Die Ernährung in Mauritius ist vor allem davon abhängig, wie gross das Einkommen ist. Gerade für Menschen, die weniger verdienen heisst das in erster Linie: Verzicht auf frisches Gemüse und Früchte, stattdessen staatlich subventioniertes Fleisch, Reis und Hülsenfrüchte.
Es riecht nach Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Koriander, Tomaten, Pfeffer, Curry und Reis. Bald gibt es Nachtessen, denn auf dem Gasherd steht eine Pfanne gefüllt mit Reis für fünf Personen. In der Pfanne daneben liegen Hühnchenstücke - Brust, Schenkel, Flügel - in einer Tomaten-Koriandersauce. Das Poulet wurde in Mauritius gezüchtet, gemästet und geschlachtet, die Dosentomaten kommen aus Italien, der Reis aus China oder Indien.
Gemüse ist teuer
Frisches Gemüse gibt es an diesem Abend auch, und zwar gedünstete Auberginen. Doch das Gemüse ist teuer, ein Kilo frische Tomaten kostet doppelt so viel wie ein Sechserpack Wasser, Karotten und Auberginen etwa gleich viel, nämlich ca. 100 Rupien (ca. 2,70 CHF). Gerade im Sommer sind die Preise um einiges höher als im Winter. Und so kommt es, dass viele Mauritier im Sommer weniger Gemüse und Salat essen.
Schlicht weil sie es sich nicht leisten können. Auch Olivier und Fabien, zwei Brüder, die ein kleines Tauchzentrum im Südwesten der Insel betreiben, geht es so. Doch das stört sie nicht, denn das Fleisch und die Stärkebeilagen sind günstig, die Kalorienzufuhr damit gedeckt. Dass sie hungrig ins Bett gingen, das komme nicht vor, erklärt Fabien.
10 Prozent des Einkommens für Wasser
Doch frei von Sorgen Lebensmittel einkaufen, wie das mancher Schweizer kann, können die Brüder nicht. Es komme vor, dass man Ende Monat die Ernährung anpassen müsse, weil das Geld sonst nicht reiche, erklärt Seraina, die Frau von Fabien, bei der wir zu Gast sind. Dann gebe es weniger Fleisch, dafür mehr Reis, Linsen oder Bohnen.
"Das teuerste ist aber das Wasser", meint Seraina. Denn alleine sie und Fabien trinken zusammen jeden Tag ein Sechserpack Wasser, rund 9 Liter, das zwischen 80 und 120 Rupien kostet. Ein Luxus, den sich viele andere auf Mauritius nicht leisten könnten. Pro Monat gehen so um die 3'000 Rupien alleine für Wasser drauf, gut zehn Prozent des gemeinsamen Einkommens.
Bunkern für Zeit, wo Geld nicht reicht
Es ist für beide undenkbar, im Kühlschrank einen Wocheneinkauf an Früchten und Gemüsen zu lagern. Stattdessen kaufen sie jeden Tag "in London" dasjenige frisch ein, was sie gerade zum Kochen benötigen. "Und alle vier bis acht Wochen gibt es einen Grosseinkauf", ergänzt Seraina. Dann nämlich werden Konserven, Reis, Teigwaren, Zucker, Kaffee, etc. eingekauft und gebunkert. Für die Zeit, wenn das Geld nicht mehr für das Gemüse reicht.
"London" ist eine mauritische Supermarktkette, die alles anbietet - vom Rum über Bier und Zigaretten hin zu Milch, Joghurt, Fleisch, Gemüse, Pflegeprodukten, Kochbüchern und sogar Zeitschriften für Expats, ausländische Arbeitnehmende, die häufig im Tourismus oder im schnell wachsenden Finanzbereich arbeiten.
Herkunft spielt keine Rolle
Nicht nur die Vielfalt der Produktpalette ist gross, sondern auch deren Herkunft. Im Milchregal findet man UHT-Milch aus Mauritius, Neuseeland und aus Australien. Ebenso Milchprodukte wie Käse und Joghurt. Letztere können auch aus Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden stammen. Auch beim Fleisch findet man einheimisches Poulet neben brasilianischem, neuseeländischem oder australischem und argentinischem Rind- und Lammfleisch.
In den Regalen allerdings macht man kaum Labels aus; keine "Bio-Knospe", keine "Aus der Region für die Region..."-Milch, sondern "Qualitätsprodukte" aus der ganzen Welt. So finden sich "Deutschländer" neben "Corned Beef" und "Schär-Biskuits" neben "Cassava-Biscuits". Offenbar ist es nicht wichtig, ob die Waren in erster Linie auf Deutsch, Französisch oder Englisch angeschrieben werden.
