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«Uniterre kämpfte nicht für bessere Lösung»

Reto Blunier |

 

Der Abstimmungskampf für das Freihandelsabkommen mit Indonesien ist lanciert. Die Bauernorganisation Uniterre kritisierte den Schweizer Bauernverband (SBV) heftig und wirft ihm vor, die Ernährungssicherheit zu untergraben. Beat Röösli, Leiter Internationales beim SBV, nimmt zur Kritik Stellung.

 

Am 7. März stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung das Freihandelsabkommen mit Indonesien ab. Der Schweizer Bauernverband (SBV) unterstützt das Abkommen. Die Bauernorganisation Uniterre zeigt sich enttäuscht über den Entscheid des Verbandes und übte heftige Kritik.

 

Beat Röösli, der beim Bauernverband den Geschäftsbereich Internationales verantwortet, ist beim SBV auch für das Freihandelsabkommen mit Indonesien zuständig. Er nimmt Stellung zur Kritik von Uniterre. Röösli sagt, dass das Abkommen für die Schweizer Rapsbauern keine Gefahr ist, da nur ein sehr kleiner Teil der Kontingente das Rapsöl konkurrenzieren. Und er führt auch aus, weshalb die Bauern ein Ja in die Urne werfen sollen.

 

Die Bauernorganisation Uniterre geht mit dem Schweizer Bauernverband (SBV) hart ins Gericht. Der SBV mache einen Kuhhandel mit Economiesuisse und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Die Schweizer Demokratie mit ihrer kulturellen und politischen Vielfalt funktioniert dank der Kompromissfähigkeit. Würden sich die Exponenten von Uniterre mit den realen Herausforderungen der Schweizer Landwirtschaft beschäftigen, wüsste sie, dass die Bauern im Bundesbern Mehrheiten suchen müssen. Dass der SBV mit Economiesuisse die gemeinsamen Interessen im Hinblick auf die Abstimmung über die Trinkwasser- und Pestizidinitiative auslotet, hat nichts mit dem Freihandelsabkommen mit Indonesien zu tun. Im Gegenteil, der Bauernverband als Gründer der Palmöl-Koalition setzte dem Seco und Bundesrat Johann Schneider Ammann massiv zu, um zum aktuellen Verhandlungsresultat zu gelangen

 

Uniterre doppelt in ihrer Mitteilung nach. Der Bauernverband untergrabe mit dem Ja zum Freihandelsabkommen die Ernährungssicherheit und gefährde die Existenz tausender Landwirte. Ist das Abkommen für die Schweizer Bauern aus der Sicht des SBV keine Gefahr?
Der Grenzschutz für unsere sensiblen Produkte ist dem SBV heilig. Er würde nie einem Freihandelsabkommen zustimmen, das die Schweizer Bauern gefährdet. Hält der Bundesrat aber unsere «Rote Linie» ein, stimmen wir zu. Im Falle von Indonesien stand der Entscheid auf Messers Schneide, bis unsere Forderung erfüllt wurden. Ich glaube nicht, dass Uniterre jemals beim Seco oder in der Wandelhalle aktiv für eine bessere Lösung gekämpft hat. Wenn eine Bauernorganisation in der Schweiz die Ernährungssicherheit durch täglichen Einsatz stärkt, dann ist das der SBV.

 

Uniterre und andere Mitglieder des Nein-Komitees kritisieren, dass «billiges Palmöl» die ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit der bäuerlichen Landwirtschaft in der Schweiz wie auch in Indonesien untergräbt. Hilft der Bauernverband also mit, die bäuerliche Landwirtschaft zu «zerstören»?
An der bäuerlichen Landwirtschaft wird das Abkommen weder in der Schweiz noch in Indonesien etwas ändern. Denn für den Export wird Palmöl nicht von Kleinbauern, sondern auf grossen Plantagen angebaut, auf denen unhaltbare Zustände herrschen. Auf meiner Reise durch Borneo machte mich die Zerstörung der Regenwälder zutiefst betroffen. Die Schweiz importiert heute dieses Palmöl ohne zu wissen, wie es produziert wird. Mit dem Abkommen schafft die Schweiz Anreize, damit zertifiziertes Palmöl importiert wird. Das ist global betrachtet ein Tropfen auf den heissen Stein, aber besser als ohne Abkommen.

