Über ein Jahrhundert galt ein Metall-Zylinder, der unter strengen Sicherheits-vorkehrungen nahe Paris aufbewahrt wird, als internationale Messeinheit für ein Kilogramm. Doch nun haben Forscher festgestellt, dass dieses Ur-Kilo minim an Gewicht verloren hat.
An diesem 1889 in Grossbritannien hergestellte Ur-Kilo messen Metrologie-Institute in aller Welt bisher ihre nationalen Kilo-Prototypen. Der Zylinder besteht aus 90 Prozent Platin und 10 Prozent Iridium mit einer Höhe und einem Durchmesser von jeweils 3,9 Zentimetern.
Das Gewicht des Prototyps hat sich entgegen allen Erwartungen verändert: Gegenüber dem Durchschnittsgewicht von sechs zur gleichen Zeit hergestellten, offiziell anerkannten Kopien ist das Standard-Kilo im Laufe der Jahre um rund 50 Mikrogramm, also 50 Millionstel Gramm, leichter geworden, teilt Alain Picard, Leiter des Internationalen Büros für Masse und Gewichte (BIPM) in der Nähe von Paris mit.
Neue Definition
Laut ihm könnte die Abnahme von Reaktionen an der Oberfläche des Zylinders herstammen, oder von einem Gasverlust des Metalls.
Im täglichen Leben, etwa beim Kauf von einem Kilo Zucker oder Äpfeln, ändert dies nichts - die Abweichung entspricht in etwa dem Gewicht eines Sandkorns. Für komplizierte Berechnungen in wissenschaftlichen Labors ist eine eindeutig festgelegte internationale Messeinheit unverzichtbar.
Die in Paris versammelten Forscher beschlossen daher, sich auf die Suche nach einem neuen Standardmass für ein Kilogramm zu begeben. Dabei soll künftig auf einen materiellen Prototypen als Bezugseinheit verzichtet werden, wie dies bereits bei anderen Masseinheiten geschah.
Wirkungsquantum als Bezugseinheit
Der Meter etwa wird seit den 60er Jahren an einer Konstante gemessen - der Zeit, die das Licht braucht, um 100 Zentimeter zurückzulegen. Als neue Messeinheit für ein Kilo könnte künftig die Plancksche Konstante gelten, benannt nach Max Planck, einem der Väter der Quantenphysik.
Das so genannte Plancksche Wirkungsquantum (h) hat die Dimension von Energie mal Zeit - genannt Wirkung. Ein h ist die kleinste Energiemenge, die zwei Teilchen austauschen können. Dieses Wirkungsquantum könnte künftig verwendet werden, um das Gewicht von einem Kilo zu definieren, befand die 24. Generalkonferenz zu Gewichten und Messungen Ende Oktober in Paris.
Atome zählen
Zuvor soll allerdings eine Reihe von Messungen vorgenommen werden, um eine höchstmögliche Präzision zu garantieren. Angewandt werden könnte auch das internationale Avogadro-Verfahren. Damit liesse sich ein Kilogramm anhand der Anzahl der Atome eines bestimmten Materials bestimmen.
Eine Entscheidung darüber dürfte aber nicht vor 2014 fallen, betonte Picard. Das Ur-Kilo soll nach seinen Angaben auf jeden Fall weiterhin unter dem Schutz von drei Glasglocken im Pavillon de Breteuil in Sèvres aufbewahrt werden. Auch wenn an ihm eines Tages nicht mehr weltweit das Gewicht aller Gegenstände gemessen wird, so bleibt es zumindest ein wertvolles Museumsstück.