Hauptsache, die Regale sind gefüllt. Im Vergleich zu den Schweizer Produkten günstig und vor allem eines: sättigend. Doch bei genauerem Hinschauen findet man auch Speziallebensmittel - Glutenfrei, Lactosefrei oder vegetarisch. Nur, die glutenfreie Pasta kostet etwa dreimal so viel wie die Hausmarke, die Reiswaffeln aus biologischer Produktion sind etwa doppelt so teuer wie deren konventionelle Vergleichsprodukte.
Traditionelle Märkte sind teuer
Es gibt noch einen anderen Ort, wo Lebensmittel etwas teurer sind als im Supermarkt, nämlich auf dem Markt. Der grösste Markt ist der Central Market in der Hauptstadt Port Louis. Im Herzen der Stadt liegt die grosse Markthalle, deren Besuch in vielen Reiseführern empfohlen wird. Bevor man in die Halle kommt, passiert man mehrere Strassen mit improvisierten Ständen. Überall sind Händler, die versuchen Taschen, Gürtel, Tücher und viele andere Waren zu verkaufen. Es ist laut, hektisch, drückend heiss, aber auch farbig vielfältig und fröhlich.
In der Haupthalle des Central Market ist es angenehm kühl, etwas düster, gleichwohl farbig: neben Tomaten finden Kartoffeln, Maniok, Knoblauch, Zwiebeln, Kürbisse, Kohlgewächse, Lauch und Salate ihren Platz. Auch Gewürze - Vanille, Safran, Curry in allen Variationen, Muskat, Chili, Salz, Paprika - dürfen nicht fehlen. Und hinter jedem Stand steht ein Händler, der versucht, die vorbeilaufenden Menschen lautstark für seine Ware zu begeistern. Die Händler wissen, dass gerade Touristen aus westlichen Ländern nicht gewohnt sind, die Preise zu verhandeln.
Feilschen ist angesagt
So sind die Waren sehr teuer angeschrieben. Ein Kilo Tomaten würde etwa doppelt so viel kosten wie im Supermarkt - wenn man den Preis nicht verhandelt. Aber auch mit viel Geschick lassen sich die Supermarktpreise kaum unterbieten. Ein Kunde fragt ungläubig: "300 Rupien für die Tomaten?". "Ja", erwidert der Händler. "Das ist zu viel, ich geb dir 200", beginnt der Kunde zu handeln, "Das ist zu wenig; 230 musst du mir geben", "Also gut, 220 Rupie für das Kilo Tomaten...".
Der Preis ist verhandelt, Kunde und Händler zufrieden. Doch wer macht den Preis? Auf Nachfrage sagt ein Händler nur, dass man das Gemüse in einem Engros-Markt einkaufe und am Central Market weiterverkaufe. "Manchmal gehen die Preise rauf, manchmal runter", so der Händler.
Wetterlage beeinflusst Preise
Wie uns Seraina erzählt, werde das Gemüse aber sofort doppelt so teuer angeschrieben, sobald die meteorologischen Dienste eine Zyklonwarnung meldeten. Natürlich würden die Preise dann auch wieder sinken, "aber nur sehr langsam", sagt sie. Ohnehin sind für die Kunden die Preise schwer nachvollziehbar. Für die mauritischen Händler vor allem eine Herausforderung sind Preisschwankungen an den Weltmärkten.
Denn steigen die Preise, sinkt die Kaufkraft und die armen Bevölkerungsschichten können sich nicht mehr ausreichend ernähren, die Händler können weniger verkaufen und müssen selbst sinkende Einnahmen in Kauf nehmen. Dass Mauritius mehr als 70 Prozent der konsumierten Nahrungsmittel importieren muss, macht die Lage zusätzlich schwierig, gerade weil in Zukunft damit gerechnet wird, dass die Preise noch schneller und noch stärker schwanken werden.
Für die beiden Brüder und Seraina spielt das an diesem Abend keine Rolle. Sie müssen essen, morgen kommen wieder Gäste, die tauchen wollen. Natürlich würden sie sich ab und an Gedanken machen, was die Zukunft bringe und ob sie bis Ende Monat genug zu essen haben. Aber irgendwie werde es schon gehen. Und sowieso - es reiche für den Moment, was wolle man mehr?