Das Rentenalter der Männer liegt heute bei 65 Jahren, das Rentenalter der Frauen wird ab 2025 und bis 2028 von 64 ebenfalls auf 65 Jahre erhöht. Die steigende Lebenserwartung setzt die AHV unter Druck. Aufgrund des Zustupfs aus der AHV/Steuer-Vorlage, welche die Stimmbevölkerung im Mai 2019 guthiess, sowie der im September 2022 angenommenen AHV-Reform mit der Erhöhung des Frauenrentenalters sowie der Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde das Sozialwerk vorübergehend stabilisiert. Gemäss Zahlen des Bundes wird die AHV aber in den 2030er-Jahren in tiefrote Zahlen rutschen, wenn nicht gehandelt wird. Das Parlament hat beim Bundesrat bereits eine weitere Reformvorlage bestellt. Bis Ende 2026 soll diese vorliegen.
Wie funktioniert die AHV?
Es gilt das sogenannte Umlageprinzip: Was die Erwerbstätigen an Beiträgen einzahlen, wird als Rente an die Pensionierten ausbezahlt. Durch die steigende Lebenserwartung und die wachsende Zahl von Rentnerinnen und Rentnern – nicht zuletzt wegen der Pensionierung der Babyboomer-Jahrgänge – müssen künftig weniger Erwerbstätige mehr Pensionierte finanzieren.
Wie hat sich die AHV entwickelt?
Die Rahmenbedingungen der AHV haben sich seit deren Einführung im Jahr 1948 drastisch geändert. Auf 44 Erwerbsjahre folgen heute im Schnitt 22 Bezugsjahre, 1948 waren es erst 12,5 Jahre. Überdies finanzieren heute noch 3,5 Erwerbstätige die Rente einer pensionierten Person. Im Jahr 2050 werden es gemäss Prognosen des Bundes nur noch rund zwei Erwerbstätige sein.
Was will die Renteninitiative?
Die Renteninitiative verlangt, das Rentenalter in der Schweiz zuerst schrittweise von 65 auf 66 Jahre zu erhöhen und danach an die durchschnittliche Lebenserwartung zu koppeln. Der Initiativtext enthält im Wesentlichen eine Formel zur Berechnung des Rentenalters in Abhängigkeit zur Lebenserwartung: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll das Rentenalter um 0,8 Monate steigen. Die Erhöhung soll fünf Jahre im Voraus bekanntgegeben werden.
Wie würde sich das Rentenalter bei einem Ja entwickeln?
Zunächst soll das Rentenalter von Frauen und Männern bis 2033 schrittweise auf 66 Jahre steigen. Danach soll die Rentenaltererhöhung jährlich in Schritten von höchstens zwei Monaten erfolgen. Gestützt auf die Prognosen des Bundes haben die Initiantinnen und Initianten errechnet, dass 2043 Rentenalter 67 erreicht sein dürfte, 2056 Rentenalter 68 und 2070 Rentenalter 69.
Wie steht es um die Lebenserwartung?
Bei der Einführung der AHV 1948 betrug die Lebenserwartung eines 65-jährigen Mannes 12 und jene einer 65-jährigen Frau etwas mehr als 13 Jahre. 2020 waren es 19 Jahre für 65-jährige Männer und 22 Jahre für 65-jährige Frauen. Trotz leichtem Knick als Folge der Covid-19-Pandemie dürfte die Lebenserwartung weiter zunehmen.
Von wem wurde das Volkbegehren lanciert?
Das Begehren wurde Ende 2019 von den Jungfreisinnigen lanciert. Im Initiativkomitee sitzen auch Bundesparlamentarierinnen und Bundesparlamentarier der FDP, darunter Parteipräsident Thierry Burkart (AG), Nationalrat Christian Wasserfallen (BE) sowie Ständerat Andrea Caroni (AR). Die Initiantinnen und Initianten sammelten 145’000 Unterschriften.
Wer ist für die Initiative?
Die FDP hat die Ja-Parole zur Initiative beschlossen, ebenso die SVP, obwohl im Parlament eine Mehrheit der grössten Fraktion dagegen war. Zudem stimmt die EDU der Initiative zu. Zu den Unterstützern gehören auch grosse Organisationen wie der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), der Schweizerische Gewerbeverband (SGV), der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) und der Schweizerische Versicherungsverband (SVV). Swissmem, der Verband der Schweizer Tech-Industrie, plädiert ebenfalls für ein Ja.
Was sind die Argumente der Befürworter?
Die Befürworter wollen für alle Menschen im Land eine angemessene Rente. Mit dem aktuellen AHV-System sei das in absehbarer Zukunft nicht mehr möglich. Statt Lohnbeiträge zu erhöhen oder Renten zu kürzen, solle das Rentenalter erhöht werden. Damit werde das Sozialwerk strukturell saniert und finanziell nachhaltig gesichert. Mit der Erhöhung des Rentenalters werde ausserdem der Fachkräftemangel und die steigende Zuwanderung bekämpft. Branchenlösungen für vorzeitige Pensionierungen, etwa für körperlich anstrengende Berufe, wollen die Initiantinnen und Initianten zulassen.