 

Umfrage zeigt ein knappes Ja für Abkommen

 

Gemäss einer repräsentativen Umfrage der SRG haben die Befürworter des Abkommens mit 51 Prozent die Nase vorne. Parteiungebundene, SP und Grüne sprachen sich dagegen aus. Alle anderen Parteianhänger waren dafür, am deutlichsten jene der FDP. Die Meinungsbildung ist aber noch wenig entwickelt.

 

Von den Argumenten her haben die Befürworter die Oberhand. Zwei Drittel sehen Wettbewerbsvorteile für die Schweiz. 83 Prozent sind der Meinung, dass Ökologie und Menschenrechte in Freihandelsabkommen mehr Gewicht erhalten müssen. Auf der Gegnerseite sticht das Argument bei 63 Prozent, dass Palmöl extrem billig sei und einheimische Öle verdränge. 56 Prozent erwarten, dass der geringe Nutzen für die Schweiz die Schäden der Palmölproduktion nicht aufwiegt. -> Mehr dazu hier

 

Das Institut gfs.bern führte die erste Welle der Umfrage im Auftrag der SRG vom 1. bis zum 24. Januar durch. Befragt wurden 9067 Stimmberechtigte in allen Landesteilen. 

 

 

Reichen denn Anreize aus?
Der Königsweg bleibt nach wie vor, weniger Palmöl zu konsumieren. Alleine durch die mediale Debatte rund um das problematische Palmöl sank der Import um mehrere tausend Tonnen. Zahlreiche Verarbeiter haben Palmöl durch Rapsöl oder Butter ersetzt. Inzwischen kann die Nachfrage nach Raps bei weitem nicht mehr gedeckt werden. Dieses Umdenken ist der wahre Erfolg dieser Verhandlungen für den Regenwald und die Schweizer Landwirtschaft.

 

Uniterre sagt auch, dass der Import von Palmöl den Druck auf die Schweizer Rapsölpreise erhöht. Die Folge seien sinkende Produzentenpreise, warnt die Organisation. Der Bauernverband sagt hingegen, die Preise würden nicht unter Druck geraten. Wie können Sie da vom Verband so sicher sein?
Ausgewiesene Marktexperten sind sich darüber einig, dass die Konzessionen den Raps nicht unter Druck setzen. Die Importmenge an billigem Palmöl hängt nicht nur vom Preis ab, sondern vom spezifischen Verwendungszweck in der Industrie. Zudem wird der Preis für Rapsöl nicht in Abhängigkeit vom Palmölpreis, sondern vom europäischen Sonnenblumenölmarkt gebildet. Und schliesslich sind die Kontingente begrenzt und mit kostentreibenden Auflagen belegt, weshalb sich mit den Konzessionen nicht der Preis, sondern die Qualität der Ware ändert. Wenn der Palmölpreis auf dem Weltmarkt drastisch sinken würde, käme günstiges Palmöl auch ausserhalb der Konzessionen von allen möglichen Ländern in die Schweiz, Abkommen hin oder her.

 

Uniterre befürchtet, dass durch das Abkommen der Produzentenpreis für Schweizer Rapsöl unter Druck gerät.
verein Schweizer Rapsöl

 

Im Abkommen sind sogenannte Schutzklauseln definiert. Die Schweiz kann die Zollerleichterungen für Palmölprodukte vorübergehend aussetzen, wenn die Importe zu einer «ernsthaften Schädigung» der einheimischen Ölsaatenproduktion führt. Landwirt Daniel Etter aus Meikirch BE kritisiert in den Tamedia-Zeitungen, dass die Kriterien nicht bekannt sind. Er will deshalb ein Nein in die Urne legen. Wann genau werden denn die Schutzklauseln aktiviert?
Die Schutzklausel deckt ein minimales Restrisiko ab. Sollte der Ölsaatenmarkt kollabieren, aus welchem Grund auch immer, wird die Politik reagieren müssen. Der Bund kann in so einem Fall alle möglichen Massnahmen ergreifen. Mit der Schutzklausel behält er die Freiheit, die Zollkonzessionen auszusetzen. Aber selbst bei einem schlimmsten Szenario wären andere Marktinterventionen wohl wirksamer.

