Einkommen aus Kapital sollen künftig eineinhalb Mal so hoch besteuert werden wie Lohneinkommen. Dies verlangt die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern (99-Prozent-Initiative)» der Juso, die am 26. September zur Abstimmung kommt.
Ein Prozent der Schweizer Bevölkerung verfügt über rund 42 Prozent des gesamten Vermögens in der Schweiz. Mit der 99-Prozent-Initiative wollen die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten diese soziale Ungleichheit angehen und mehr Verteilungsgerechtigkeit schaffen – zugunsten der 99 Prozent, die nicht zu den Reichsten zählen.
150 Prozent besteuert
Die Initiative verlangt, dass Kapitaleinkommen, also etwa Einnahmen aus Kursgewinnen auf Aktien oder Dividenden, ab einem bestimmten Schwellenwert zu 150 Prozent besteuert werden, also 50 Prozent höher als Lohneinkommen. Die Initianten denken an einen Schwellenwert von rund 100’000 Franken. Bis zu diesem Betrag würde das Einkommen in der tatsächlichen Höhe besteuert, der Betrag darüber hinaus eineinhalbmal so hoch. 1 Franken würde also als 1 Franken 50 Rappen besteuert.
Die zusätzlichen Einnahmen des Bundes sollen nach dem Willen der Initiantinnen und Initianten konsequent umverteilt werden, um die Steuern auf tiefe und mittlere Löhne zu senken oder die zusätzlichen Steuereinnahmen für die Krankenkassenprämien oder die Bildung zu verwenden.
Für eine gerechtere Gesellschaft
SP, Grüne Partei, EVP und die Gewerkschaften unterstützen die Initiative. Sie argumentieren, dass mit dieser Änderung die Gesellschaft gerechter würde. Wer nicht für sein Einkommen arbeite und Dividenden kassiere, solle diese auch höher besteuern müssen als Personen, die für ihren Lohn arbeiten, sagen die Befürworter.
Die Konzentration des Reichtums auf einige Wenige begünstige zudem Wirtschaftskrisen, während die Kaufkraft der breiten Bevölkerung angesichts der steigenden Krankenkassenprämien und anderen höheren Kosten sinke. Weiter argumentieren die Befürworter, dass mit einer Annahme der Initiative der Service public ausgebaut werden könne, wovon schliesslich insbesondere Frauen profitieren würden.
Gegner kämpfen auf breiter Front
Der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments lehnen die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. SVP, Mitte-Partei, FDP und GLP sind gegen die 99-Prozent-Initiative. Auch die grossen Wirtschaftsverbände, der Gewerbeverband und Start-up-Verbände lehnen die Initiative ab.
In der Schweiz finde im Vergleich zum Ausland bereits heute eine beträchtliche Umverteilung statt, argumentieren Gegnerinnen und Gegner. Sie verweisen auf die progressive Besteuerung von Löhnen. Umverteilung würde darüber hinaus bereits heute über die Sozialwerke erfolgen, argumentiert der Bundesrat.
Die Initiative gefährde zudem die Standortattraktivität der Schweiz. Es bestehe die Gefahr, dass Reiche die Schweiz verlassen würden, wenn die Initiative angenommen wird, heisst es weiter vonseiten der Gegner.
Undefinierte Begriffe
Finanzminister Ueli Maurer argumentiert schliesslich, dass die Initiative auch formale Mängel habe. Der Initiativtext lasse viele Fragen offen. So sei der Begriff des Kapitaleinkommens nicht definiert, der Betrag der Schwelle für die Besteuerung zu 150 Prozent offen, und es sei auch unklar, wer überhaupt von der Umverteilung profitieren würde. Mit diesen offenen Definitionen werde «das übliche Mass an Unklarheiten bei einer Volksinitiative erheblich überschritten», bilanzierte Maurer.
Würde die Initiative angenommen, wäre es die Aufgabe des Parlaments, diese Ungenauigkeiten zu präzisieren.
In einer ersten Abstimmungsumfrage von Tamedia von Mitte August sprach sich eine Mehrheit der Befragten gegen die 99-Prozent-Initiative aus. 49 Prozent hätten die Initiative abgelehnt, 45 Prozent hätten sie angenommen, wobei 6 Prozent der Befragten noch keine Angaben machten.


