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Trinkwasserschutz: Enteignung letztes Mittel

Seit mehr als einem Jahrzehnt versucht die Regierung in Frankreich weitgehend erfolglos, den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu verringern. Als besonders sensibles Thema haben die Abgeordneten die zunehmende Belastung der Wasserressourcen ausgemacht. Nun soll unter anderem eine rechtliche Basis für mögliche Enteignungen geschaffen werden.

AgE |

In Frankreich dürfte sich der Konflikt zwischen Pflanzenschutz und Trinkwasserversorgung in absehbarer Zeit spürbar zuspitzen. Davor hat ein parlamentarischer Ausschuss gewarnt, der zur Untersuchung des Scheiterns der Ecophyto-Pläne eingesetzt worden war.

Pflanzenschutzmitteleinsatz senken

Die Abgeordneten der Nationalversammlung sollten der Frage nachgehen, warum die gebündelten staatlichen Bemühungen zur Verringerung des Pflanzenschutzmittelaufwandes nach mehr als einem Jahrzehnt noch keine nennenswerten Erfolge vorweisen können.

Wie aus dem Ende Dezember 2023 veröffentlichten Abschlussbericht hervorgeht, halten die Mitglieder des Gremiums die zunehmende Belastung des Wassers zur Gewinnung von Trinkwasser für sehr problematisch. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln müsse in bestimmten sensiblen Bereichen verringert oder sogar vollständig unterbunden werden, heisst es im Bericht.

Basis für Enteignung schaffen

Vorgeschlagen wird unter anderem, die rechtliche Basis für eine Enteignung von landwirtschaftlichen Flächen zu schaffen, sofern alle anderen Massnahmen zur Verringerung der Belastung ergebnislos ausgeschöpft wurden. Flankierend soll der Staat die Zusammenarbeit von Wasserbehörden und regionalen Gesundheitsbehörden (ARS) verbessern, damit der Verringerung von Umweltbelastungen mehr Priorität eingeräumt wird.

Ausserdem soll die Belastung aus dem Pflanzenschutz «systematisch» in den Leitlinien für die Wasserbewirtschaftung (Sdage) berücksichtigt werden. Nicht zuletzt empfehlen die Abgeordneten, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz des Trinkwassers intensiver zu nutzen.

Trinkwassergewinnung wird schwieriger

Gemäss dem Bericht wird in Frankreich derzeit in rund 35’000 Einzugsgebieten Trinkwasser gewonnen. Nach Zahlen der Biodiversitätsbehörde (OFB) wurden im Zeitraum von 1980 bis 2019 fast 12’500 Brunnen aus der Nutzung genommen, davon etwa 4’300 aufgrund von Verschlechterungen der Wasserqualität.

Den grössten Anteil daran hatten mit 41% Belastungen aus dem Pflanzenschutz sowie überhöhte Nitratwerte. Laut dem Bericht haben alle vom Ausschuss befragten Vertreter von Wasserbehörden auf dieses Problem hingewiesen. Die zuständige Behörde im Seine-Normandie-Becken hat nach eigenen Angaben 2022 mehr als 1’700 von insgesamt 6’800 Entnahmestellen stillgelegt, davon rund 40% aufgrund von Belastungen durch die Landwirtschaft.

Auf dem Niveau von 2009

Der erste Ecophyto-Plan war bekanntlich 2008 aufgelegt worden. Ziel war es, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft bis 2018 um 50% zu verringern. Als die Zielmarke zwischenzeitlich immer weiter in die Ferne rückte, wurde die Frist 2015 zunächst auf das Jahr 2025 verschoben.

Danach wurde das Zwischenziel einer Verringerung um ein Viertel bis 2020 in den Vordergrund gerückt, konnte aber auch nicht erreicht werden. Laut dem Bericht liegen die Indikatoren aktuell auf dem gleichen Niveau wie 2009. Die einzigen Fortschritte sind nach Einschätzung der Abgeordneten beim Einsatz der risikoreichsten Wirkstoffe erzielt worden.

Kein Priorität

Wie zugleich betont wird, ist das jedoch nicht auf die Ecophyto-Pläne zurückzuführen, sondern lediglich die Folge von veränderten Rahmenbedingungen bei der Zulassung. Das Scheitern hat sich die Regierung zumindest anteilig selbst zuzuschreiben. Hohe Priorität hat Paris den Plänen nicht eingeräumt.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat sich die politische Ebene des Ecophyto-Lenkungsausschusses von 2019 bis 2023 nicht ein einziges Mal getroffen. Ressortübergreifende Zusammenarbeit und Unterstützung sind aus Sicht des Ausschusses «dürftig» ausgefallen. Neben Ressourcen habe es auch an Impulsen der Regierungschefs gefehlt. Zum Scheitern beigetragen hat nach Einschätzung des Ausschusses auch eine unzureichende Rechenschaftspflicht über die Verwendung der bereitgestellten Gelder.

Nationalen Strategieplan überarbeiten

Besser auf die Ecophyto-Pläne abgestimmt werden sollte nach Ansicht der Abgeordneten die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Vorgeschlagen wird, den nationalen Strategieplan zu überarbeiten und beispielsweise die Anforderungen für die Bio-Regelungen spürbar zu erhöhen. So soll etwa der Kriterienkatalog für das umstrittene Siegel für «hohen ökologischen Wert» (HVE) um Vorgaben für die Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ergänzt werden.

Laut dem Bericht kranken die französischen Bio-Regelungen derzeit an einem zu geringen Ambitionsniveau. Für die unterste Stufe seien nach derzeitigem Stand alle Betriebe ohne Anpassung ihrer Bewirtschaftungspraxis qualifiziert, und auch das nächsthöhere Niveau werde von 85% erreicht.

Schutz vor Lobbyisten

Anpassungsbedarf wird zudem im Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gesehen. Hier konstatieren die Abgeordneten ein «gewisses Misstrauen» in der Bevölkerung. Abhilfe soll unter anderem eine Stärkung der Glaubwürdigkeit schaffen. Insbesondere soll das System vor dem Einfluss von Lobbyisten geschützt werden. Vorgeschlagen wird etwa, ethische Grundsätze aus der Medizin zu übernehmen und die risikobezogene Forschung auszuweiten.

Die massgeblichen nationalen und europäischen Behörden sollen finanziell besser ausgestattet werden, nicht zuletzt um die Verfahren zu beschleunigen. Mittelfristig sprechen sich die Abgeordneten dafür aus, das Zulassungssystem in der Europäischen Union vollständig zu harmonisieren. 

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