Jungbauern wie Stefanie Reist und Jonas Steiner sind sich bewusst, dass ein Betrieb viel zu tun gibt. Eine Agroscope-Studie zeigt nun, dass die Mechanisierung nicht zu einem kleineren Arbeitsaufwand der Bauern führt.
Stefanie Reist und Jonas Steiner haben Anfang Jahr den Betrieb von Jonas’ Eltern in Sumiswald BE übernommen. «Wir haben beide gewusst, dass viel Arbeit auf uns zukommt, aber wir packen gerne an», sagt die Bäuerin.
Anzahl Arbeitsstunden pro Person und Jahr gestiegen
Tatsächlich haben Bauernfamilien lange Arbeitstage – trotz der fortschreitenden Mechanisierung. Die frei werdende Arbeitszeit wird aufgefressen durch immer grössere Viehbestände und mehr Fläche. Das zeigt eine Studie von Agroscope zu den Auswirkungen des technischen Fortschritts.
Anhand der Buchhaltungsdaten der Jahre 2003 und 2012 haben die Forscher den Arbeitsaufwand für einen Ackerbau- und einen Milchvieh-Modellbetrieb geschätzt. Beim Ackerbaubetrieb ging der Arbeitszeitbedarf für die Bewirtschaftung zwischen 2003 und 2012 zwar von 2116 auf 1941 Stunden zurück, obschon die Fläche von 21,3 auf 30,1ha wuchs. Die Anzahl Arbeitsstunden pro Person und Jahr stieg aber im gleichen Zeitraum von 1374 auf 1417, da immer weniger Arbeitskräfte auf einem solchen Betrieb beschäftigt sind.
Fortschritt in Expansion investiert
Auch die Milchviehbetriebe werden grösser. Der Agroscope-Modellbetrieb im Tal mit Laufstallhaltung hatte 2012 im Schnitt 37 Milchkühe, 2003 waren es erst 26. Der Arbeitszeitbedarf für dessen Bewirtschaftung stieg auf 5131 Stunden pro Jahr, die Zahl der jährlichen Arbeitsstunden pro Person stieg unwesentlich auf 2540. Dies, weil im Schnitt im Gegensatz zum Ackerbau mehr Personen auf dem Betrieb arbeiten.
Die Arbeitszeit, die dank dem technischen Fortschritt eingespart wird, setzen die Bauern also für die Expansion ein. Die Arbeitszeit pro Person und Jahr bleibt tendenziell stabil – laut Agroscope bei über 60 Stunden pro Woche. Trotzdem bleibt der Arbeitsverdienst, also das landwirtschaftliche Einkommen minus der Zinsanspruch für investiertes Eigenkapital, bescheiden.
Einkommen deutlich tiefer
Der Median, bei dem die Hälfte der Betriebe darüber und die Hälfte darunter liegt, lag 2012 laut Agroscope im Talgebiet bei 49'572 Franken. Zum Vergleich: Der Medianlohn im Industrie- und Dienstleistungsbereich betrug 74'941 Franken.
Den Druck zur Betriebsvergrösserung spüren auch Stefanie Reist und Jonas Steiner. Sie kritisieren diesbezüglich auch die Agrarpolitik: «Dezentrale Besiedlung, dörfliche Strukturen, vielfältige Landwirtschaft, Biodiversität – das geht nur mit kleinen und mittleren Familienbetrieben.»