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Tränen um grosse und kleine Pferde

 

Weihnachten ist auch das Fest der Geschenke. Während heute Überfluss herrscht, war das früher anders, und gerade die Grosselterngeneration war gar nicht verwöhnt. Darum geht es in unserer Weihnachtsgeschichte.

 

Es ist eine spezielle Weihnacht dieses Jahr. Wegen der Pandemie wusste man lange nicht, ob und wie man überhaupt Weihnachten feiern kann. Auch bei Familie Grüter. Wenige Wochen vor Weihnachten hatte es sie selbst erwischt.

 

Die Eltern Markus und Dora und die drei Töchter. Da sie nun nach überstandener Infektion immun sind, bilden sie kein Ansteckungsrisiko. Und können problemlos mit ihren Grosseltern und Onkel und Tante Weihnachten feiern.

 

Tour über den Hof

 

Und nun ist der Heiligabend da. Familie Grüter fährt zu den Grosseltern Grüter und Onkel Michael auf den Bauernhof. Alle sind guter Stimmung. Auch die Grossmutter Anne-Rose und Grossvater Hansruedi freuen sich. Mit gebührendem Abstand begrüssen sich die Familienmitglieder. Draussen ist es bereits dunkel.

 

Trotzdem lassen es sich die drei Mädchen nicht nehmen, noch nach draussen zu den verschiedenen Tieren auf dem Bauernhof zu gehen. Denn der Ton der Melkmaschine verrät, dass Onkel Michael noch bei den Tieren ist. Tina und Maria, die beiden älteren, zieht es deshalb sofort in Richtung Kuhstall. Sophie, die jüngste der drei Töchter, die will an einen anderen Ort. In den Pferdestall.

 

Ivana ist weg

 

Sie mag Pferde. Besonders Ivana, das alte Pferd ihrer Tante Ruth. Doch als sie die Türe zum Pferdestall öffnet: Gähnende Leere! Wo ist Ivana? Sophie rennt in Richtung Haus. Heulend öffnet die Siebenjährige die Haustüre. Ihre Tante ist beschäftigt in der Küche. Gerade hat sie einen feinen Kuchen aus dem Ofen geholt. Sie lässt ihn beinahe fallen, als die kleine Sophie schreiend hineinstürmt. «Wo ist Ivana?», will sie wissen. Tante Ruth wird aschfahl.

 

«Mist. Ich habe vergessen, meine Schwägerin vorzuinformieren», denkt sie leise. Denn sie mussten die 26-jährige Ivana kurz vor Weihnachten von ihren Leiden erlösen lassen. «Sophie, ich muss Dir was Trauriges sagen. Ivana lebt nicht mehr!» Da geht die Sirene erst recht los. Sophie rennt nach drüben in die gute Stube, wo ihre Mutter den Tisch deckt. Es dauert einen Moment, bis diese begreift, warum ihre Jüngste dermassen heult. Sie nimmt sie in den Arm und drückt sie. Doch Sophia lässt sich beinahe nicht beruhigen.

 

Suppe schmeckt nicht

 

Eine gute Stunde später. Alle sitzen nun am festlich gedeckten Tisch. Doch die Stimmung ist gedrückt. Noch immer flennt Sophie. Tante Ruth hat zwar vorzüglich gekocht. Ihre Kürbissuppe ist immer ein Gedicht. Doch irgendwie schmeckt sie heute trotzdem nicht. Das ändert sich auch nicht gross, als der Hauptgang, ein hervorragender Rindsbraten mit Kartoffelgratin, aufgetragen wird. Sophie rührt jedoch das feine Essen nicht an.

 

Das erzürnt jetzt langsam, aber sicher Onkel Michael: «Mach doch nicht so ein Theater. Wir alle hatten Ivana sehr gerne. Aber sie war halt alt und wir mussten sie von ihren Leiden erlösen.» Bei der Kleinen hatte dies jedoch genau den umgekehrten als den gewünschten Effekt. Sie heulte wieder laut los, stand auf und ging zur Türe raus. Tante Ruth schaute ihren Mann böse an: «Musste das jetzt sein?» Sie stand auf und folgte ihrer Nichte nach draussen.

