Die Schweizer Gebirgskantone möchten für den kommenden Alpsommer Sofortmassnahmen umsetzen, die die Grenzen des Herdenschutzes besser aufzeigen. So sollen Landwirte mehr Planungssicherheit erhalten. Zudem seien beim Bund die administrativen Abläufe für die verschiedenen Bewilligungen markant zu erleichtern.
Reisst ein Wolf ein Schaf, erhält der Besitzer des Nutztieres eine Entschädigung. Dies allerdings nur, wenn er seine Schafherde zuvor entsprechend schützte.
Welche Massnahmen sind zumutbar
Inwiefern eine Herde auf einer Alp schützbar ist, sollen am Donnerstag neu publizierte Kriterien der Gebirgskantone, namentlich Uri, Ob- und Nidwalden, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Graubünden und Tessin, beantworten.
Dabei geht es um die zentrale Frage, welche Herdenschutzmassnahmen überhaupt zumutbar sind. «Der Herdenschutz stösst an seine Grenzen», sagte der Generalsekretär der Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK) Fadri Ramming auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Donnerstag. Klare Kriterien würden ermöglichen, das Wolfsmanagement gezielt darauf auszurichten. So könne die Herdenschutzberatung ihre Ressourcen auf die zumutbar schützbaren Alpen fokussieren. Viele Alpen sind gemäss den Gebirgskantonen aber nicht zumutbar schützbar.
Viele Alpen nicht schützbar
Die Gebirgskantone sind an der Erarbeitung von umfassenden Grundlagen zum Wolfsmanagement und Herdenschutz. Der entsprechende Gesamtbericht wird voraussichtlich im zweiten Halbjahr und damit rechtzeitig im Hinblick auf die bevorstehende Revision des Jagdgesetzes vorliegen. Gemäss den Gebirgskantonen liegen beim Herdenschutz bereits erste Erkenntnisse vor, die sich auf den Alpsommer 2022 umsetzen lassen und mehr Vollzugssicherheit bringen.
Die RKGK strebt aufgrund der steigenden Wolfspräsenz eine rasche Anpassung in den entsprechenden Verordnungen an. So sollen Landwirte eine Planungssicherheit für den Alpsommer 2022 erhalten, so Ramming weiter. Für den Alpsommer 2022 haben diese Kantone Kriterien für die Beurteilung, ob eine Alp zumutbar schützbar ist, veröffentlicht:
Volkswirtschaftliche Akzeptanz
Die Kosten für Herdenschutzmassnahmen haben eine volkswirtschaftliche Obergrenze. Für die Gebirgskantone liegt diese bei 600 Franken pro Normalstoss. Ein Normalstoss entspricht knapp 12 Schafen und somit beträgt die Obergrenze etwa 50 Franken pro Schaf. Vollkostenrechnungen zu Herdenschutzmassnahmen zeigen, dass auf Schafalpen mit weniger als 10 Normalstössen (115 Schafe) diese Obergrenze immer überschritten wird. Diese Alpen sind somit nicht zumutbar schützbar.
Herdenschutzmassnahmen für Schafe
Eine ständige Behirtung ist aufgrund der hohen Personalkosten aus betriebswirtschaftlicher Perspektive erst ab 30 Normalstössen (350 Schafe) finanzierbar. Alpen von 10 bis 30 Normalstössen (115 bis 350 Schafe) sind mit einem Umtriebsweidesystem mit Herdenschutzhunden schützbar. Dieses Weidesystem ist jedoch nur in geeigneten Weideflächen wirksam, was auf jeder Alp einzeln beurteilt werden muss. Standweiden in den Zentral- und Südalpen sind jedoch aufgrund der kargen Vegetation und der entsprechenden Weiträumigkeit nicht mit einem Umtriebsweidesystem mit Herdenschutzhunden schützbar. Diese Alpen sind somit nicht zumutbar schützbar.
Herdenschutzmassnahmen für Ziegen
Ziegen weiden im Sömmerungsgebiet meist frei, zudem oft in topografisch sehr anspruchsvollen Lagen. Die Direktzahlungsverordnung sieht im Moment keinerlei Abgeltung für die Sömmerung von Ziegen in geschützten Weidesystemen vor. Aus diesen Gründen gelten sämtliche Ziegenalpen als nicht zumutbar
schützbar.
Herdenschutzmassnahmen für Rindvieh
Grundsätzlich ist auf Rindviehalpen kein Herdenschutz möglich. Die einzig wirksame Massnahme bildet die spezielle Einzäunung bei Geburten (sogenannte Abkalbekoppel). Auch Rindviehalpen sind somit nicht zumutbar schützbar.
Es sei zudem absehbar, dass mit dem Gesamtbericht noch weitere Zumutbarkeits-Kriterien für Herdenschutz-massnahmen und substanzielle Aussagen über die Regelung von Interessenkonflikten zwischen der Pflege der Kulturlandschaft und dem Tourismus einerseits, und dem Arten- und Lebensraumschutz andererseits, vorlie-gen werden.
Administrative Abläufe vereinfachen
Die Gebirgskantone fordern, administrative Abläufe aufgrund des kurzen Alpsommers deutlich zu reduzieren. Im Sommer 2021 sei es viel zu schwerfällig abgelaufen. Deshalb fordern die Gebirgskantone vom Bund, dass er rechtzeitig auf den Alpsommer die Abläufe markant vereinfacht und genügend Ressourcen bereitstellt, damit die erforderlichen Bewilligungen künftig innert kürzester Zeit erteilt werden können.
Die Gebirgskantone weisen weiter darauf hin, dass sich die Wölfe weiter ausbreiten. «Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der in mehreren Landesteilen beobachteten Paarbildungen sich bereits in diesem Jahr neue Wolfsrudel etablieren werden», heisst es in der Mitteilung. Das Wolfsmanagement sei deshalb dringend an diese Entwicklung anzupassen. «Es braucht die Möglichkeit zur präventiven Regulation des Wolfsbestandes, ohne diesen dabei zu gefährden», lautet die Forderung.
Gruppe Wolf: Neue Kriterien unnötig
Die Gruppe Wolf Schweiz sieht keinerlei Bedarf bei der Anpassung der Kriterien, wie der Präsident David Gerke auf Anfrage von Keystone-SDA schrieb. Im letzten Jahr habe es weniger Risse gegeben, trotz wachsender Wolfsbestände.
«Der Herdenschutz ist in hohem Masse erfolgreich. So ist etwa die Zahl der Risse in durch Herdenschutzhunde geschützten Herden nicht zunehmend, sondern auf tiefem Niveau sogar rückläufig. Dies wird durch die Zahlen der nationalen Herdenschutzfachstelle belegt», teilte Gerke mit.



Ökologie gehört definitiv in die Sparte "Subsidiarität". D.h. Ökologie soll auf der untersten Stufe, d.h. auf der Stufe Einzelperson / Gemeinde / evtl. Kanton geregelt werden, sicher nicht auf der Stufe Bund.
Auch ohne Nuklearwaffeneinsatz, wird uns in diesen Bereichen, eine Trendwende, von der heutigen Praxis, aufgezwungen.