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Die kleinste Gemeinde der Schweiz

13 Einwohner leben noch ganzjährig im kleinen Dorf Corippo im Tessiner Verzascatal. Weil sich keiner von ihnen mehr für ein Amt im Gemeinderat zur Verfügung stellt, wird die Gemeinde heute von einem Verwalter betreut.

Christian Zufferey |

 

13 Einwohner leben noch ganzjährig im kleinen Dorf Corippo im Tessiner Verzascatal. Weil sich keiner von ihnen mehr für ein Amt im Gemeinderat zur Verfügung stellt, wird die Gemeinde heute von einem Verwalter betreut.

Nach 20 Jahren als Gemeindepräsident ist Claudio Scettrini letztes Jahr zurückgetreten. Er ist  der einzige Erwerbstätige von gegenwärtig noch 13 Einwohnern von Corippo, arbeitet als Förster und besitzt ein paar Schafe. Alle übrigen Einwohner sind bereits Rentner. 

Corippo ist aber nicht nur die kleinste Gemeinde der Schweiz. Das schmucke Dorf wurde im Jahr 1975, im  Europäischen Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz, neben Martigny VS, Murten FR und Ardez GR als eine der vier Ortschaften bestimmt, wo exemplarische Projekte zum Erhalt des architektonischen Erbes entwickelt werden sollten.

Das Ziel hätte auch darin bestehen sollen, wieder mehr Einwohner ins Dorf zu locken. Es wurde sogar eine Stiftung ins Leben gerufen, «doch als diese 1976 gegründet wurde, war das Aussterben bereits im Gang», sagt Stiftungsratspräsident Fabio Giacomazzi. 

Zu kleine Wohnungen

Als Herausforderung stellte sich auch heraus, dass die meisten Wohnungen zu klein sind, um sie dauerhaft  vermieten zu können. Die Wohnungen sind sogar so klein, dass es pro Etage nur gerade ein Zimmer gibt – um jedoch von einem ins nächste Stockwerk zu gelangen, muss man ins Freie, da die Räume zu eng sind, um inwendig eine Treppe einzubauen. So befinden sich denn im Erdgeschoss eine kleine Küche, darüber ein Schlafzimmer und in einzelnen Fällen eine weitere Etage mit noch einem Schlafzimmer.

Weil die Architektur aber erhalten und die vorhandene Substanz weitgehend unverändert bleiben soll, ist es nur selten möglich, zwei Häuser so miteinander zu verbinden, dass man grössere Wohnungen zur Verfügung stellen könnte. So scheiterte sogar die Idee, aus Corippo ein Feriendorf zu machen.  Erst 2005 wurde Fabio Giacomazzi auf ein Modell aufmerksam, das in Italien ins Leben gerufen wurde, um historische Bausubstanz, kulturelle Identität und Traditionen zu erhalten und verlassene Dörfer wieder zu beleben – das «albergo diffuso» oder Dorfhotel.

Diese Idee hat langsam Fuss gefasst. Heute hat Giacomazzi etwa 1,6 Millionen Franken zusammen – allerdings sind allein für das Herzstück des Projekts fast 2½ Millionen Franken veranschlagt.  Dieses ist die Osteria auf dem Dorfplatz, wo auch die Rezeption des Dorfhotels eingerichtet werden soll. 

Kein Platz

Derzeit wird die kleine Osteria von Claire Amstutz geführt, einer gebürtigen Luzernerin, die schon seit 1991 im Tessin lebt. Allerdings lebt auch sie nicht in Corippo, sondern in der Nachbargemeinde Vogorno. «Vor allem bei schönem Wetter haben wir hier Hochbetrieb», erzählt Amstutz, befindet sich Corippo doch am Weg zwischen Mergoscia und Sonogno, einem viel begangenen Wanderweg durch das Verzascatal, womit das Bedürfnis nach einer Zwischenverpflegung gegeben wäre. Die insgesamt 25 Hotelbetten sollen sich jedoch in den alten Häusern befinden – allerdings werden die Zimmer nur für ein Doppelbett und eine noch einzubauende Toilettenkabine Platz bieten. «Es wird keine Suiten geben, in denen man sich gerne auch mal länger aufhält», sagt Giacomazzi. Stattdessen werden sich die meisten Gäste wohl oft im Freien aufhalten, dabei aber den besonderen Reiz des kleinen Tessiner Dorfs geniessen.

Alte Wassermühle

An sehenswerten Höhepunkten hat das kleine Dorf einiges zu bieten. Neben dem beschaulichen Dorf auch eine alte Wassermühle, die gerade restauriert wird, und klein parzellierte Terrassen – die einzigen ebenen Anbaugebiete. Früher wurde hier Roggen angebaut – was auch in Zukunft wieder vorgesehen ist. Das Getreide würde dann in der Mühle gemahlen und in einem Gemeinschaftsofen verbacken.

Restauriert werden soll auch eine Trocknungsanlage für Kastanien. So würde man einen Einblick ins Leben bekommen, als Corippo um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch 300 Einwohner zählte. Allerdings, wie Giacomazzi weiss, lebten viele Bewohner «im Winter in der Magadinoebene, im Herbst etwas höher, um ihre Reben zu bewirtschaften, und im Sommer auf Maiensässen und Alpen».

Auch die Tage, da Corippo noch eine eigenständige Gemeinde ist, dürften gezählt sein. Nicht nur, weil es keinen Gemeinderat mehr gibt. Derzeit wird die Gemeinde von einem vom Kanton Tessin ernannten Verwalter, Vittorio Scettrini, betreut. Wie sein Name vermuten lässt, stammt auch seine Familie aus Corippo, «aber schon mein Urgrossvater ist nach Tenero ausgewandert», so Vittorio Scettrini. Trotzdem empfindet er für das kleine Dorf im Verzascatal Heimatgefühle, zumal er jahrelang  als Gemeindeschreiber tätig war.

Ein Ja erwartet

Auch sein Verwalteramt hat er nur vorübergehend inne. Diesen Monat soll nämlich im gesamten Verzascatal über eine umfassende Gemeindefusion abgestimmt werden, und Scettrini geht davon aus, dass das Volk beim inzwischen dritten Anlauf Ja sagen wird. Eine erste Abstimmung ging bachab, weil zwei Gemeinden in der Magadinoebene, Tenero und Gordola, zum Vorhaben Nein sagten.

Ein zweiter Versuch scheiterte, weil die Gemeinde Lavertezzo durch die Fusion aufgesplittet worden wäre, wobei sich die Bewohner der Exklave Riazzino in der Magadinoebene im Gegensatz zum Rest der Gemeinde dagegen ausgesprochen hatten. So musste erst eine Gesetzesrevision erfolgen, damit die Kommune geteilt werden darf. Vorgesehen wäre, dass es ab 2020, nach den ordentlichen Gemeinderatswahlen, nur noch die neue Gemeinde Verzasca geben wird. 

Für Vittorio Scettrini wird dann ein Lebensabschnitt zu Ende gehen. Ein wenig wehmütig versichert er aber, dass er dem schmucken Corippo zumindest in dem Sinne treu bleiben werde, dass er hier auch in Zukunft Pilze sammeln werde. 

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