Die Behörden des Bundes haben Anfang der 1980er Jahre von hochgiftigen Dioxinen in der Umgebung der Kehrrichtverbrennungsanlage (KVA) in Buchs AG gewusst. Auf zwei Landwirtschaftsbetrieben in der Nähe der KVA erkrankten Tiere.
Eine Fachgruppe legte in der Folge Anfang 1979 Analysen von zehn KVA in der ganzen Schweiz vor, wonach man in der Umgebung der Anlagen gesundheitsgefährdende Dioxine nachgewiesen habe. Die Gefährdungslage sei jedoch «noch immer nicht abschätzbar», hiess es.
Bauern wurden angefeindet
Auch weitere Berichte der Behörden und Fachgruppen belegten früh hohe Emissionswerte aus den KVA, wie die Zeitungen der Tamedia am Montag unter Berufung auf Akten aus dem Bundesarchiv berichteten. Der Nachrichtenagentur Keystone-SDA liegen die entsprechenden Dokumente aus dem Bundesarchiv vor.
Die Schäden auf den beiden Bauernbetrieben in der Nähe der KVA Buchs bei Aarau in den Jahren 1973 bis 1976 waren im Kanton Aargau ein politischer Dauerbrenner. Die Bauern machten geltend, dass sie wegen Emissionsschäden durch den Staubausstoss aus dem Kamin der 1973 in Betrieb genommen KVA ihr erkranktes Vieh notschlachten mussten. Die Bauern wurden nicht ernst genommen und in der Öffentlichkeit teilweise angefeindet.
Kühe gaben keine Milch mehr
Betroffen von Ausstössen aus den KVA war die Familie Maurer aus Suhr AG. «Sie haben unsere Existenz kaputtgemacht», sagte Tochter Elisabeth Maurer zu den «Tamedia»-Zeitungen. «Fehler eingestanden oder entschuldigt hat sich bis heute niemand», fuhr sie fort.
Der Hof der Familie galt als Vorzeigehof für nachhaltige Landwirtschaft. Ausländische Delegationen statteten dem Betrieb Besuche ab. Doch der «schwarze Schnee», der vom Himmel fällt, verändert alles. Die Maurers mussten viele Tiere abtun. ««Wir mussten bis jetzt schon 51 abtun», sagte Fritz Maurer 1977 gegenüber dem Schweizer Fernsehen. Weitere würden folgen. Die kranken Tiere würden kaum mehr Milch geben. Und sie seien struppig und mager. Maurer hatte einen eindeutigen Verdacht: «Das ist wegen dem Gras, das so verseucht ist von dieser Kehrichtverbrennung.»
Der Zweckverband für Kehrichtbeseitigung der Region Aarau-Lenzburg, der die KVA damals betreibt, wies die Schuld von sich. Man könne nicht hinnehmen, als «Sünder und Schädiger» hingestellt zu werden, sagte der Präsident 1977.
Quelle vermutet
Die Behörden waren aber von den Vorkommnissen in der Region alarmiert. Aus einer handschriftlichen Aktennotiz der Bundesbehörden von 1978 geht hervor, dass man «wegen Buchs: beunruhigt» war. Das damalige Bundesamt für Umweltschutz setze gemäss den Tamedia-Zeitungen eine Arbeitsgruppe ein. Einen Schadstoff hat man bereits im Verdacht: Dioxin. Es wurden weitere Fälle bekannt, so aus der Region Estavayer FR und aus der Region Uzwil SG.
Die Experten wussten um die Gefährlichkeit des Gifts. Und sie kannten bereits eine der Quellen. «Dioxine können entstehen, wenn chlorhaltiges Material und organische Substanzen zusammen stark erhitzt werden. Also auch in der Abfallverbrennung», hiess es. Die Experten forderten bessere Analysen.
«Kreise nicht unnötig sensibilisieren»
Die Bauern vor den Gefahren warnen wollten sie indes nicht. Eine breite Information der Veterinäre «oder gar der Landwirte» lehnte die Expertengruppe laut Protokoll ab, «da die betroffenen Kreise nur unnötig sensibilisiert würden».
