Anstatt einen eigenen Stier zu halten oder ihre Kühe künstlich zu besamen, mieten immer mehr Schweizer Mutterkuhhalter einen Stier auf Zeit. Es sind vor allem Betriebe mit kleinen Herden, die ihre Kühe saisonal kalben lassen.
David Luchsinger hält Mutterkühe. Der biologisch bewirtschaftete Bergbetrieb mit 36 Hektaren Land liegt in Schwanden im Kanton Glarus. Die Tiere sind auf zwei Herden in zwei Ställen verteilt; eine Herde besteht aus reinen Originalbraunen und einem eigenen Stier, die andere ist eine gemischtrassige Herde mit roten Limousin, schwarzen Angus und hell- bis dunkelbraunen Kreuzungstieren. In dieser Herde läuft von Dezember bis Anfang April ein geleaster Stier mit (siehe Textbox), um für den Nachwuchs zu sorgen.
Ramses macht keine Probleme
Der zweieinhalb Jahre alte Limousin-Stier Ramses der Viehhandelsfirma Vianco liegt bei den Kühen in einer mit Stroh eingestreuten Liegebox. Er ist schon gut zwei Monate bei der Herde und offensichtlich gut in die Herde integriert. Zusammen mit den Kühen und Kälbern geht er in den Auslauf, wo die Tiere friedlich in der Sonne stehen.
Es ist ein gutmütiger Stier, der sich leicht führen lässt, erzählt Luchsinger. Er hat nicht einmal einen Nasenring. Da der Stier breiter ist als die Kühe und sein Hals nicht in das Fressgitter passt, benötigt er einen extra Fressplatz, wo er während des Fressens angebunden ist, während die Kühe am Fressgitter eingesperrt sind.
Schwierig wird es bei einer Krankheit
Luchsinger mietet bereits den sechsten Winter einen Stier. "Man weiss nie, was kommt", sagt er, doch in der Regel liessen sich die Stiere gut führen. Vorsicht mit den Stieren ist trotzdem geboten. Schwierig werde es dann, wenn der Stier krank werde und man ihn behandeln müsse. Bei einer Klauenbehandlung wäre es gut, man verfügte über einen soliden Behandlungsstand, denn der Klauenstand für die Kühe hält der Kraft des Stieres kaum stand.
Grössere Mutterkuhbetriebe mit über etwa 30 Kühen besitzen oft einen eigenen Stier. Betriebe mit kleinen Herden dagegen leasen eher einen Stier oder sie lassen ihre Kühe vom Besamungstechniker besamen. Letzteres bringt ihnen den Vorteil, dass sie den Vater im Katalog auswählen können. Die künstliche Besamung setzt voraus, dass man die Tiere gut beobachtet, um den Besamungstechniker zur richtigen Zeit zu bestellen.
Wenig Zeit für Tierbeobachtung
Doch die Tierbeobachtung ist nicht immer so einfach. "Man sieht fast nicht, ob die Kühe stierig sind", sagt Luchsinger. Tiere zu beobachten braucht Zeit und diese fehlt dem Landwirt, da er im Winter als Skilehrer arbeitet. Der Stier macht seine Sache gut. "Man kann sicher sein, dass alle Kühe trächtig sind", sagt der Landwirt.
Auch mit den Eigenschaften der Stiere war er bisher zufrieden, denn bei den geleasten Stieren handelt es sich um reinrassige Tiere aus dem Fleischrinderherdebuch. Dies ist eine Voraussetzung, um bei Natura-Beef, ein Markenprogramm von Mutterkuh Schweiz, teilzunehmen. Das Label steht für natürliche Haltung mit Sommerweide und Winterauslauf, für naturnahe Fütterung sowie hohe Fleischqualität.
Stier ist nicht dauernd erwünscht
Nicht nur, weil er eine kleine Herde hat, hält Luchsinger keinen eigenen Stier. Er kann ihn gar nicht das ganze Jahr über gebrauchen. Im Sommer kommen die trächtigen Kühe und die Jungtiere auf eine Alp. Für die steilen Weiden ist der Stier zu schwer und der Landwirt will nicht, dass seine Kälber auf der Alp zur Welt kommen. Denn die Gefahr, dass ein junges Kalb unter dem Zaun hindurch gelangt und abstürzt, ist gross.
Der Landwirt möchte, dass seine Kühe erst nach der Alpung, das heisst im Oktober und November, kalben, und zwar am liebsten auf der Weide im Tal. Das Kalben und damit auch das Besamen der Kühe müssen somit saisonal stattfinden. Es genügt also, dass der Stier nur im Winter bei der Herde ist. Den Rest des Jahres hätte der Stier keine Arbeit, erklärt der Landwirt.
Stieren-Leasing
Leasingverträge wendet man häufig bei der Finanzierung von Fahrzeugen an. Es ist quasi ein Mietvertrag, wobei der Leasingnehmer die Kosten für die Wartung und Instandsetzung des Fahrzeuges übernehmen muss. Beim Stierenleasing sind das die Kosten für Unterbringung, Futter und Pflege. Der Leasinggeber, in diesem Falle die Vianco, überlässt dem Mutterkuhhalter den Stier zur Nutzung.
Preis-/Leistungsverhältnis stimmt
Das Leasen des Stieres ist für den Landwirt ideal. Hat der Stier seine Arbeit getan, gibt er diesen wieder an die Vianco zurück, die immer Eigentümerin des Stieres bleibt. Quasi als Mietzins zahlt der Landwirt für die ersten zwei Monate insgesamt 300 Franken und für jeden zusätzlichen Monat 100 Franken. Hinzu kommen die Transportkosten von insgesamt 180 Franken. Um sicher zu sein, dass alle Kühe tragen, behält Luchsinger seinen Stier für dreieinhalb Monate.
Für diese Dauer bezahlt er der Vianco 630 Franken. "Das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt", sagt Luchsinger. Doch damit allein ist es für ihn nicht getan. Hinzu kommen die Kosten für den Stallplatz, das Futter sowie eventuelle Tierarztkosten. Ausserdem hat er eine Versicherung bei Tod oder Notschlachtung des Stieres abgeschlossen, denn dann müsste er der Vianco den in der Rechnung festgelegten Wert des Stieres, nämlich 5'000 Franken, bezahlen.
Zeit für Nebenerwerb wird frei
Rechnet man mit 1,5 Besamungen pro Kuh - denn nicht jede Besamung ist erfolgreich - und mit 50 Franken pro Besamung, würden sich die Kosten für die künstliche Besamung von 14 Kühen auf 1'050 Franken belaufen. Auch wenn der Landwirt die Unterhaltskosten des geleasten Stieres übernehmen muss, so geht für ihn die Rechnung auf. Es kommt darauf an, dass alle Kühe trächtig werden.
Dies ist beim Stier in der Herde eher der Fall als bei der künstlichen Besamung. Das Stierenleasing ermöglicht es dem Landwirt, einem Nebenerwerb nachzugehen. Dort verdient er mehr als bei der Stallarbeit. Voraussetzung, dass sich das Leasing lohnt, ist, dass der Stier fruchtbar ist und die Nachkommen gesund und frohwüchsig sind. Der Landwirt vertraut darauf, dass die Vianco ihm gute Stiere liefert. Denn schliesslich ist sie es, die ihm die Kälber abkauft.