Natura-Beef-Betriebe müssen unterschreiben, dass Kontrolleure auch in Absenz des Betriebsleiters in den Stall dürfen.
«Insbesondere akzeptiere ich die Durchführung von unangemeldeten und glaubwürdigen Kontrollen auch bei meiner Abwesenheit. Ich stelle sicher, dass die Inspektoren auch bei meiner Abwesenheit Zugang haben zu den relevanten Stallungen, Einrichtungen und Anlagen.» Das haben Tausende Mitglieder von Mutterkuh Schweiz unterschreiben müssen, um bei dieser privaten Labelorganisation Schlachttiere für die Kanäle Natura Beef, Natura Veal, Swiss Prim Gourmet liefern zu können, die zum Grossverteiler Coop und in die Gastronomie führen.
Blogger findets «krass»
Ein Junglandwirt störte sich an dem Passus, den er da unterschreiben sollte. Er hat nichts zu verbergen, es geht ihm ums Prinzip. Sein Vater informierte den deutschen Landwirt und Blogger Bauer Willi. Dieser titelte in der Folge: «Tür und Tor öffnen» und kommentierte diesen Freipass für Kontrolleure wie folgt: «Das alles finde ich schon etwas krass.» Die Kommentare der Online-Leser fielen unterschiedlich aus.
Einer schrieb: «Wilhelm Tell scheint selbst in seinem Land schon vergessen zu sein, wenn jeder selbst ernannte Gessler meint, seinen Obrigkeitshut aufstecken lassen zu können.» Ein anderer Leser schrieb: «Eine Organisation, die Bauern knechtet, brauchen wir nicht.» Doch es hiess auch: «Ein Bauer, der seinen Hof sauber führt, kann ja jederzeit einen Kontrolleur in den Stall lassen.» Mutterkuh Schweiz veröffentlichte auf ihrer Website eine Stellungnahme, die in die genau gleiche Kerbe hieb: «Wer seinen Hof sauber führt und nichts zu verstecken hat, muss ja nichts befürchten.»
Mit Augenmass umsetzen
Mutterkuh Schweiz sei eine Produzentenorganisation, die Bauern könnten letztlich selbst bestimmen, wie sie kontrolliert würden. Daniel Flückiger, Leiter Kommunikation bei Mutterkuh Schweiz, ergänzt auf Nachfrage des «Schweizer Bauer»: «Wir setzen die unangemeldeten Kontrollen mit Augenmass um. Unser Kontrollpersonal öffnet nicht einfach Türen und dringt in Gebäude ein. Ist bei einer unangemeldeten Kontrolle der Betriebsleiter abwesend, ruft das Kontrollpersonal ihn gewöhnlich auf dem Mobiltelefon an. Wenn der Betriebsleiter für die Kontrolle kein mündliches OK gibt, verlässt die Kontrolleurin oder der Kontrolleur den Hof wieder.»
Mutterkuh Schweiz müsse aber gewappnet sein für die ganz kleine Minderheit – Flückiger spricht von einem Promille –, die Probleme machen könnten. Er verweist auch auf Nebenerwerbsbetriebe, wo der Betriebsleiter häufiger abwesend sei. Generell seien Kontrollen, die im Interesse der Glaubwürdigkeit grundsätzlich unangemeldet erfolgen müssten, wichtig für die Kommunikation gegenüber den Konsumenten.
Andere halten es anders
Wie halten es andere private Labelorganisationen? Eine Umfrage legt den Schluss nahe, dass nur Mutterkuh Schweiz sich für die Kontrolleure in ihrem Auftrag sich den Zugang zum Stall schriftlich zusichern lässt. Bio Suisse hat in ihren Richtlinien nichts dergleichen. Niklaus Hofer, stellvertretender Geschäftsführer von IP-Suisse, sagt: «Bei IP-Suisse müssen die Produzenten keine generelle Erlaubnis für Kontrollen in ihrer Abwesenheit geben. Die Labelkontrollen für uns werden von den akkreditierten Inspektionsstellen durchgeführt. Wenn der Betriebsleiter abwesend ist und niemand der Kontrolle beiwohnen kann, führt das Kontrollpersonal keine Kontrolle durch, sondern kommt unangemeldet wieder.»
Für die unangemeldeten Kontrollen für Coop-Naturafarm gilt dasselbe: «Die Kontrolleure halten sich an die gesetzlichen Vorgaben: Ist niemand vor Ort und es liegt keine Erlaubnis vor, die Kontrolle alleine durchzuführen, schaut der Kontrolleur an, was von aussen einsehbar ist, und kommt zu einem anderen Zeitpunkt erneut unangemeldet», sagt Coop.