Österreichs Finanzminister Markus Marterbauer erwägt staatliche Eingriffe in die Nahrungsmittelpreise, was von der Arbeiterkammer begrüsst, vom Handelsverband jedoch entschieden abgelehnt wird.
Tung Lam
Für kontroverse Diskussionen hat Österreichs Finanzminister Markus Marterbauer mit dem Vorschlag gesorgt, die Inflation durch «Preiseingriffe bei den Nahrungsmittelpreisen» in den Griff zu bekommen. Die Teuerungskrise hätten jene Länder am erfolgreichsten bewältigt, die in Preise eingegriffen hätten, erklärte Marterbauer im Interview mit den «Salzburger Nachrichten».
In Österreich gäben die unteren Einkommensgruppen mittlerweile rund die Hälfte ihres Einkommens für Wohnen, Haushaltsenergie und Nahrungsmittel aus. «Ich sage jetzt nicht, dass ich das Modell für die Nahrungsmittelpreise schon konkret im Kopf hätte, aber wir werden darüber diskutieren müssen», so der SPÖ-Minister.
Handelsverband lehnt Eingriffe ab
Ein klares Nein zu staatlichen Eingriffen in die Preisgestaltung kam umgehend vom Handelsverband. Das Finanzministerium müsse bei der aktuellen Diskussion Ursache und Wirkung unterscheiden, erklärte Geschäftsführer Rainer Will. Ursache für die hohe Inflation seien ganz klar die massiv gestiegenen Energiekosten, hohe Rohstoff- und Erzeugerpreise sowie deutlich gestiegene Personal-, Finanzierungs- und Logistikpreise. «Staatliche Eingriffe in die Preispolitik des Lebensmittelhandels gefährden den regionalen Bezug von hochqualitativen Nahrungsmitteln für die österreichische Bevölkerung sowie 140’000 gut bezahlte Jobs», warnte Will. Mit der Nahversorgung sollte daher politisch nicht achtlos umgegangen werden.
Der Geschäftsführer wies darauf hin, dass der österreichische Lebensmittelhandel auch in Zeiten der Rekordinflation auf eine systematische Erhöhung von Gewinnmargen und Handelsspannen verzichtet habe – ganz im Gegensatz zu einigen internationalen Herstellern. Die Teuerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken lag Will zufolge im Gesamtjahr 2024 mit 2,6 % unter der allgemeinen Inflation von 2,9 %; der LEH habe also inflationsdämpfend agiert. Zudem habe die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) klar belegt, dass der Wettbewerb im heimischen Lebensmittelhandel funktioniere und die Händler keine Verursacher, sondern selbst Betroffene der Teuerungskrise seien.
Arbeiterkammer fordert Entlastungen
Die Arbeiterkammer hält den Vorschlag von Minister Marterbauer hingegen für sinnvoll. Die anhaltend hohe Inflation, die weiterhin über dem EU-Schnitt liege, mache spürbare Entlastungen dringend notwendig. Bereits seit Jahren fordert die Arbeiterkammer nach eigenen Angaben eine Preisdatenbank, ein wirksames Preisgesetz und eine unabhängige Anti-Teuerungskommission: «Eine Preisdatenbank würde ungerechtfertigte Aufschläge sichtbar machen, und ein Preisgesetz mit Biss könnte die Preise wirkungsvoll dämpfen.»
Ausserdem kritisierte die Arbeiterkammer einen regelmässigen «Österreich-Aufschlag» bei den Preisen. Es sei völlig absurd, dass für manche Lebensmittel in Österreich mitunter doppelt so viel bezahlt werden müsse wie in Deutschland. «Darum begrüssen wir ausdrücklich, dass es sowohl im österreichischen Regierungsprogramm als auch in der EU-Binnenmarktstrategie endlich ein Bekenntnis dazu gibt, diesen Aufschlag abzuschaffen und die Konsumenten in Österreich nicht länger zu benachteiligen», so die Kammer.
Kritik an Supermarktdichte
Nach Ansicht von Oberösterreichs Umwelt-Landesrat Stefan Kaineder resultieren die hohen Lebensmittelpreise in dem Alpenland aus einer hohen Supermarktdichte. Im EU-Durchschnitt gebe es pro 100’000 Einwohner 33 Supermärkte; in Österreich seien es mit 60 Supermärkten fast doppelt so viele. Kaineder begrüsste den Vorstoss des Finanzministers: «Es braucht endlich ein Ende dieser Supermarkt-Wildwüchse und ein System, das fair, transparent und sozial ist.»
Der World Wide Fund for Nature (WWF) Österreich verwies auf das ungenutzte Potenzial einer Reduktion der Lebensmittelverschwendung. Ein wirksames Massnahmenpaket der Bundesregierung würde der Umwelt helfen, könnte die Nachfrage preismindernd reduzieren und Armutsbetroffene direkt unterstützen.