Dienstag, 30. Mai 2023
24.10.2021 09:33
Agropreis

Sie bringen den Hafer in die Flasche

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Von: Reto Blunier

Bei uns angebotene Pflanzendrinks stammen überwiegend aus dem Ausland. Zwei Betriebe sahen Potenzial. Sie entwickelten ein Rezept für einen Drink aus Schweizer Hafer und bauten ein eigenes Produktionssystem.

Das Seeland gilt als die Gemüsekammer der Schweiz. Auf den Feldern spriessen verschiedenste Sorten Salate und Gemüse. Auch finden sich immer wieder Getreidefelder, unter anderem Hafer. In Kallnach BE haben junge Landwirte während mehreren Monaten daran getüftelt, diesen Hafer in die Flasche zu bringen. Und während längerer Zeit blieben sie unentdeckt, bis sie sich immer mehr in den Medien wiederfanden.

Hafer, standortangepasst

Doch der Reihe nach: Urs Marti und Leandra Brusa bewirtschaften im lieblichen Dorf im Berner Seeland einen Betrieb nach Knospe-Richtlinien. Ende 2017 wurde auf dem Hof der letzte Tropfen Milch gemolken. Mit der Übernahme des Betriebs Anfang 2019 stellte das Ehepaar auf eine Kombination zwischen Ackerbau und Lebenshof um. Den Tieren wird ein langes Leben ermöglicht, ohne dass diese einen Nutzen für den Menschen haben müssen. Dazu bieten sie Patenschaften für 37 Rinder sowie je 2 Schafe und Schweine an.

Ein wichtiges Standbein des Betriebs ist der Ackerbau. Auf den 30 Hektaren wächst neben Gras unter anderem auch Getreide, Polentamais und Linsen. Mit der Übernahme fand auch der Speisehafer auf den Äckern Einzug. «Das Getreide ist standortangepasst. Zudem ist die Kultur anspruchslos und unterdrückt das Unkraut gut», erklärt Urs Marti. Hafer eigne sich ausserdem hervorragend für die Fruchtfolge.

Hafer ist gemäss Marti eine anspruchslose Kultur.
zvg

Trend für Betrieb nutzen

Dem 37-Jährigen, der sich seit dem Gymnasium verstärkt mit der Herkunft seines Essens auseinandersetzt, blieb der Trend zu Pflanzendrinks nicht verborgen. Und auch er gönnt sich ab und zu gerne ein Glas. Diesen Markt, der bis 2020 fast vollständig von ausländischen Anbietern besetzt wurde, wollte er beackern. «Einen Haferdrink mit Schweizer Hafer gab es bisher nicht. Hier sah ich Potenzial, insbesondere auch für unsere Direktvermarktung», fährt der ausgebildete Lehrer und Landwirt fort.

Zusammen mit seiner Frau führte er im Sommer 2020 erste Versuche durch. Bei der Rezeptur lagen die grössten Herausforderungen. Mit Hilfe einer Internet-Recherche entstand ein erstes Rezept. Damit war Leandra Brusa nicht zufrieden. Sie verfeinerte die Zusammensetzung. Im Oktober 2020 startete schliesslich die Produktion.

Produktion optimiert

Über eine landwirtschaftliche Beraterin kamen die Berner im Herbst 2020 in den Kontakt mit dem Ehepaar Troxler. Das sollte die Produktion in den folgenden Monaten weiter beflügeln. Claudia und Beat Troxler bewirtschaften in Büron LU ebenfalls einen Lebenshof. Im vergangenen Jahr gaben sie die Milchproduktion auf. Auf dem Hof leben 55 Rinder, sieben Alpakas und elf Hühner.

Neben den Patenschaften waren sie auf der Suche nach einem neuen Standbein. «Die Herstellung von Haferdrink hat mich sehr interessiert», erklärt Beat Troxler. Mit seinem technischen Flair brachte er die Prozessoptimierung in das Projekt ein.