 

In Konkurrenz zum Schweizer Rapsöl steht einzig das Teil-Kontingent von 1250 Tonnen rohem Palmöl, also lediglich 10 Prozent der gesamten Kontingente.

Beat Röösli

 

Das Abkommen mit Indonesien sieht fünf Teilkontingente vor. Die Rede ist dort von Palmöl, Palmstearin und Palmkernöl. Reduzierte Zölle sind auf insgesamt 12'500 Tonnen vorgesehen. Sind sämtliche dieser Produkte eine Konkurrenz für die Schweizer Landwirtschaft?
In Konkurrenz zum Schweizer Rapsöl steht einzig das Teil-Kontingent von 1250 Tonnen rohem Palmöl, also lediglich 10 Prozent der gesamten Kontingente. Die 100 Tonnen in Flaschen werden kulturbedingt in Asia-Shops verkauft. Ganze 7500 Tonnen, also 60 Prozent des Kontingents, fallen auf Palmstearin. Das wird  für die Herstellung von Seifen, Kerzen und Schmiermitteln verwendet und ist für unser Speiseöl keine Konkurrenz. Palmkernöl wird aufgrund seines hohen Schmelzpunktes für Pralinenfüllungen oder Desserts eingesetzt. Für die Industrie sind die Eigenschaften relevant, eine Preis- oder Mengenelastizität gibt es nicht. Daher ist auch hier die Konkurrenzierung mit Rapsöl und Butter sehr gering.

 

In Konkurrenz zum Schweizer Rapsöl steht gemäss SBV einzig das Teil-Kontingent von 1250t rohes Palmöl, also lediglich 10% der gesamten Kontingente.
SBV

 

Parmelin sieht keine Gefahr für Raps

 

Wirtschaftsminister Guy Parmelin sieht für den Schweizer Raps keine Gefahr. Das Abkommen sehe fünf Teilkontingente für Palmölprodukte vor. Vorgaben zur Einfuhr sollen garantieren, dass die Rückverfolgbarkeit bis zum Hersteller garantiert ist. Die Schweizer Produktion sei auch deshalb nicht in Gefahr, weil die Zölle auf Palmöl mit dem Abkommen lediglich um rund 20 bis 40 Prozent und im Rahmen beschränkter Mengen sinken würden, so Parmelin. 

 

Die Aussage von Uniterre, dass die Zollreduktion von 35% für 12’500t Palmöl Gültigkeit hat, stimmt damit also nicht?
Jedes Teilkontingent hat unterschiedliche, teilweise nach Importmenge abgestufte Zollreduktionen. Diese liegen zwischen 20 und 40 Prozent. Beim rohen Palmöl wird der Zoll um 30% reduziert. Diese Einsparung wird jedoch mit den Kosten für die Nachhaltigkeitsanforderungen wieder ausgeglichen.

 

Uniterre warnt, dass das Abkommen mit Indonesien zu einem Präzedenzfall für alle weiteren Freihandelsabkommen werden könnte. Teilen Sie diese Ansicht?
Die Schweiz hat ähnliche Freihandelsabkommen mit über vierzig Ländern abgeschlossen. Die Nachhaltigkeit wurde bisher in einem unverbindlichen Kapitel abgehandelt. Im Abkommen mit Indonesien werden erstmals produktspezifische Konzessionen an bindende Nachhaltigkeitsanforderungen geknüpft. Das heisst, die Zollreduktion gibt es nur, wenn das Palmöl in 22-Tonnen-Containern geliefert wird und der Importeur die vom Bund anerkannte Zertifizierung und den Herkunftsnachweis vorlegt. So etwas gab es noch nie. Und ich hoffe, dass dieser Präzedenzfall in künftigen Verhandlungen Schule macht.

 

Der Grenzschutz ist mit dem Abkommen nicht gefährdet.

