Die Freiburgerin Anja Tschannen studiert Agronomie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen. In ihrem Blog berichtet sie über das Studium, aber auch über ihre Arbeit als Freie Mitarbeiterin beim Schweizer Bauer und ihre Hobbies.
Ich kenne mich nicht besonders aus im Schwingsport, aber auch mich hat, wie zahlreiche andere normalerweise nicht-Schwinger-orientierte Leute auch, die Schwinger-Euphorie rund um das ESAF 2013 in ihren Bann gezogen. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil es von den Medien extrem gepuscht und man in den letzten Wochen ständig mit diesem Thema konfrontiert wurde. Jedenfalls hatten wir, ich und zwei Kolleginnen, am Freitagabend im Ausgang die glorreiche Idee, dass wir uns dieses heissumworbene Festgelände in Burgdorf doch auch zu Gemüte ziehen wollten.
Überdimensional
So ging es am nächsten Abend auf nach Burgdorf. Vorausschauend wie wir sind, haben wir den Zug von Bern nach Burgdorf genommen. Liebe SBB mal im Ernst: Bei diesen Tarifen wundert ihr euch noch, wenn nicht alle Leute mit dem Zug durch die Schweiz düsen? Da wir keine Eintritttickets für die Arena hatten, konnten wir auch nicht vom Gratis-Tarif für die Anreise profitieren. Nach dem Fussmarsch auf dem legendären Schwinger-Weg erreichten wird den heiligen Boden. Die Dimensionen des Festareals waren gigantisch und überwältigend. Ebenso die Menschenmassen. Unzählige Menschen strömten herum und ein Durchkommen - sei es zu der Bar oder den verschiedenen Festzelten - brauchte seine Zeit.
Krawalle, Chaos und Schlägereien
Ich muss gestehen, dass ich mich nicht ohne Hintergedanken dort herum trieb. Ich war auf Krawalle, Chaos und Schlägereien aus. Mal ganz ehrlich, bei dem ganzen Medienrummel, der Popularität und den Grössenverhältnissen dieses Anlasses, war es für mich nur schwer vorstellbar, dass es diesmal ohne Zwischenfälle von der Bühne gehen soll. Gerade diese Popularität und die Tatsache, dass immer wieder gepredigt wurde, dass es an einem Schwingfest keine derartigen Ausschreitungen gibt wie beispielsweise beim Hockey oder Fussball gäbe, hätte eigentlich schon zahlreiche Chaoten anlocken können, welche den Ruf ruinieren wollten. Aber nichts dergleichen. Trotz erheblichem Alkoholpegel schon zu früher Stunde blieb es ruhig und friedlich. Keine Randalierer, keine Ausschreitungen, keine Schlägereien, nichts, und ich habe wirklich mit Argusaugen beobachtet. Ich habe mich schlichtweg sicher gefühlt. Und es war diese Stimmung, die dem Ganzen das gewisse Etwas gab. Zigtausende Menschen haben sich einfach nur getroffen um gemeinsam friedlich zu feiern und sich gemeinsam zu freuen.
Echte Schwinger live –Willkommensfest
Auch am Montagabend, beim Empfang des neuen Schwingerkönigs in dessen Heimatgemeinde Alchenstorf, ist es wieder so. Genau diese Stimmung liegt auch jetzt wieder in der Luft, eine erwartungsvolle gespannte freudige Spannung. Und greift auf mich über, ich spüre ein Kribbeln und mein Körper wird von Vorfreude erfasst. Emsig laufen die Menschen an mir vorbei, es herrscht geschäftiges Treiben. Alle bereiten sich für den grossen Empfang vor, den Empfang eines Königs. Der Andrang ist überwältigend, alle wollen dem König gratulieren. Endlich kommt er, gemeinsam mit seiner Freundin und dem Siegermuni führt er den Festumzug an. Gefolgt vom Bundespräsidenten, seiner stolzen Familie, dem Bernerischen Schwingerverband, darunter zahlreiche Kranzschwinger, und natürlich mit viel Glockengeläute und Musik. Die Festhalle platzte aus allen Nähten und viele Fans sammelten sich auch noch draussen an.
Sempach, Stucki und Co.
Allein schon die Menschenmassen die her geströmt waren und das besondere Ambiente waren einmalig. Was mir persönlich aber am aller meisten imponiert hat waren, wie sollte es auch anders sein: die Schwinger. Während dem ich in Burgdorf vergeblich Ausschau nach den „Bösen“ gehalten habe um einen von Hahe zu sehen, fand ich sie plötzlich alle auf einem Haufen vor… Sempach, Stucki, Wenger und CO. Alle waren anwesend. Die Kameraperspektive des Schweizer Fernsehens ist ziemlich komisch eingestellt, die sind nämlich gar nicht soooo enorm gross wie sie im TV wirken. Aber sehr sympathisch. Es ist mehr als nur der Sieg der hier zählt, es ist der faire, aufrichtige, saubere Sport und eine genauso aufrichtige Freundschaft, welche diese gar nicht mal so grossen Männer verbindet.
Helden, Vorbilder und „Böse“
Charakterstärke, gepaart mit geballter Muskelkraft und einem aufrichtigen, emotionalen Herzen. Kein Wunder, werden sie von den Frauen angehimmelt, den Männern bewundert und den Kindern verehrt. Die „Bösen“ die eigentlich gar nicht bös sind. Wenn ich die glänzenden bewunderten Augen der Kinder sehe, wie sie scheu nach einem Autogramm fragen, dann denke ich mir: „Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für unserer Gesellschaft, solange die Kleinen sich Vorbilder wie Sempach, Stucki und CO. aussuchen!“