 

Alle sind traurig

 

Sie wusste, wo diese sein würde: im leeren Pferdestall. Bis vor kurzem standen dort noch zwei Pferde. Bereits einige Wochen vor Ivana hatte sich die jüngere Isolde so unglücklich am Bein verletzt, dass diese auch hatte eingeschläfert werden müssen. Und jetzt noch Ivana. Das war offenbar zu viel für Sophie. Diese liegt heulend im Stroh.

 

Ruth kniet zu ihr nieder. «Wir sind doch alle sehr, sehr traurig, dass zuerst Isolde und jetzt auch noch Ivana sterben mussten», sagt sie leise und streichelt Sophie langsam über den Rücken. Endlich kommt die etwas zur Ruhe. «Komm», sagt die Tante und nimmt sie an der Hand.

 

Holzpferd macht keine Freude

 

Beide kommen rein in die gute Stube. Die Stimmung dort ist nun etwas gelöster. Dazu hat sicher auch der feine Rotwein beigetragen, den Markus Grüter mitgebracht hat. Doch nun ist Bescherung angesagt. Weil Sophie so traurig ist, darf sie als Erste auspacken. Was wohl in der schönen Verpackung stecken mag? Die Kleine zupft und zieht, bis es vor ihr steht: Ein wunderschönes, geschnitztes und liebevoll bemaltes, rotes Holzpferdchen!

 

Eigentlich erwarten alle, dass Sophie sich nun über ihr Geschenk freut. Doch Fehlanzeige. «Ich will das doofe Holzpferd nicht. Ich will Ivana wiederhaben», ruft sie aus. Nun passiert nochmal etwas, womit niemand gerechnet hat. Denn jetzt weint auch noch jemand anderes: Grossmutter Anne-Rose. «Was bist du nur für ein undankbares Kind!» Das bringt nun sogar Sophie zum Verstummen!

 

Verkorkster Abend

 

Was für ein verkorkster Weihnachtsabend! Wieder ist es an Tante Ruth, die Familienpsychologin zu spielen. «Liebe Anne-Rose: Erzähl uns doch, was dich beschäftigt.» Sie mag ihre Schwiegermutter sehr. Und sie weiss, dass diese es als Kind nicht immer einfach hatte. Noch unter Tränen beginnt diese, nun zu erzählen: «Wir hatten kaum Spielsachen, als wir klein waren. Denn wir waren arm. Doch ein kleines, einfaches Holzpferd hatte ich. Und das mochte ich sehr. Ich habe stundenlang mit ihm gespielt.»

 

Sie muss zwischendurch ein Taschentuch hervornehmen, um sich die Nase zu putzen. «Doch das Pferdchen war mit der Zeit abgenutzt. Und ein Bein nach dem anderen brach ab. Eines Tages fand dann meine Mutter, dass das Pferd nun zu schäbig sei. Sie verbrannte es im Ofen. Ohne mich zu fragen.» Wieder laufen der Grossmutter bei dieser Erinnerung die Tränen runter.

 

Geteilte Freude

 

Nun heult auch Sophie wieder. Sie nimmt ihr schönes, neues Holzpferd, geht zur Grossmutter und sagt: «Liebes Grosi, hier, nimm. Dann hast du wieder ein eigenes Holzpferd!» Diese stellt das Holzpferd vor sich auf den Tisch und nimmt ihre Enkelin auf den Schoss. Beide streicheln andächtig das schöne Pferdchen. Und die verstorbene Ivana schaut vom Pferdehimmel herab auf die beiden und freut sich!

Kommentare (2)

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  • Manni Meier | 25.12.2020
    Diese wunderschöne "Weihnachtsgeschichte" erinnert mich ganz an den heute im Deutschen Fernsehen gesehenen eben so wunderschönen Film "OSTWIND". Auch diese Pferde-Geschichte war "tränentreibend-schön".
    Am 26.12. spielen sie den Teil 2 von "OSTWIND", den ich mir auch wieder ansehen werde.
    FROHE WEIHNACHTEN.
  • Alset | 25.12.2020
    Sehr schöne, berührende Weihnachtsgeschichte, Danke!

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