Der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) pocht auf eine zügige Sanierung von Wasserkraftwerken, die durch künstliche Wasserschwankungen die Flora und Fauna zerstören. Die Kantone müssten die Betreiber von rund 100 Kraftwerken - wie im Gewässerschutzgesetz vorgesehen - zur Sanierung zwingen.
Still und leise spiele sich an über 100 Stellen in Schweizer Flüssen täglich ein «Tsunami» ab, sagte SFV-Zentralpräsident Roland Seiler am Donnerstag vor den Medien in Bern. Die Betreiber der Kraftwerke würden durch künstliche Wasserschwankungen ihren Profit aus der Stromproduktion in den Spitzenzeiten steigern.
Schwall-Sunk-Betrieb
Die Werke haben die Möglichkeit, die Produktion durch eine kurzfristige Inbetriebnahme der Turbinen zu variieren. Sie verändern beim sogenannten Schwall-Sunk-Betrieb mehrmals täglich die Wassermengen, vergleichbar mit einer künstlichen Art von Ebbe und Flut.
Hohe Wasserführung wird als Schwall bezeichnet, niedrige Wasserführung als Sunk. In der Schwallphase werden Fische und Kleinlebewesen gemäss SFV brutal weggespült und Menschen im Flussbett gefährdet. In der Sunkphase wiederum stranden die Fische auf den flachen Uferzonen.
Verband nimmt Kantone in die Pflicht
Das verschärfte Gewässerschutzgesetz, das seit 2011 in Kraft ist, verpflichtet die Kraftwerke, innert 20 Jahren die für die Umwelt schädlichen Schwall-Sunk-Betriebe zu sanieren. Bis Ende 2014 müssen die Kantone dem Bund Sanierungspläne vorlegen. Der Fischerei-Verband befürchtet jedoch, dass vor allem die Bergkantone, etwa Wallis und Graubünden, ähnlich wie bei der Restwassersanierung auf Verzögerung setzen. Es spielten auch finanzielle Gründe mit. Sanierungen würden oft zu Ertragseinbussen führen, hiess es.
Die Kantone sollten Rückgrat zeigen, damit die Sanierungsfristen eingehalten würden: «Die Kantone müssen die Betreiber in die Zange nehmen», sagte Seiler. Der Verband forderte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf, bis spätestens Mitte 2015 eine Liste der sanierungspflichtigen Anlagen zu publizieren.
Aufwendige Sanierungen
Bei Kraftwerken mit extremen Schwall-Sunk-Problemen solle sofort gehandelt werden. Für die Sanierung von Anlagen könnten etwa Ausgleichsbecken gebaut werden, um das Wasser nach der Stromproduktion auf vollen Touren wieder dosiert in den Fluss einzuleiten.
Gemäss BAFU besteht bei einem Kraftwerk kein Problem, wenn das Verhältnis zwischen Schwall- und Sunkabfluss 1,5 zu 1 beträgt. Fachleute würden auch ein Verhältnis von 5 zu 1 als akzeptabel erachten, hielt SFV-Präsident Seiler fest. Es gebe jedoch Anlagen wie das Kraftwerk Schiffenen FR an der Saane, wo sich das Verhältnis auf 27 zu 1 belaufe
Der Betreiber dieses Kraftwerkes, der Energiekonzern Groupe E, wälzt bereits Pläne, um das Problem zu beheben. Ein guter Teil des Wassers der Saane soll nicht mehr via das Kraftwerk in die Aare fliessen, sondern durch einen neuen Stollen und ein neues Kraftwerk direkt in den Murtensee fliessen.
Stromkonsument bezahlt
Für die Sanierung der über 110 Kraftwerke in der Schweiz fallen gemäss Fischerei-Verband rund eine Milliarde Franken an. Die Kraftwerkbetreiber würden von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid die Kosten für die Sanierungsmassnahmen beim Gewässerschutz zurückerstattet erhalten.
Die Finanzierung erfolge durch einen Zuschlag von 0,1 Rappen pro Kilowattstunde auf die Übertragungskosten der Hochspannungsnetze. Rund 60 Millionen Franken kämen pro Jahr zusammen.
Lob für Ständerat
Als «erfreulich» bezeichnete der Verband den Entscheid des Ständerates vom Mittwoch, das Gewässerschutzgesetz nicht zu verwässern. Der Ständerat hatte eine Reihe von Vorstössen aus dem Nationalrat abgelehnt.
Neun Kantone hatten mit Standesinitiativen verlangt, bei der Ausscheidung des Gewässerraums die Interessen der Landwirtschaft oder der Siedlungsentwicklung stärker zu gewichten oder ihnen mehr Spielraum bei der Umsetzung einzuräumen. Nach dem Entscheid des Ständerates bestehe nun eine politisch bereinigte Ausgangslage, sagte Seiler: «Wir hoffen, dass es Ruhe gibt und die Kantone das Gesetz umsetzen.»