Der Euro ist am Dienstag auf ein neues Rekordtief zum Schweizer Franken gefallen. Aus Furcht vor einer Ausweitung der europäischen Schuldenkrise und einer weltweiten Rezession haben sich Anleger am Dienstag verstärkt aus der Gemeinschaftswährung zurückgezogen.
Zeitweise tauchte der Euro unter 1,10 Franken. Der Tiefpunkt wurde am späten Nachmittag bei 1,0947 Fr. erreicht. Danach zog der Euro wieder leicht an, blieb aber vorerst billiger als 1,10 Franken. Am Vortag hatte der Euro im späten Handel noch über 1,11 Franken gekostet.
Auch der Dollar erreichte am Dienstag kurzzeitig mit 0,7707 Fr. einen neuen Tiefststand und notierte auch danach unter dem Wert vom Vortag, als der Greenback noch 0,7836 Fr. gekostet hatte.
Ökonomen der Banken halten an Wachstumsprognosen fest
Trotz des rasant erstarkenden Frankens halten Ökonomen grosser Schweizer Banken an ihren Konjunkturprognosen grösstenteils fest, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur sda ergab. «Unsere Konjunkturprognose ist so gut wie noch nie. Die passt wunderbar», sagte Credit-Suisse-Chefökonom Martin Neff am Dienstag.
Die CS gehört zu den pessimistischsten Konjunkturauguren mit einem prognostizierten Wachstum des Schweizer Bruttoinlandproduktes (BIP) von 1,9 Prozent für dieses Jahr und 2,2 Prozent für nächstes Jahr. «Ich habe nie an eine starke zweite Jahreshälfte geglaubt», sagte Neff.
1,10 Fr. untere Ende der Fahnenstange
Der heutige Franken-Kurs sei bitter. «Eigentlich waren für mich 1,10 Fr. das unterste Ende der Fahnenstange. Damit sind wir 25 Prozent von der Kaufkraftparität bei 1,32 Fr. entfernt. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals so eine massive Überbewertung gegeben hat», sagte Neff. In diesem tiefen Kurs sei wahnsinnig viel eingepreist: Etwa die sehr schwache Währungsunion ohne grosse Stabilität und eine halbe Rezession in den USA.
Auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hält an ihren Wachstumserwartungen von 2,5 Prozent für dieses Jahr und 2,0 Prozent für nächstes Jahr fest. Zwar werde sich der Aussenhandel aufgrund der Franken-Stärke abschwächen, sagte ZKB-Ökonomin Cornelia Luchsinger. Die Abschwächung der Weltwirtschaft dürfte aber nur eine temporäre Wachstumsdelle sein.
Erst wenn sich die Weltwirtschaft doch noch schlechter entwickeln würde oder die USA gar in Rezession abschlitterten, würde die ZKB die Prognosen nach unten revidieren. Aber derzeit sei die Schweizer Binnenkonjunktur nach wie vor stark. Wichtig sei, dass die Nachfrage aus dem Ausland stabil bleibe. Viele exportierende Firmen seien gut aufgestellt und hätten die Kosten dort, wo die Erträge herkämen.
Zeichen der Solidität
Ins selbe Horn stiess auch UBS-Ökonom Daniel Kalt: Die Schweizer Wirtschaft sei in hervorragender Verfassung. Die Franken-Stärke widerspiegle die Solidität und das Vertrauen, die man in die Schweiz habe.
Die Prognose für ein Wachstum von 2,7 Prozent im Gesamtjahr 2011 sei dank des guten Starts noch erreichbar, sagte Kalt. Stärker wackele die Prognose von 2,2 Prozent für das nächste Jahr. Vor einer Revision werde die UBS allerdings erst die BIP-Zahlen für das zweite Quartal abwarten.