Im November 2020 begannen Troxlers mit der Produktion. Doch den Tüftler stellte das nicht zufrieden. «Wir produzierten in kleinen Kesseln. Für eine Charge von 90 Litern benötigten wir zwischen drei und vier Stunden. Das ist ineffizient», führt er weiter aus. In einem ersten Schritt besorgte er sich grössere Kochkessel aus der Gastronomie. Diese baute er um und fügte ein selbst entwickeltes Rührwerk hinzu. «Um ein optimales Getränk zu erhalten, muss das gesamte Gefäss gleichmässig erhitzt werden. Das Pasteurisieren gelingt mit diesen Kesseln optimal», so Troxler.

Anfang 2021 installierte er das neue «Produktionswerk» auf den beiden Betrieben. «Nun stellen wir in rund 2 Stunden 250 Liter her», sagt der Luzerner Landwirt.

https://youtu.be/UftdFGKn8xM

10 Prozent Hafer

Ein Liter Haferdrink besteht aus 90 Prozent Wasser und 10 Prozent Hafer. «Für 100 Liter benötigen wir also 10 Kilo Getreide», erklärt Troxler. Wie genau das Getreide von der Mühle angeliefert wird, will er nicht verraten. «Das ist ein Betriebsgeheimnis», schmunzelt der 37-Jährige.

Leandra Brusa und Urs Marti bauen ihren Hafer für die Biofarm-Genossenschaft an und nehmen einen Teil davon für die Haferdrink-Produktion wieder zurück. Bei Troxlers hat der Dauerregen die diesjährige Ernte vernichtet. «Da war nichts mehr zu retten», erklärt Beat Troxler. Doch sie blicken bereits in die Zukunft. «In wenigen Wochen säen wir den Hafer für die Produktion 2022/23 aus», erklärt Urs Marti.

50 bis 60 Aren

Derzeit werden auf den Höfen pro Woche je rund 250 Liter des Pflanzendrinks hergestellt. Pro Jahr benötigen sie dazu in etwa 2,6 Tonnen Speisehafer. Das entspricht insgesamt einer Anbaufläche von 50 bis 60 Aren. Für die Produktion und den Vertrieb werden pro Betrieb zwei Tage aufgewendet, das entspricht also einem 40-Prozent-Pensum.

Die findigen Landwirte spannen bei der Auslieferung zusammen. «Ich habe einen Kühlanhänger angeschafft. Den Strom erzeugen die Solarzellen auf dem Dach», sagt Beat Troxler lächelnd. Ausgeliefert wird der Haferdrink in Mehrweg-Glasflaschen hauptsächlich in urbane Gebiete. «Wir beliefern Bio- und Unverpacktläden in den Städten Zürich, Luzern, Basel, Bern, Biel, Thun und Freiburg. Eine kleinere Menge setzen wir auch über unsere Direktvermarktung ab», erklärt Urs Marti.

Marktanteile abgraben

Den Wiederverkäufern wird die Flasche zu einem Preis von 3.60 Franken verrechnet. «Unsere Produkte sind im Hochpreissegment. Doch unsere Kundschaft legt grossen Wert auf Nachhaltigkeit und Regionalität», hält der Berner fest. Zudem enthalte ihr Pflanzendrink keine Zusatzstoffe. «Unser Ziel ist es, das Produktionsvolumen pro Betrieb auf 400 bis 500 Liter pro Woche zu steigern. Dann haben wir unseren Markt abgedeckt», so Marti weiter.

Dass Emmi in den Markt eingestiegen ist, macht den beiden Unternehmern keine Sorgen. Der Milchverarbeiter verwende nicht Schweizer Biohafer. Sie sehen sich auch nicht als Konkurrenten zu den Milchbauern. «Wir wollen ausländischen Anbietern von Haferdrinks Marktanteile streitig machen», so Marti.

Das Preisgeld würden sich die beiden Betriebe teilen. Marti würde in einen E-Traktor investieren. Bei Troxlers flösse das Geld vor allem in das Projekt Haferdrink.

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