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Verlieren die Kühe das «Käsemonopol»?

Wer an Käse denkt, denkt an Kühe. Seit Jahrtausenden werden Kühe gemolken, um ihre Milch zu verarbeiten. Doch jetzt taucht eine Konkurrentin auf: die Bakterie. Auch sie kann – genetisch verändert – das Käseprotein Kasein herstellen. Ein Schweizer bringt erstmals ein im Laborkäse auf den europäischen Markt.

Die Geschichte der Landwirtschaft ist geprägt von Innovationen. Manche erweisen sich als Modeerscheinung und verschwinden bald wieder. Andere hingegen setzen sich durch. Nun kommen immer mehr Lebensmittel auf den Markt, deren Ursprung nicht mehr in der Landwirtschaft ist. Und offenbar gibt es hier einen Markt. Laut dem Good Food Institute wurden 2021 in diesen Bereich umgerechnet rund 4,2 Milliarden Franken investiert. Und investiert wird in der Regel nur, wenn sich damit auch Geld verdienen lässt.

Auch das Berliner Start-up Formo hat solche Gelder erhalten. Der Laoborkäse wird seit einigen Tagen in den Läden verkauft. Doch längst nicht alle sehen diesem potenziellen Markt zuversichtlich entgegen. Bäuerinnen und Bauern fürchten um ihre Existenzgrundlage, Umweltverbände zweifeln an der Nachhaltigkeit der Verfahren. Und die Konsumenten? Sie werden letztlich entscheiden, ob sich diese Innovation, also die mit «künstlichem» Eiweiss hergestellten Produkte durchsetzen, oder schon bald wieder aus den Läden verschwinden werden.

Erster laborgezüchteter Käse

Das Unternehmen Formo aus Berlin stellt Käseprodukte ohne tierische Milch her. Sie machen jedoch keine Käseimitate aus Sojabohnen oder Cashewnüssen, sondern sich züchten Käseproteine, die dann zu Käse verarbeitet werden. Gegründet wurde das Berliner Unternehmen von einem Schweizer. Der im Zürcher Weinland aufgewachsene Raffael Wohlgensinger ist nach Berlin gezogen, um eine Vision zu verwirklichen. 2019 gründete er Formo, weil er als Veganer nicht auf Käse verzichten wollte. Doch mit den pflanzlichen Alternativen konnte er nichts anfangen.

Wir wollen der grösste Käseproduzent der Welt werden

Formo-Gründer Raffael Wohlgensinger

Nachdem die Firma die Grundlagen geschaffen hatte, wurden Investoren auf die Firma aufmerksam und unterstüzten es vor drei Jahren mit 42 Millionen Euro (39,5 Mio. Franken), heisst es in einem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung». Es war das erste Mal, dass in Europa so viel in diesen Lebensmittelbereich investiert wurde. Heute produziert Formo ein veganes Produkt, das gleich schmecken soll wie der Käse aus Kuhmilch. Die Formo-Produkte werden seit kurzem in Deutschland und Österreich verkauft. Es ist das erste Mal, dass ein im Labor hergestellter Käse auf den europäischen Markt kommt.

Kühe verursachen Klimagase

Das Verkaufsargumente von Formo: Wird Käse nicht aus Kuhmilch, sondern aus künstlich hergestellten Käseproteinen hergestellt, schont dies die Umwelt. Milchkühen wird nachgesagt, dass sie klimaschädliche Gase produzieren. Laut dem Bundesamt für Umwelt ist die Landwirtschaft für 15 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Weltweit wird dieser Anteil gar auf 25 Prozent geschätzt.

Unternehmen wie Formo, die im Lebensmittelbereich nach Innovationen suchen, werben deshalb auch mit einer klimafreundlichen Produktionsweise. Auf seiner Internetseite wirbt Formo mit 65% weniger Emissionen, mit 83% weniger Landnutzung und mit 96% weniger Wasserverbrauch. Für Gründer Wohlgensinger ist auch dies eine Motivation «tierfreien» Käse herzustellen. Die Investoren scheint die Firma überzeugt zu haben. Denn Anfang September erhielt Formo gemäss NZZ eine weitere Finanzspritze in der Höhe von 55 Millionen Euro (rund 52 Mio. Franken). Zu den Investoren gehört auch der deutsche Lebensmittelkonzern Rewe, der die Formo-Produkte im Sortiment hat.

Lesen Sie zu diesem kontroversen Thema auch folgende Artikel: 

-> Weidende Kühe: Lachgasausstoss viel niedriger

-> «Die Kuh ist keine Klimakillerin»

-> Agroscope-Info: Emissionen aus der Landwirtschaft

Ausstehende Bewilligung

Bei der Herstellung des Käses setzt Formo auf zwei Verfahren: die Präzisionsfermentation und die Mikrofermentation. Dort werden genetisch veränderte Organismen eingesetzt. Um diese Produkte verkaufen zu können, ist jedoch eine EU-Zulassung erforderlich, mit der die Firma frühestens – wenn überhaupt – erst 2026 rechnen darf. 

-> Auch in der Schweiz unterliegen neuartige Lebensmittel («Novel Food») einem Bewilligungsverfahren.

