollautomatisch – mitsamt Transport, Löschung der Ladung, Sortierung nach Farbe und Kaliber sowie Beladung für die Auslieferung.
Doch es ist ein Mensch, der täglich entscheidet, welche Strategie in Sachen Bewässerung, Belüftung und Beheizung gefahren wird. Und dieser Mensch heisst Armin Gredig.
Ein Drahtseilakt
Gredig weiss, was es braucht, damit Bösigers Tomaten perfekt gedeihen. Allein die Bewässerung ist ein Drahtseilakt. Gibt er zu viel, schimmeln die Wurzeln, platzen die Früchte und verwässert der Geschmack. «Wir könnten die Grösse der Cherry-Tomaten verdoppeln», so Gredig. Doch das will niemand. «Es ist ein ständiges Austarieren von Gewicht, Wasseranteil und Geschmack», sagt er, wohlwissend, dass es letztlich das Aroma ist, das bei einer Tomate zum Kaufentscheid führt. Entsprechend sind die hochpreisigen Sorten besonders erfolgreich.
Auch der Einsatz von Nützlingen, um die Schädlinge in Zaum zu halten, brauche viel Fingerspitzengefühl, so Gredig. Gespritzt werden die Tomaten nicht, die Erntezeit dauert von März bis November, ohne Unterlass. Ein biologisches Gleichgewicht ist im Gewächshaus aber trotzdem nicht erwünscht. Gehen den Nützlingen nämlich die Schädlinge aus, machen sie sich über den Pollen her.
Rispen verzweigen sich
Und dann ist da noch die Temperatur. Tariert sie Armin Gredig für die Nacht richtig aus, schafft er es, dass sich die einzelnen Rispen der Cherry-Tomaten verzweigen. Das sieht nicht nur schön aus, sondern steigert auch die Erntemenge. Doch dafür brauchen die Pflanzen quasi die totale Entspannung, und die erreichen sie nicht ohne tiefe Temperaturen. Doch zu kalt darf es ihnen auf keinen Fall werden.


