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Da Kohle über Jahrhunderte im Boden erhalten bleiben kann, wird damit CO2 langfristig gespeichert. -
Albin, Franz und Fabian Keiser produzieren auf dem Hof Wies rund 185 Tonnen Pflanzenkohle pro Jahr. -
Das Ausgangsmaterial: Astabfälle aus der Region -
Ein BigBag à rund 370 Kilo Pflanzenkohle schlägt mit rund 470 Franken zu Buche. -
60 Prozent der Kohle vom Hof Wies wird in der Tierfütterung eingesetzt, -
Mit der Abwärme der Pyrolyse werden die Holzschnitzel getrocknet. -
Die Äste werden gehäckselt. Der Feinanteil wird verkohlt. -
Vier Projekte sind für den grössten Innovationswettbewerb der Schweizer Landwirtschaft nominiert.
Die Familie Keiser aus Neuheim ZG verarbeitet Baum- und Strauchschnitte von Bauernhöfen zu Pflanzenkohle. Diese wird in der Tierfütterung und im Ackerbau eingesetzt. Damit wird die Klimabilanz der Landwirtschaft verbessert. -> Mit Video
Das pulsierende Zug, wo Gebäude wie Pilze aus dem Boden schiessen, ist zwar nur einige Kilometer entfernt. Doch Neuheim zeigt ein ganz anderes Bild des Kantons Zug. Sanfte Hügel, geformt von Gletschern, zieren das Landschaftsbild. Die Gegend ist doppelt im schweizerischen Bundesinventar aufgeführt – als Landschaft und Naturdenkmal von nationaler Bedeutung. Und hier arbeitet die Familie Keiser mit ihrem Projekt daran, die Emissionen der Landwirtschaft zu reduzieren und die Bodenstruktur zu verbessern.
Kreisläufe schliessen
Auf dem Betrieb Wies, einige Kilometer vom Dorf Neuheim entfernt, liegt der Fokus auf der Rindermast und bei der Kompostierung. Auffallend sind jedoch die Asthaufen und die Lager mit Holzschnitzeln. «Die Äste werden oft einfach gehäckselt und verfeuert. Aus diesem Rohstoff lässt sich aber viel mehr herstellen als nur Energie», erklärt Franz Keiser.
Er liess sich von den Ureinwohnern aus dem Amazonas inspirieren. Diese haben während Hunderten von Jahren Kohle in den Boden eingearbeitet und diesen dank dieser Technik fruchtbarer gemacht. «Das Kreislaufdenken in der Schweizer Landwirtschaft ist in den letzten Jahrzehnten vielfach verloren gegangen», fährt der umtriebige Keiser fort. Das fehlende Wissen habe beispielsweise Probleme wie Ausschwemmung von Nährstoffen und sinkende Bodenfruchtbarkeit hervorgerufen, sagt er.
Hochwertiger Hilfsstoff
Mit der Pflanzenkohle will die Familie Keiser mehrere Problemfelder angehen. «Sozusagen vier Fliegen auf einen Streich», lächelt Franz Keiser. Aus minderwertigem Holz aus der Baumpflege entsteht ein hochwertiger Hilfsstoff. «Mit dem Einarbeiten der Pflanzenkohle in den Boden wird Klimaschutz betrieben. Zudem fördern wir die Bodenfruchtbarkeit. Und schliesslich machen wir das Heizen ‹sauberer›» erklärt der 62-Jährige.
Den Anfang nahm das Projekt im Jahr 2011. Fünf Bauern aus der Region, die sich zur Verora AG zusammengeschlossen haben, kauften eine Pyreg-Anlage. Mit dieser wird aus den Ästen die Pflanzenkohle hergestellt. Platziert wurde die Anlage auf dem Hof Wies. Die Bauern wollten sich damit einen neuen Betriebszweig schaffen.
Stand viel auf dem Spiel
Die Keisers leisteten in der Schweiz Pionierarbeit. Das Wissen eigneten sie sich zumeist selber an. Um die Anlage auf dem Hof betreiben zu können, erhielten sie eine dreijährige Ausnahmebewilligung. Die Zeit war nicht einfach. Bis sich das optimale Resultat einstellte, waren unzählige Versuche vonnöten. 2015 gab es grössere Probleme, die Anlage stand fast ein Jahr lang still. Es stand viel auf dem Spiel, denn in das Projekt wurden mehrere hunderttausend Franken investiert. 2016 erhielten Keisers schliesslich die definitive Bewilligung. Die Anlage musste aber in ein bestehendes Gebäude integriert werden.
