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«Viele Bauernbetriebe sind desillusioniert»

Der Schweizer Bauernverband (SBV) hat die Forderungen der Biodiversitätsinitiative an seiner Jahresmedienkonferenz abgelehnt. Über die Initiative wird dieses Jahr abgestimmt. Ausserdem fordert der SBV höhere Produzentenpreise. Und die Politik soll das Konsumverhalten berücksichtigen.

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Der SBV engagiere sich zusammen mit weiteren betroffenen Branchen für ein Nein zur Biodiversitätsinitiative. Man habe dem Verband wegen dem Nein zum Gegenvorschlag Sturheit vorgeworfen, sagte SBV-Direktor Martin Rufer auf dem Betrieb von Richard und Nadia Maurer in Frienisberg BE vor den Medien. 

Unverhältnismässige Forderungen

«Doch Tatsache ist: Es gibt bereits gesetzliche Grundlagen, um die Biodiversität zu schützen und weiter zu fördern», machte er deutlich. Der Verband nannte zwei Gründe:

  • Die weitere Förderung der Artenvielfalt sei bereits mit der heutigen Gesetzesgrundlage möglich und über eine nationale Strategie und den Aktionsplan bereits im Gange. 
  • Die Naturschutzorganisationen würden «völlig unverhältnismässige Forderungen» stellen. Gemäss SBV wollen sie 30 Prozent der Landesfläche unter Schutz stellen und rechnen aktuell 8 Prozent als Schutzgebiet an. «Damit müssten weitere 880'000 ha ausgeschieden werden», warnt der Verband. 

«Die Landwirtschaft bewirtschaftet rund 1 Million Hektaren und davon dienen heute bereits fast 200’000 Hektaren zur Förderung der Biodiversität», so der SBV weiter. «Es braucht keine neuen Gesetze und schon gar keine Anpassung in der Verfassung», sagte SBV-Direktor Martin Rufer. In der Landwirtschaft diene ein Fünftel aller Flächen zur Förderung der biologischen Vielfalt. «Das entspricht mehr als 190’000 Hektaren oder fast der vierfachen Fläche des Bodensees», führte Rufer aus. Man biete auf diesen Flächen Hand, Qualität und damit den Nutzen für die Artenvielfalt weiter zu verbessern.

Dies sei den Initianten aber nicht genug, kritisierte Rufer. Mit deren Forderungen würden weitere Hektaren für die Landwirtschaft verloren gehen. «Jede Hektare Land die wir zusätzlich aus der Produktion nehmen, bringt entsprechende Mehrimporte an Lebensmitteln mit sich. Und an diese stellen wir dann keine Bedingungen. Das ist für mich sehr heuchlerisch», so Rufer weiter.

Weniger Ertrag, mehr Aufwand

Die wirtschaftliche Lage der Schweizer Bauernbetriebe habe sich stark verschlechtert, so der SBV. Ein Grund dafür seien die steigenden Kosten der Vorleistungen, bei denen es nicht gelungen sei, diese über bessere Produzentenpreise weiterzugeben. «Die Produktionskosten sind für die Bauernbetriebe im Schnitt nach wir vor um 14 Prozent höher als im Dezember 2020. Im Zusammenhang mit dem Absenkpfad Pflanzenschutz und Nährstoffe sind die Anforderungen stark gestiegen», sagte Martin Rufer. Diese führten vor allem im Pflanzenbau zu Mindererträgen und Mehraufwänden, die auf keine Art entschädigt seien.

Rufer wies auf die Probleme beim Pflanzenschutz hin. Laufend würden weniger Mittel zur Verfügung stehen. Das Folge davon sei ein steigende Anbaurisiko. «Das alles führt dazu, dass die pflanzlichen Kulturen an Attraktivität verlieren und die Flächen zurückgehen. Dabei wäre eigentlich das Gegenteil gewünscht», macht er deutlich.

 

Frustration und wenig Motivation

Die schlechte wirtschaftliche Lage der Betriebe untermauern die Daten der Bundesstatistik. Der Verdienst pro Familienarbeitskraft sank zwischen 4.1 im Talgebiet und 10.4 Prozent im Hügelgebiet. Im Berggebiet, wo der Verdienst noch bei 40'100 Franken pro Jahr bei Vollzeitbeschäftigung liegt, sank er um 6.8 Prozent. Im Hügel- und Berggebiet erreichen 80 Prozent der Betriebe das Vergleichseinkommen nicht. 

Die wirke sich auf die Betriebe aus. «Die prekäre finanzielle Situation führt zu Frustration und wenig Motivation, sich weiter in den Bereichen Tierwohl, Klima oder Biodiversität zu engagieren. Mehr als das absolut nötige zu tun, muss man sich leisten können», sagte Markus Ritter, Präsident des SBV.

Warum soll man sich anstrengen, wenn man am Schluss sowieso nur kritisiert wird, fragte sich Ritter. Helfen würde, weitere Verbesserungen anzuregen, wenn es dafür zwischendurch eine positive Rückmeldung gäbe. Er verwies auf Widersprüche. Mehr Tierwohl gehe mit mehr Emissionen von Klimagasen und höheren Kosten  einher. Und weniger Nutztiere führten  zu mehr Importen von tierischen Lebensmitteln und einem Export einer noch viel grösseren Umweltwirkung ins Ausland. «Aktuell sind die meisten Bauernbetriebe deshalb ziemlich desillusioniert», warnte Ritter. 

