Die 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen (BFF) auf Ackerflächen müssen nun doch nicht im kommenden Jahr angelegt sein. Mit 119 zu 68 Stimmen und vier Enthaltungen nahm der Nationalrat am Montag eine Motion von Ständerätin Esther Friedli (SVP, SG) an, gegen den Willen von SP, Grünen (ausser Christine Badertscher, sie stimmte für die Motion) und GLP.
Sie verlangt vom Bundesrat, im Ackerbau die Anforderung von 3,5 Prozent BFF vom 1. Januar 2024 auf den 1. Januar 2025 zu verschieben und gleichzeitig weitere Massnahmen zu prüfen. In der Herbstsession hat der Ständerat der Vorlage ebenfalls deutlich zugestimmt.
«So kann man Massnahmen umgehen»
Das Argument des Bundesrats, eine Verschiebung um ein Jahr würde gegen Treu und Glauben verstossen, lässt die Motionärin nicht gelten: «Die vielen offenen Punkte bei der Umsetzung, das verstösst gegen Treu und Glauben.»
Wegen der vielen Unklarheiten seien Wiesen gepflügt worden, die eigentlich kein Ackerland wären. Diese könnten zu Biodiversitätsförderflächen umgebaut werden. «So kann man die Massnahme umgehen, und das war ja sicher nicht die Idee des Erfinders», sagte Friedli.
Darum geht es
Ab 2025 müssen Betriebe mit > 3 ha offener Ackerfläche in der Tal- und Hügelzone mindestens 3,5 % ihrer Ackerfläche (inkl. Kunstwiese) in diesen Zonen mit Biodiversitätsförderflächen anlegen.
Anrechenbar sind: Buntbrachen, Rotationsbrachen, Ackerschonstreifen, Saum auf Ackerfläche, regionsspezifische Biodiversitätsförderfläche auf der offenen Ackerfläche, Nützlingsstreifen auf der offenen Ackerfläche sowie Getreide in weiter Reihe.
Höchstens die Hälfte des erforderlichen Anteils an Biodiversitätsförderflächen darf durch die Anrechnung von Getreide in weiter Reihe erfüllt werden. Betriebe, die Flächen mit Getreide in weiter Reihe für die Anrechnung an die 3,5 % anlegen, dürfen genau diese Fläche ab 2024 auch an die 7 % Biodiversitätsförderfläche (resp. 3,5 % bei Spezialkulturen) auf dem Landwirtschaftsbetrieb anrechnen lassen.
Alle anderen Betriebe können Getreide in weiter Reihe weiterhin nicht an den geforderten Anteil an Biodiversitätsförderflächen anrechnen lassen.
Die Mehrheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) hatte sich hinter die Motion gestellt und geltend gemacht, dass es noch zu viele Unsicherheiten gebe. Unter anderem könnten mit den aktuellen Vorgaben des Bundesrates wirksame, bereits bestehende Massnahmen nicht angerechnet werden.
«An warmem Bürotisch kreiert»
Das sah auch die deutliche Mehrheit des Nationalrats so. Landwirt Marcel Dettling (SVP, SZ), der im Namen der Kommission sprach, brachte die bereits bestehenden Ökoflächen ins Spiel. «Heute muss jeder Bauer in der Schweiz sieben Prozent ökologische Ausgleichsfläche auf seinem Betrieb ausweisen. Die Schweizer Bauern sind gut, sie sind sogar sehr gut. Denn sie weisen im Schnitt 19 Prozent ökologische Ausgleichsfläche aus», sagte er.
Und er brachte auch Kritik an die Verwaltung an. «Anhand von Praxisbeispielen sieht man, dass die Anforderungen an einem warmen Bürotisch kreiert wurden und nicht auf dem Feld. So können beispielsweise Hecken, die als äusserst wertvoll für die Biodiversität gelten, nicht angerechnet werden, auch wenn sie direkt am Acker liegen», sagte Dettling. Auch Untersaaten, Agroforst und Obstbäume würden nicht angerechnet.
Gemäss der Landesregierung besteht im Ackerbau Handlungsbedarf. Die neue Verordnung sieht vor, dass ein Betrieb, der mehr als 3 ha offene Ackerfläche in der Tal- und Hügelzone bewirtschaftet, mindestens 3.5% der Fläche als Biodiversitätsförderflächen ausscheiden muss. Der Bundesrat hat diese Bestimmung aber wegen des Krieges in der Ukraine nicht wie in der Vernehmlassung vorgeschlagen per 2023 eingeführt, sondern hat diese um ein Jahr auf 2024 verschoben. Daraus wird nun nichts. Das Parlament verlangt eine Verschiebung auf 2025.
Nicht berücksichtig worden
Als gravierend erachte er auch, dass Massnahmen in laufenden Projekten nicht berücksichtigt worden sind. «Dazu gehören Vernetzungsprojekte oder Landschaftsqualitätsmassnahmen in Ackerbaugebieten», so Dettling weiter.
Die Kritik von IP-Suisse und Bio Suisse, dass eine Verschiebung zu spät komme und zu einer Ungleichbehandlung der Betriebe führe, wies Dettling zurück: «Der Landwirt erhält die Direktzahlungen, wenn er diese Massnahmen umgesetzt hat.»
«Bereits Saatgut gekauft»
Die Kommissionminderheit hingegen kritisierte die Aussage von Dettling. Mit einer erneuten Verschiebung verspiele das Parlament seine Glaubwürdigkeit. Es gehe um gemachte Versprechen an die Stimmbevölkerung und die wichtigste Biodiversitätsmassnahme der letzten Legislatur, sagte Kathrin Bertschy (GLP, BE).
Sie befürchtet, dass BFF auf der Ackerfläche ganz verschwinden. «Um der Glaubwürdigkeit der Agrarpolitik nicht zu schaden, schlägt der Bundesrat vor, die Motion abzulehnen», sagte SVP-Bundesrat Guy Parmelin.
«Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe haben sich mit der neuen Regel auseinandergesetzt: Sie haben die Fruchtfolgeplanung angepasst, Biodiversitätsförderflächen auf ihrem Ackerland angelegt oder bereits Saatgut gekauft», sagte er, blieb aber mit seinem Votum erfolglos.

Ökofläche im Acker: Habt Ihr schon Massnahmen umgesetzt?
- Ja:45.42%
- Nein:38.81%
- Ich habe kein Ackerland:8.53%
- Habe weniger als 3 ha Ackerland:7.25%
Teilnehmer insgesamt: 469
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