Die Verkohlung ist ein komplexer und anspruchsvoller Vorgang. Die Anlage arbeitet nach dem Pyrolyseprinzip. Trockene Siebreste von Baum- und Strauchschnitt gelangen über eine Dosiereinrichtung in die Doppelschnecken-Reaktoren mit einer Temperatur von 500 bis 600°C. Die feinen Hackschnitzel werden unter Luftabschluss nicht verbrannt, sondern verkohlt respektive pyrolysiert.
Regionalität
Die aus der Pyrolyse entstehenden Gase werden verbrannt. «Es entstehen nur sehr geringe Abgasemissionen», erklärt Fabian Keiser (30), der für den technischen Unterhalt der Anlage zuständig ist. Mit der Abwärme werden die Gebäude beheizt und die Holzschnitzel getrocknet. Regionalität ist für das Projekt wichtig. Das unbehandelte Abholz stammt aus einem Umkreis von rund 25 Kilometer. Die getrockneten Schnitzel werden im selben Perimeter in Heizungen verbrannt.
In den vergangenen Jahren konnte die Produktion stetig gesteigert werden. 2017, im ersten Betriebsjahr, wurden 280 BigBags hergestellt. 2018 erhöhte sich die Produktion auf 370. Das Jahreskapazität liegt bei rund 500 Stück. Ein BigBag à rund 370 Kilo Pflanzenkohle schlägt mit rund 470 Franken zu Buche.
Unabhängige Bauern
Die Pflanzenkohle wird der Landwirtschaft weiterhelfen. Davon ist Franz Keiser überzeugt. «In der Landwirtschaft ist ein Umdenken gefordert. Den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika müssen wir reduzieren. Das hilft der Natur, und wir Bauern werden wieder unabhängiger», hält er fest. Dank der grossen Oberfläche, der hohen Speicherfähigkeit und der langsamen Abbaurate hat Pflanzenkohle gemäss Agrocleantech Schweiz vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.
Bewilligt ist das Produkt in der Schweiz als Bodenverbesserungs- sowie als Futtermittel. Pflanzenkohle kann auch in der Gülle-Vorbehandlung eingesetzt werden. Die auf dem Hof Wies produzierte Kohle findet zu 60 Prozent in der Tierfütterung Verwendung. Hier wirkt sie stopfend, verbessert die Futterverwertung und kann Giftstoffe aus dem Futter binden.
CO2 im Boden speichern
Die Kohle findet schliesslich über den Hofdünger Eingang in die landwirtschaftlichen Böden. Die übrigen 40 Prozent der Kohle werden als Einstreu- und Kompostierzusatz eingesetzt. Hierbei lädt sie sich mit Nährstoffen auf. Diese kann sie im Boden bei Bedarf wieder abgeben. «Die Kohle hilft mit, die Stickstoffverluste zu reduzieren und die Humusschichten auf den Feldern langfristig wieder aufzubauen», erklärt Keiser.
Eine weitere wichtige Eigenschaft der Pflanzenkohle ist deren Beständigkeit. «Dies beweisen die über 600-jährigen Schwarzerdeböden im Amazonasgebiet», hält er fest. CO2 wird dabei der Atmosphäre entzogen. Die Kohle hat damit eine positive Klimawirkung. Und dies passt in die Strategie des Bundesrats. Die Schweiz soll bis 2050 klimaneutral werden. Das Alpenland soll nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können.
Marktpotenzial gross
«Mit dem Einsatz von Pflanzenkohle, kombiniert beispielsweise mit Humusaufbau, ist es der Landwirtschaft möglich, klimaneutral zu produzieren», macht Keiser deutlich. Das Marktpotenzial stuft er deshalb als gross ein. Ihr Modell sei auch auf andere landwirtschaftlichen Betriebe anwendbar.
Sollten die Keisers den Agropreis gewinnen, würde das Geld in das Pyreg-Projekt fliessen. «Wir würden damit Darlehen zurückzahlen», erklärt Franz Keiser.
->Hier gehts zur Website von der Pflanzenkohle
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