Wer ist gegen die Initiative?
SP, Mitte, Grüne, GLP und EVP wehren sich gegen die Initiative, ebenso der Bundesrat und das Parlament. An vorderster Front kämpfen der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und Travail Suisse, der Dachverband der Arbeitnehmenden, gegen eine Erhöhung des Rentenalters. Dazu kommen weitere grosse Organisationen.
Was sind die Argumente der Gegner?
Die demografische Herausforderung der AHV könne nicht allein durch eine Erhöhung des Rentenalters gelöst werden, bringt die Gegnerschaft vor. Die Gegner kritisieren weiter, dass die Initiative einen Automatismus bei der Rentenalterbestimmungvorsehe, der mit dem politischen System der Schweiz nicht vereinbar sei.
Weder die Situation auf dem Arbeitsmarkt noch die Bedürfnisse der Bevölkerung würden berücksichtigt. Zum Rentenalter müsse eine politische Diskussion möglich sein. Zudem bestehen bei den Kritikern Zweifel, ob überhaupt ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stünden, um die über 65-Jährigen zu beschäftigen.
Was sagen die bürgerlichen Jungparteien zur Initiative?
Die Renteninitiative hatte bei deren Lancierung zu einem Zerwürfnis unter den bürgerlichen Jungparteien geführt. Die anderen warfen den Jungfreisinnigen vor, die Initiative trotz vorgängiger Absprache im Alleingang geplant zu haben. Weil sie erst im Nachhinein angefragt worden waren, lehnten die Jungparteien der damaligen BDP und CVP (heute Junge Mitte), EVP, GLP und SVP eine aktive Mitwirkung ab.
Vor der Abstimmung hat auf nationaler Ebene bisher nur die Junge SVP Schweiz die Ja-Parole beschlossen. Dazu kommen Kantonalsektionen anderer bürgerlicher Jungparteien wie beispielsweise die Junge Mitte Bern und Zürich und die Junge GLP Zürich und beider Basel.
Was steht im Zentrum des Abstimmungskampfs?
Die beiden Lager zeichnen ein unterschiedliches Bild zur finanziellen Zukunft der AHV. Bis 2050 drohe ein Umlagedefizit von über 10 Milliarden Franken, machen die Befürworter der Initiative geltend. Mit der Renteninitiative würde das Umlagedefizit auf rund 5 Milliarden Franken halbiert.
Die Gegner der Initiative stellen den AHV-Fonds ins Zentrum ihrer Argumentation. Dieser sei prall gefüllt. Er werde bis ins Jahr 2030 auf rund 70 Milliarden Franken ansteigen. Von einem Bankrott der AHV könne also keine Rede sein.
Wie ist die Situation im Ausland?
Viele europäische Länder haben ein höheres Rentenalter als die Schweiz, in einigen ist dieses auch schon mit der Lebenserwartung verknüpft. Unter anderem die Niederlande, Spanien, Dänemark, Schweden und Deutschland haben beschlossen, das Rentenalter in den nächsten zehn Jahren auf 67 oder mehr Jahre anzuheben.
Beispielsweise Italien und Portugal nutzen bereits einen Mechanismus, der das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppelt.
Welche Chancen hat die Initiative?
Laut den ersten Abstimmungsumfragen im Auftrag von SRG und Tamedia sprechen sich die meisten untersuchten Gruppen derzeit mehrheitlich gegen die Initiative aus. Demnach unterstützte zu Beginn des Abstimmungskampfs einzig die FDP-Basis das Anliegen ihrer Jungpartei.
Wählerinnen und Wähler von SP, Grünen, SVP und Mitte sprachen sich demnach gegen die Initiative aus, die Basis der GLP war gespalten. Die Renteninitiative wird derzeit in allen Altersgruppen verworfen, ausser bei den über 65-Jährigen, welche von einer Erhöhung des Rentenalters nicht mehr betroffen wären.
Welche Seite investiert mehr Geld in die Kampagne?
Gemäss Zahlen der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) hat die Pro-Seite mit dem Komitee «Renteninitiative Ja» etwa 900’000 Franken für den Abstimmungskampf budgetiert, die Kontra-Seite rund 100’000 Franken vom SGB und der Unia.
Wie entschied das Stimmvolk früher zu ähnlichen Anliegen?
Die Idee, das Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln, ist nicht neu. Eine Mehrheit fand sich dafür im Parlament bisher nicht. Auch beim Stimmvolk galt ein Rentenalter über 65 Jahre bis heute als nicht mehrheitsfähig.
Alle Volksinitiativen zum Thema AHV wurden bisher abgelehnt, darunter auch mehrere zur Herabsetzung des AHV-Alters. Mit der letzten AHV-Reform, über die im September 2022 abgestimmt wurde, sagten die Stimmenden nur knapp Ja zu einer Angleichung des Rentenalters der Frauen an jenes der Männer.

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Teilnehmer insgesamt: 308