Für die Familie Maurer war dies verheerend. Zwar stellte der Kantonstierarzt eine schleichende Vergiftung der Tiere fest. Die Kehrichtsverbrennungsanlage sei aber nicht die Ursache, lauteten die Resultate von mehreren Analysen. Die Belastung sei nicht alarmierend, entspreche «ländlichen Verhältnissen», so das Fazit. Und der schwarze Schnee stamme aus anderen Quellen wie beispielsweise dem Verkehr.
Milchsperre für den Betrieb
Die Maurers waren besorgt um die Gesundheit der eigenen Kühe, aber auch die eigene Gesundheit. Für die Familie kam es noch schlimmer. Im Februar 1977 wurde eine Milchsperre verhängt. Die Landwirtschaftliche Genossenschaft Suhr teilt ihm per Brief mit: «Nachdem Sie öffentlich erklärt haben, die Breitenloohof-Milch sei ungeniessbar und stinke, sehen wir uns gezwungen, Ihre Milch zurückzuweisen.»
Gemäss dem Artikel der Tamedia-Zeitungen doppelte die Aargauer Zentralstelle für den milchwirtschaftlichen Kontrolldienst doppelt mit einer Pressemitteilung nach. Die schlechte Qualität sei eindeutig auf mangelnde Sauberkeit im Betrieb zurückzuführen, wird behauptet. In der Folge machten Gerüchte die Runde, die Familie dünge mit verseuchten Meeresalgen.
1978 mussten die Maurers den Betrieb aufgeben. Sämtliche Tiere bis auf 3 Kühe werden notgeschlachtet. Die Milch kippten sie ins Gülleloch. Nach 54 Jahren kündigten sie den Vertrag für den Hof. «Die Tiere sind uns zugrunde gegangen. Wir mussten so viele abtun, dass es nicht mehr gegangen ist», erklärte Fritz Maurer. Anschliessend zog er in die Innerschweiz und arbeitete als Knecht und am Fliessband. «Er war manchmal wirklich am Boden zerstört», sagt Tochter Vreni Maurer zu den «Tamedia-Zeitungen».
Neuer SVP-Regierungsrat räumte auf
Bewegung in den Fall brachte der 1983 neugewählte Baudirektor und spätere Nationalrat Ulrich Siegrist, der 2006 aus der SVP austrat. Er räumte im Kantonsparlament «eine erhebliche Überschreitung der zulässigen Auswurflimiten» ein. Die Regierung richtete ein Schiedsgericht ein. Dieses kam zum Schluss, dass die Schäden auf den beiden Bauernbetrieben «mindestens teilweise, jedoch in recht erheblichem Ausmass» durch die Emissionen der KVA verursacht worden waren.
Unter dem Druck der Politik und der Öffentlichkeit stimmte 1986 der aus mehr als 50 Gemeinden bestehende Zweckverband einer finanziellen Entschädigung zu. Ein Landwirt in Suhr AG, der seinen Betrieb 1978 aufgeben musste, bekam 250’000 Franken und ein Landwirt in Hunzenschwil AG 25’000 Franken. Eine Entschuldigung des Kantons oder des Zweckverbands erhielten die Landwirte nicht.
Aargauer Umweltskandal: Sondermülldeponie
Der jahrelange Streit um Schäden auf den beiden Bauernhöfen fiel in die Zeit des Umweltskandals wegen der Sondermülldeponie Kölliken. Nach nur sieben Jahren Betrieb war die interkantonale Sondermülldeponie 1985 wegen Umweltproblemen von der Standortgemeinde geschlossen worden.
Die mittlerweile erfolgte Gesamtsanierung der grössten Schweizer Altlast kostete die ehemaligen Betreiber – die Kantone Aargau und Zürich sowie die Stadt Zürich und die Basler Chemie – rund eine Milliarde Franken. Tausende von Tonnen Sondermüll wurden ausgebaggert und entsorgt.



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