Beat Röösli

 

Weshalb sollen die Bauern dem Freihandelsabkommen mit Indonesien aus Ihrer Sicht zustimmen?
Erstens bleibt mit dem Abkommen der Grenzschutz erhalten, die Schweizer Landwirtschaft und insbesondere die Rapsproduzenten werden nicht gefährdet. Zweitens schafft es Anreize, damit künftig die Palmölimporte zertifiziert und rückverfolgbar sind. Drittens brauchen wir eine starke Wirtschaft, die es den Konsumierenden ermöglicht, für unsere guten Schweizer Produkte auch gute Preise zu bezahlen.

 

Zur Person
Beat Röösli leitet seit zehn Jahren den Geschäftsbereich Internationales beim Schweizer Bauernverband und ist in seiner Funktion auch für das Freihandelsabkommen mit Indonesien zuständig. Zu Beginn der Verhandlungen mit Malaysia und Indonesien lancierte er zusammen mit dem Getreideproduzentenverband und zahlreichen NGOs die sogenannte Palmöl-Koalition. Letztere setzte gemäss SBV den Bundesrat und die Verhandlungsführer über die Medien und das Parlament während Jahren unter massiven Druck, um ein Abkommen zu erreichen, das die Schweizer Rapsbauern nicht gefährdet. Beides hat die Koalition erreicht. Aus Sicht des SBV ist das ein Erfolg.

 

Palmöl: Auf dem Teller, im Lippenstift, im Kraftstoff

 

Palmöl ist weltweit das wichtigste Pflanzenöl. Laut der Organisation WWF enthält etwa jedes zweite Produkt in unseren Supermärkten Palmöl oder Palmkernöl. Es kommt in Margarine, Schokolade, Cremes genauso vor wie in Waschmitteln, Lippenstiften oder als Zusatz in Kraftstoffen. Die beiden wichtigsten Produktionsländer sind Indonesien und Malaysia, von über 80% der globalen Palmöl-Menge stammen. Palmöl ist so beliebt wie umstritten. Der WWF kritisiert, dass für den zunehmenden Anbau von Ölpalmen immer mehr Regenwald abgeholzt wird und damit die zahlreichen Tierarten ihren Lebensraum verlieren. Jährlich würden rund eine Million Hektar gerodet, unter anderem für Palmöl-Monokulturen. lid

 

Palmöl wird aus dem Fruchtfleisch der Palmfrüchte gewonnen. Die Früchte werden sterilisiert und gepresst, dabei entsteht das rohe Palmöl.
Jukwa Village

Kommentare (3)

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  • daniel wismer | 02.02.2021
    Von den Befürwortern hat noch kein einziger erklärt und gezeigt, wie nachhaltige Palmöl Gewinnung aussieht ! An jedem Liter Palmöl klebt das Blut von den Orang Utans. Zudem ist Indonesien eine kriegsführende Nation die im begriffe ist, die Kultur der Westpapuas auszumerzen. https://de.wikipedia.org/wiki/Papuakonflikt . Aber unsere SBV -Freihandelsfreaks werden auch dies "übersehen"....
  • K.Brunner | 02.02.2021
    Was sind denn diese Zertifikate wert? Sich auf solche Zertifikate zu verlassen ist doch höchst naiv, zumal es sich um ein riesengrosses Land handelt, mit tiefsten Produktionsstandards... Glaubhaft wäre wenn die Politik Wege suchen würde, um alternative Produkte einzusetzen, die nicht auf Kosten des Regenwalds produziert und dann noch um die halbe Welt transportiert werden müssen. Das Geld wäre besser angelegt, wenn man Produkte aus europäischer Produktion verbilligen würde...
  • A.G. | 02.02.2021
    Die Produktion in der Schweiz wird durch solche Abkommen weniger gefährdet, als durch ausufernde Bürokratie und kostentreibende Produktionsvorschriften.
    Mein Tipp für die Zukunft (ironsch): Man erzielt das Einkommen mit gezielter, nachhaltiger Nichtproduktion. Zum Glück haben wir dann Freihandelsabkommen um uns zu ernähren.

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