Ein zentrales Ziel unserer Arbeit in diesem Jahr ist es deshalb, für 2024 bessere Preise für die landwirtschaftlichen Produkte zu erzielen.

Martin Rufer, Direktor Schweizer Bauernverband

Forderung nach Preisausgleich

Aus diesen Gründen fordert der Bauernverband eine Erhöhung der Produzentenpreise zwischen fünf und zehn Prozent. Faire und kostendeckende Preise seien die Grundlage für weitere Verbesserungen im Bereich Tierwohl, Klimaschutz oder Biodiversitätsförderung, hiess es weiter. Die Abnehmer seien nun gefordert den nötigen Mehrpreis zu bezahlen und sich beim Absatz zu engagieren. «Die gestiegenen Ladenpreise müssen angemessen in der Landwirtschaft ankommen», so Ritter.

Eine Erhöhung der Produzentenpreise in einen kostendeckenden Bereich wären gemäss Verband «absolut möglich». Die Lebensmittelkosten seien zwischen Oktober 2021 und Oktober 2023 um 7,6 Prozent gestiegen, während sich die Produzentenpreise auf Stufe Landwirtschaft nur um 4,3 Prozent erhöht hätten. «Ein zentrales Ziel unserer Arbeit in diesem Jahr ist es deshalb, für 2024 bessere Preise für die landwirtschaftlichen Produkte zu erzielen», sagte SBV-Direktor Martin Rufer.

Politik soll Konsumverhalten berücksichtigen

Thematisiert wurden auch die wirtschaftliche Situation. Detailhändler bauen ihre «Günstiglinien» wie «Prix Garantie» oder «M-Budget» laufend aus. Grund dafür sind eine zunehmende Preissensitivität der Konsumenten, aber auch die teils hohen Margen auf nachhaltigen Produkten. Diese Entwicklung ist aber nicht kongruent mit der Forderungen der Politik, die von den Landwirtinnen und Landwirten unter anderem immer mehr Auflagen in Sachen Pflanzenschutz oder Tierwohl fordert.

Der Absatz von Lebensmitteln mit Mehrwert im Bereich Umwelt- oder Tierschutz hapere, sagte SBV-Präsident Markus Ritter. «In Zeiten, wo alles teurer wird, sparen die Schweizerinnen und Schweizer offenbar zuerst bei den Lebensmitteln. Wenn man aufs Portemonnaie schauen muss, rücken die eigenen Werte in den Hintergrund», sagte er zu den Medienvertretern.

Er habe für dieses Konsumverhalten ein «gewisses Verständnis». «Diese Realität muss aber ebenfalls berücksichtigt sein, wenn die Politik, die Abnehmer und die Bevölkerung ihre hohen Forderungen an die Landwirtschaft stellen», machte Ritter klar.

Kommentare (7)

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  • Roman | 05.01.2024

    Meiner Meinung nach sollten sämtliche importierte Lebensmittel nicht mit dem reduzierten sondern dem regulären MwSt-Satz von 8.1% besteuert werden. Eine Avocado, Ananas, Mango, Kiwi, etc. sind in meinen Augen keine Grundnahrungsmittel sondern ein Luxusgut. Gleichzeitig sollte der Importzoll für importierte Lebensmittel viel höher angesetzt werden.

  • Victor Brunner | 04.01.2024
    Rufer: "sei bereits mit der heutigen Gesetzesgrundlage möglich und über eine nationale Strategie und den Aktionsplan bereits im Gange". Möglich ist nicht zwingend und genau darum geht es bei der Initiative. Endlich Fakten schaffen. Rufer will ja auch Fakten schaffen und die Produzentenpreise erhöhen. Warum nicht dann auch bei der Biodiversität. Der SBV hat immer noch nicht begriffen, Marktmanipulationen gehen nicht, ausser die SteuerzahlerInnen bezahlen. Wo sind die stolzen Bäuerinnen und Bauern, immer von anderen leben ist doch nicht erfüllend:
    • Kollege | 04.01.2024
      Genau diese "Biodiversität" (inhaltlose Worthülse zu Propagandazwecken) muss man sich von anderen bezahlen lassen, weil sie nur negativen Ertrag generiert.
      Mittlerweile wurden ca. 15% der LN aus der ackerbaulichen Nutzung in ertragsarmes Dauergrünland überführt.
      Der erneute Angriff auf Ackerland durch nochmalige höhere Anforderungen ist nur noch dumm.
      Die Verbesserung der bestehenden Ökoflächen wäre nützlicher.
  • Rosa | 03.01.2024
    Mehr Direktvermarktung gäbe bessere Preise für die Bauern.
    • Biopuur | 03.01.2024

      ....aber das löst das Problem nicht.

    • Gesunder Menschenverstand | 04.01.2024
      Direktvermarktung können leider nicht alle machen.
    • Bäuerin | 04.01.2024
      Sicher? Aber überproportional höhere Kosten. Das ist für die meisten Fälle absolut uninteressant. Ausser, man arbeitet kostenlos oder lebt sehr optimal gelegen. WIe sollte man denn auch ein Joghurt in Handarbeit zu einem etwas höheren Preis produzieren als ein grosser Verarbeiter? Ich habs versucht. Es ist nicht möglich.
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