Umweltalarm in Südserbien: Mehr als 60'000 Menschen versorgen sich wegen vergifteten Leitungswassers aus Tankwagen. In einer Stadt im Norden gibt es Probleme mit Arsen im Wasser.
«Sauerei», «unverschämt» und «kriminell», schimpfen einige beim Wasserholen aus Tankbehältern. Doch die meisten zucken nur mit den Schultern oder machen sich über ihre Lage lustig.
Zu viel Quecksilber und Kadmium
In der Stadt Uzice im Südwesten Serbiens herrscht seit über vier Wochen der Ausnahmezustand. Mehr als 60'000 Menschen müssen ihr Trinkwasser aus grossen Wasserbehältern abzapfen, weil das Leitungswasser verseucht ist. Die Behörden haben die Probleme lange verheimlicht.
Schon vor zwei Jahren waren in der Talsperre Vrutci, aus der das Wasser stammt, zu viel Quecksilber und Kadmium entdeckt worden, berichtete die Zeitung «Danas». Doch die Behörden blieben stumm und liessen die Proben fürs nächste Jahr schlicht ausfallen. Anfang Dezember vergangenen Jahres gab es überall Spekulationen und Gerüchte über den Zustand des Wassers. Doch die Behörden gaben am 16. Dezember Entwarnung, obgleich die Mitarbeiter der Ämter ihre Verwandten warnten.
Wassernutzung verboten
Erst am 27. Dezember verbot die Stadt dann die Wassernutzung «zum Trinken und Kochen», weil aus dem Stausee Vrutci vor den Toren von Uzice durch Algen Bakterien in die Leitungen gelangt seien.
Die diplomierte Biologin Marina Vukasinovic sagt: «Es ist die Umwelthölle.» Sie habe überlegt, wegzuziehen. Im Dezember sei der jahrzehntelange Smog mit seinen vielen Schadstoffen so dicht gewesen, dass man nur ein paar Meter weit habe sehen können. Die Ärzte hatten den Eltern geraten, ihre Kinder nicht ins Freie zu lassen oder sie in andere Landesteile zu bringen.
Die sonst politisch eher apathischen Bürger der Stadt organisierten über soziale Netzwerke schnell drei Demos vor der Stadtverwaltung. Mit Gasmasken, leeren Trinkbechern und Flaschen machten vor allem junge Menschen unter dem Slogan «Wir werden nicht schweigen» ihrem Unmut Luft.
Neue Trinkwasserleitung
Inzwischen gräbt die Armee des EU-Beitrittskandidaten Serbien eine 1,8 Kilometer lange Trinkwasserleitung zu einer neuen Quelle. Bis zum Wochenende soll die Leitung fertig sein. Die Talsperre Vrutci «wurde durch die Menschen ruiniert», sagt die 35-jährige Biologin Vukasinovic.
Hunderte von Wochenendhäusern, Fischfang und Tourismus hätten das Trinkwasserschutzgebiet ruiniert. «Die haben ihre Sickergruben im See geleert, aus dem sie dann getrunken haben», wundert sich die Zeitung «Informer». Die Sanierung wird teuer, sagt Wasserprofessor Bozo Dalmacija. Das Wasser müsse abgelassen und der Boden entseucht werden.
Umweltprobleme im ganzen Land
Der Fall Uzice ist nur die Spitze der Umweltprobleme. Im Norden muss sich die Stadt Zrenjanin schon seit zehn Jahren wegen Arsens im Trinkwasser aus Kanistern versorgen. Auch dort hatte man die Bürger jahrelang das versuchte Wasser trinken lassen.
Besonders kritisch sei die Lage bei der landesweit grössten Talsperre des malerischen Uvac-Flusses ebenfalls im Südwesten, schreibt die Zeitung «Novosti»: «In drei bis vier Jahren wird das Wasser tot sein». Städten wie Zajecar, Vranje, Leskovac oder Kragujevac drohe dasselbe Schicksal wie Uzice, schreibt das Blatt weiter.
Belgrad mit seinen 1,7 Millionen Einwohnern sei «die einzige Hauptstadt in Europa», die keine Wasseraufbereitungsanlage besitze, meldete vor kurzem das Staatsfernsehen RTS. «Täglich werden an mehr als 40 Orten jede Sekunde neun Kubikmeter Abwasser (ungefiltert) in die Donau und den Savefluss abgelassen».