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Mehr Freizeit: Ja zu welchem Zweck eigentlich?

Barbara Eiselen |

 

Freizeit ist schon fast ein Unwort unserer Zeit. Zahlreiche Menschen haben viel Freizeit, so mancher Bauer allerdings nur sehr wenig. Barbara Eiselen coacht Landwirtinnen und Landwirte. Sie geht monatlich auf ein von den Lesern gewünschtes Beratungsthema ein. Dieses mal ist es das Thema «Mehr Freizeit schaffen».

 

Freizeit ist schon fast ein Unwort unserer Zeit. Viele Menschen haben so viel Freizeit. Davon kann so mancher Bauer nur träumen. Und trotzdem wollen die meisten Menschen noch mehr davon. Doch was schenkt uns die Freizeit überhaupt?

 

Wenn man als Coach ein wenig tiefer gräbt, dann merkt man schnell, dass die Freizeit einen direkten Zusammenhang hat mit der Freiheit von Personen. Einige Bauern, die ich als Coach begleite, träumen davon einfach einmal einen Monat nach Kanada zu reisen oder sich auf einer Kreuzfahrt zu entspannen. Sie suchen eigentlich Ruhe und Entspannung, aber auch Inspiration und Abstand von allen Verantwortungen. Doch meistens lässt sich so ein Vorhaben nur sehr umständlich organisieren. So, dass man lieber darauf verzichtet.

 

Nach der Anspannung kommt die Entspannung

 

Mit Blick auf die Zyklen der Natur - die in der Landwirtschaft ja die Grundlage darstellen - wie beispielsweise Sommer und Winter, Tag und Nacht, Säugezeit und Trächtigkeit, könnte man sagen, dass Freizeit die Entspannung nach der Anspannung darstellt, also der Winter nach dem Sommer oder die Nacht nach dem Tag. Es geht hier um den Rhythmus von Arbeiten und Ruhen, von Anspannung und Entspannung. In der Entspannung entsteht nämlich die Kraft für die nächste Anspannung, so wie die ruhenden Pflanzen sich im Winter auf die nächste Vegetationsphase vorbereiten.

 

Oft ist es jedoch so, dass die Entspannung im Hofalltag zu kurz kommt. Besonders dann, wenn grosser finanzieller Druck besteht. Man hat dann das Gefühl immer noch mehr machen zu müssen. Aber auch dann, wenn Kinder da sind, ist Freizeit nicht immer entspannend. Seine Freizeit mit Kindern zu geniessen ist nicht dasselbe wie entspannt in einem Wellness-Bad zu sitzen. Ein wichtiger Tipp für Paare mit Kindern: auch einmal gemeinsam ohne Kinder entspannen, anstatt nur ständig zu funktionieren.

 

Falle 1: Nicht-Freizeit

 

Es gibt zwei grosse Fallen, die einem als Bauer die Freizeit rauben. Die erste ist, wenn man eigentlich am Anschlag ist, es sich aber nicht zugestehen kann, weil alles weiterfunktionieren muss und man allen Ansprüchen gerecht werden will. Dabei fällt man immer tiefer in die Nicht-Freizeit, Nicht-Entspannung hinein. Das ist die Ursache von Burnout. In dieser Situation ist es besonders wichtig einmal einen Freiraum zu schaffen – egal was man sonst noch alles tun sollte. Manchmal ist es sogar gut, dies allein zu tun. Ganz alleine verreisen, für 1-2 Tage.

 

Falle 2: Leidenschaft am Beruf

 

Wenn man eine Tätigkeit mit Leidenschaft ausübt, was bei vielen Bauern, wie auch bei mir als Coach, der Fall ist, dann ist die Arbeit in der Regel nicht energiezehrend, sondern sie gibt einem sogar Energie – wenn alles gut läuft. Dabei kann man allerdings in die zweite Falle tappen: Man vergisst sich den Freiraum zu nehmen, um sich inspirieren zu lassen und neue Inputs zu holen, sei es an Fachtagungen, auf einer Reise oder einem Ausflug in die Berge und mal bewusst Abstand zu nehmen, um Kreativität zu schöpfen. Denn ein Unternehmen, wie es ein Landwirtschaftsbetrieb ist, braucht kreative Energie, um sich konstruktiv zu entwickeln. Dazu braucht der Landwirt Freiheit im Geist.

 

Geleistete Arbeit anerkennen

 

Wie wäre es denn, wenn die Zyklen der Natur dazu genutzt werden würden um Anspannung und Entspannung direkt im Alltag einzubauen - was in der Landwirtschaft ja meistens mehr oder weniger möglich ist. Das heisst nach einer intensiven Zeit wird bewusst geruht. Ein besonders wichtiger Aspekt dabei ist, sich in der Ruhephase für die geleistete Arbeit und die erzielten Erfolge anzuerkennen, anstatt zu sehen, was alles noch nicht gemacht ist.

 

Liebe Bauern, ihr dürft diese alte tief eingeprägte Überzeugung zerschmettern, wonach ein guter Bauer derjenige ist, der immer hart arbeitet. Neu ist: Ein moderner richtig guter Bauer ist derjenige, der sich nach harter Arbeit entspannen kann, und somit den natürlichen Gesetzen von Anspannung und Entspannung, von Erschaffen und Inspirieren, folgt. Und so viel effizienter wird. So kann Arbeiten richtig Spass machen.

 

Über die Autorin

 

Barbara Eiselen ist Dipl.- Ing.-Agr- ETH und hat am Inforama Rütti verschiedene Fächer der landwirtschaftlichen Berufsschule unterrichtet und anschliessend als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften diverse Forschungsprojekte in den Bereichen Betriebswirtschaft, Agrarpolitik und -märkte geleitet. Sie ist selbst Bauerntochter und Schwiegertochter einer Bauernfamilie. Sie lebt seit 20 Jahren mit ihrem Partner zusammen, mit dem sie zwei Kinder hat.

 

In ihrer beruflichen Laufbahn erkannte sie, dass es sich bei Hofstrategien und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen eigentlich meistens um tieferliegende Themen handelt. Da sie immer schon ein Flair für Coaching-Situationen hatte, bildete sie sich in diesem Bereich weiter und eignete sich Wissen aus der Psychologie und Familiensystemen an.

 

Barbara Eiselen hat die Vision die Hemmschwelle für Tabu-Themen in der Landwirtschaft zu brechen, so dass man sich frühzeitig Hilfe für die wahren Probleme holen darf – ein Service für die Seele, die Psyche und die Ehe, genauso wie der Traktor auch seinen jährlichen Service bekommt. Wenn diese Schwierigkeiten überwunden sind, ist die Basis solide, um den Hof stimmig und erfolgreich weiterzuentwickeln, für Abtretende den Hof gut zu übergeben oder für Junge zur Entscheidung zu kommen, ob und wie man den Hof überhaupt übernehmen möchte.

 

Über diese Artikel-Serie

 

Anfang Mai 2023 hat schweizerbauer.ch eine Online-Umfrage zum Thema Beratung aufgeschaltet und die Leser gefragt «Welche Themen beschäftigen Sie zurzeit und wo möchten Sie gerne Antwort erhalten?»

 

So haben die 186 Teilnehmenden geantwortet.
Bild: Leonie Hart

 

Barbara Eiselen geht monatlich auf eines der meistgenannten Themen ein. Im nächsten Artikel, Anfang Juli, gibt sie Hinweise zur Neuausrichtung des Hofes und Investitionen.

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