Deshalb hat Formo gleichzeitig auf die Mikrofermentation gesetzt. Diese Produkte sind für den Verkauf neu zugelassen und werden in Deutschland angeboten. Die Mikrofermentation ist ein Verfahren, mit dem auch Sauerteigbrot oder Bier hergestellt wird. Mit Koji-Pilzen stellt die Berliner Firma dadurch Frischkäse und Camembert her, die den Originalen sehr ähnlich seien. Der «Camembert» heisst Camembritz.   Den «Frischkäse» nennen sie Frischhain. 

Wie die Kuh ins Bakterium kommt

Bei der Präzisionsfermentation hingegen wird der Kuh DNA entnommen. Aus dieser Kuh-DNA werden dann jene Gene «herausgeschnitten», die für die Herstellung der Käseproteine verantwortlich sind. Diese Kuh-Gene werden dann in Mikroorganismen (Bakterien, Pilze und Hefen) eingepflanzt. In Fermentern werden diese Mikroorganismen dann mit Sauerstoff und Nährstoffen gefüttert.

 

In diesen Fermentern produzieren die Bakterien dann das Milchprotein Kasein, das dann zu Käse verarbeitet wird. Dieser «kuhmilchfreie» Käse habe dieselben Eigenschaften und weise dieselben Nährstoffe auf wie das Original, sagt Formo. Noch fehlt allerdings die Zulassung der EU aus, und dann vor allem auch das Wohlwollen der Konsumentinnen und Konsumenten. Diese können jetzt schon einmal den Mikrofermentations-Käse probieren. 

Schweizer Bauernverband wartet ab

In einem Positionspapier zu künstlich hergestellten Lebensmitteln erkennt der Schweizer Bauernverband (SBV), dass in diesem Bereich zurzeit «langfristige Auswirkungen schwer abzuschätzen sind». Er deutet in diesem Papier zwar an, dass eine Entwicklung in diese Richtung nicht aufzuhalten sei.

Auch deshalb müssten entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Doch die traditionelle Tierhaltung werde ihre Wichtigkeit behalten. «Die Tierhaltung […] ist kaum wegzudenken», so der SBV.

Lesen Sie zum Thema «Laborkäse» auch folgende Artikel: 

- Konsumenten sind offen für künstlichen Käse

- «Laborkäse» stösst auf wenig Interesse

Kommentare (7)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Martin | 26.09.2024
    Keine Angst; diese "Lebensmittel" erledigen sich von selber. Zu teuer, zu technisch, zu energieintensiv. Und vor allem sind das nicht Bauern die bereit sind gratis zu arbeiten, da will jede und jeder Ende Monat den Lohn und meist nicht zu knapp. Die Aussage, dass nur in Start-ups investiert wird, wenn ein return of invest erwartet wird, ist falsch. In Start-ups wird sehr viel Geld verbrannt, ist auch gut so, wer dort investiert, hat in der Regel zu viel Geld (meistens geerbt), weiss nicht was machen damit und braucht den Kick und den Glauben, damit etwas Gutes zu tun. Machen lassen; in der Landwirtschaft korrekt produzieren, darauf achten, dass unsere Produkte nicht normiert werden. Ein Appenzeller muss nicht immer genau gleich schmecken; genau das macht ja den Reiz des Naturprodukts aus. Und der Mensch braucht beim Essen Abwechslung und geschmackliche Vielfalt.
    • Jürgen | 03.10.2024
      Ich denke das kommt ganz anders. Im Bereich "Ersatzfleisch" werden bereits mit vielen Milliarden $ Fabriken für den Weltmarkt erstellt (z.B. in Abu Dhabi), die den Preis für "Ersatzfleisch" global in 5 bis 10 Jahren massiv senken werden, die die Qualität und die Vielfalt steigern werden - bisher sind das ja alles noch eher kleinere Fabrikationsbetriebe/Start-ups (dieser Markt ist noch immer in den Startlöchern). Bezüglich Gesundheit, Energie und Ressourcen haben die "Kunstprodukte" sowieso die Nase vorn und die ethischen Argumente sind auch ganz klar auf Seite der "Kunstprodukte".
      Das Gleiche wird dann beim Käse passieren, allerdings um ein paar Jahre verzögert. Ich bin schon gespannt darauf...
  • Gesunder Menschenverstand | 26.09.2024
    Ich hoffe "Käse" ist geschützt, darf nur für aus Milch hergestellt werden.
    Für das Gentech Produkt muss ein anderer Name gefunden werden, z.b Gentechpampe.
  • Feinschmecker | 25.09.2024
    Wieder so ein Labortäter und das noch ein Schweizer !
  • Baselbieter | 25.09.2024
    Hier spielt die Gentechnik keine Rolle, bei der Landwirtschaft schon?
  • Nichtsversteher | 25.09.2024

    Weshalb tragen die beiden dann ein T-Shirt mit einer aufgedruckten Kuh mit vollem Euter????

    • Milchbauer | 25.09.2024
      berechtigte Frage, aber ein volles Euter sieht anders aus !
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