Nach neun Jahren beendet die Wanderausstellung «Verdingkinder reden» über die Geschichte der Verdingkinder Anfang November ihre Tournee durch die Schweiz. Über 150'000 Besucherinnen und Besucher hörten sich an zwölf verschiedenen Standorten die Lebensberichte ehemaliger Verdingkinder an.
Die Ausstellung habe wesentlich dazu beigetragen, «dass das traurige Schicksal der Heim- und Verdingkinder in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde und dass sich die Schweiz mit diesem düsteren Kapitel ihrer Geschichte zu befassen begann», teilte der Verein Geraubte Kindheit am Dienstag mit. Indem sie die Betroffenen erstmals öffentlich zu Wort kommen liess, habe die Ausstellung auch ein Tabu gebrochen.
Noch bis am 5. November
In über 180 Begleitveranstaltungen seien ausserdem Fragen zum heutigen Umgang mit Verdingkindern und zu den ausserfamiliären Platzierungen von Kinder und Jugendlichen diskutiert worden. Viele Kantonsregierungen hätten die Plattform genutzt, um die Verdingkinder um Entschuldigung zu bitten und Untersuchungen in ihren Kantonen anzukündigen.
Der Verein Geraubte Kindheit wurde 2004 gegründet, um «die Öffentlichkeit für die Geschichte und das Schicksal der Heim- und Verdingkinder zu sensibilisieren». Um das Wissen über die Geschichte der Verdingkinder weiterzugeben, arbeitet er nun an einem zweisprachigen Lehrmittel für die Sekundarstufe. Die Ausstellung ist noch bis am 5. November in Le Locle NE zu sehen.
Opfer erhalten Entschädigung
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen waren in der Schweiz bis 1981 angeordnet worden. Zehntausende von Kindern und Jugendlichen wurden an Bauernhöfe verdingt oder in Heimen platziert, viele wurden misshandelt oder missbraucht. Menschen wurden zwangssterilisiert, für Medikamentenversuche eingesetzt oder ohne Gerichtsurteil weggesperrt, weil ihre Lebensweise nicht den Vorstellungen der Behörden entsprach.
Das Parlament entschied im September vergangenen Jahres, dass ehemalige Verdingkinder und andere Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vom Bund einen Solidaritätsbeitrag von bis zu 25'000 Franken erhalten sollen. Für Zahlungen an die gemäss Schätzung des Bundes 12'000 bis 15'000 anspruchsberechtigten Opfer stehen 300 Millionen Franken zur Verfügung.
Das Gesetz anerkennt ausserdem, dass den Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen Unrecht angetan worden ist, «das sich auf ihr ganzes Leben ausgewirkt hat». Akten sollen aufbewahrt werden, und Betroffene sollen Einsicht erhalten in die Dokumente. Auch hat der Bundesrat für eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Zwangsmassnahmen zu sorgen, und die Kantone müssen für die Opfer Anlauf- und Beratungsstellen einrichten.


