Im Kampf um die Lufthoheit in New York stehen sich zwei ungleiche Lager gegenüber: Auf der einen Seite Flugzeuge, die jedes Jahr rund hundert Millionen Passagiere von und zur US-Metropole bringen. Und auf der anderen Seite kanadische Wildgänse.
Seit ein Airbus A320 von US Airways im Januar 2009 nach einem Vogelschlag auf dem Hudson River spektakulär notwassern musste, ist das Federvieh im Visier der Behörden.
Wähend Mauserzeit werden Gänse gekeult
Das US-Landwirtschaftsministerium lässt im Juni und Juli, wenn die Wildgänse wegen dem Mauser fluguntauglich sind, hunderte Vögel und deren Nachwuchs keulen. Weil den Tieren die Flucht in die Lüfte wegen ihres Gefiederwechsel unmöglich ist, haben die Mitarbeiter des Ministeriums leichtes Spiel. Sie treiben die Gänse in Käfige und fahren sie dann ab zur Tötung.
Bis zu 25’000 kanadische Wildgänse leben derzeit in New York. «Das anvisierte Ziel des Ministeriums für den Gänsebestand ist 4000 bis 5000», sagt Lee Humberg, der für die Keulungen in New York verantwortlich ist.
Gänseschwarm geriet in Triebwerk
Vor allem im Umkreis von elf Kilometern der Flughäfen JFK, Newark und LaGuardia wollen die Behörden eine weitgehend gänsefreie Zone einrichten.
Als 2009 das Flugzeug von US Airways vor der New Yorker Skyline im eisigen Wasser des Hudson aufschlug, kam wie durch ein Wunder kein Mensch zu Schaden. Ein Gänseschwarm war nach dem Start mit der Maschine kollidiert und hatte beide Triebwerke lahmgelegt.
Keine natürlichen Feinde
Die Beinahe-Katastrophe habe die Aufmerksamkeit auf das Problem der Wildgänse gerichtet, sagt Humberg. Auch andere Vögel wie Möwen würden gelegentlich Flugzeugen in die Quere kommen, doch die Gänse stellten mit einem «Kampfgewicht» von mehreren Kilogramm eine viel grössere Gefahr dar.
Humberg sagt, er habe Respekt für seine gefiederten Gegner. Die kanadischen Wildgänse könnten sich sehr gut an die Umgebung anpassen und seien von ihrer Liebe zu New York nur schwerlich abzubringen. Die Population steige kontinuierlich an. «Es gibt keine Jäger, keine natürlichen Feinde», sagt er.
Tierschützer schlagen Alarm
Auf die Seite der Wildgänse hat sich David Karopkin geschlagen. Mit der Tierschutzgruppe GooseWatchNYC hat er jeden Tag im Morgengrauen ein Auge auf die Schwärme, die in New York ihren Lebensraum haben.
Sobald sie eine Aktion des Landwirtschaftsministeriums beobachten, werden alle Aktivisten per Kurzmitteilung alarmiert. Durch ihre Präsenz und mit Videoaufnahmen hoffen sie, dem Schlachten Einhalt gebieten zu können. Das Keulen gewaltsam zu stoppen, versuchen sie nicht.
«Es ist schrecklich», sagt der 27-jährige Karopkin. «Ich habe mich entschieden, nicht schlafend in meinem Bett zu liegen».
Kulturelles Problem
Karopkin hält die jährlichen Keulungen für Zeitverschwendung. Kanadische Wildgänse seien schliesslich an Langstrecken gewöhnte Zugvögel und könnten den New Yorker Luftraum von überall anflattern.
«Die Idee, dass man hier Vögel tötet und dadurch Flugzeugunglücke verhindert, ergibt überhaupt keinen Sinn», sagt der Tierschützer. Die Behörden halten dagegen, dass die meisten Flugzeuge eben nicht mit Zugvögeln, sondern mit in New York angesiedelten Gänsen kollidierten.
Viele Gänse-Wächter sehen im Kampf gegen die Massenkeulungen aber eine grundsätzliche Frage. «Das ist Teil eines kulturellen Problems in Amerika: zunächst Gewalt, dann Proteste, dann vielleicht eine intelligente Lösung», sagt die 62-jährige Rosemary Kliegman.