Obwohl es das Gesetz vorschreibt, besucht nicht jeder neue Hundehalter mit seinem Vierbeiner einen Theorie- und Praxiskurs. Die Kontrollen sind unterschiedlich streng und die Kantonstierärzte sehen den Zweck der Vorschrift vor allem in der Sensibilisierung.
Bis Ende 2010 haben schweizweit rund 35’000 Halterinnen und Halter die obligatorischen Theorie- und Praxiskurse absolviert, wie das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) schätzt. Das seien rund 40 Prozent aller neuen Hundebesitzer, sagt BVET-Sprecherin Regula Kennel auf Anfrage der sda. «Wir hoffen, dass sich diese Zahl bis Ende nächsten Jahres auf gegen 70 Prozent erhöht.» Für 2011 liegen noch keine Angaben vor.
Ob ein Halter den so genannten Sachkundenachweis (SKN) besitzt oder nicht, müssen in gewissen Kantonen die Wohngemeinden kontrollieren. Gesetzlich verpflichtet sind sie dazu aber nicht überall. Wie viele Hundehalter in den einzelnen Kantonen und Ortschaften ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind, lässt sich deshalb nur schätzen.
Zufrieden gibt sich beispielsweise der St. Galler Kantonstierarzt Albert Fritsche. Sein Veterinäramt kontrolliert jährlich dreissig bis vierzig verhaltensauffällige Hunde. Nur zehn Prozent dieser Halter hätten den praktischen Kurs nicht besucht. «Das ist überraschenderweise ein sehr guter Stand», sagt Fritsche.
Hundebisse: Dunkelziffer ist hoch
Falls ein Halter den Kurs versäumt und er seiner Pflicht auch nach einer Mahnung nicht nachkommt, kann es zu einer Strafanzeige und einer Busse kommen. Wie viele Halter konkret gebüsst wurden, können weder der St. Galler Kantonstierarzt noch seine Kollegen aus Zürich oder Basel-Landschaft sagen.
Der Berner Veterinärdienst mahnte bisher rund 20 Personen, wie Kantonstierarzt Reto Wyss erläutert. Absolvieren diese trotz Mahnung die Kurse nicht, werde der Kursbesuch verfügt und Strafanzeige eingereicht. Die Gerichte entscheiden anschliessend über die Höhe einer allfälligen Busse.
In Bern sowie in St.Gallen überprüft man stichprobenartig oder nach Hinweisen, ob ein Halter den SKN hat oder nicht. «Treffen wir bei einer Tierschutzkontrolle wegen einer Meerschweinchenhaltung in der Wohnung auf einen Hund, überprüfen wir, ob der Halter die Kurse absolviert hat», sagt Wyss. Der Veterinärdienst kontrolliere die Papiere immer auch nach einem gemeldeten Hundebiss.
Genau da liegt das Problem: Viele Leute wollten Bissvorfälle nicht melden, sagt BVET-Sprecherin Kennel. Eine nationale Beiss- Statistik wurde nur von 2006 bis 2009 geführt. «Sie weist eine so hohe Dunkelziffer aus, so dass die Aussagekraft nicht mehr gegeben ist.»
Vorfälle werden unter Teppich gekehrt
Insbesondere leichte Hundebisse würden nicht gemeldet, heisst es auch in einem Blog von BVET-Direktor Hans Wyss. Im Schnitt meldeten Tierärzte und Ärzte nur jeden zweiten oder gar jeden dritten Fall. 2009 habe man schweizweit 5090 Hundebisse registriert, die Suva schätze aber, dass die Gesamtzahl bei knapp 10’000 liege.
Die Anzahl Bisse sei im Schnitt aber stabil, sind sich die befragten Kantonstierärzte einig. Im Kanton Zürich wurden letztes Jahr fast 1000 Hundebisse an Menschen oder Tieren gezählt. In Bern waren es rund 750 Bisse, in St. Gallen deren 270 und in Basel- Landschaft gegen 200.
Kantonstierärzte: Neues Gesetz kein «zahnloser Tiger»
Die neue Tierschutzverordnung mit dem SKN sei «ein grosser Aufwand mit beschränkter Wirkung», resümiert der St. Galler Kantonstierarzt Fritsche. Die Kurse könnten keine umfassende Ausbildung sein, fügt sein Berner Kollege Wyss an.
Ziel sei es gewesen, mit den Kursen bei zukünftigen Haltern eine Sensibilisierung für eine verantwortungsvolle Hundehaltung zu erreichen. Das sei mit dieser pragmatischen und kostengünstigen Lösung gelungen. «Das Gesetz ist also kein zahnloser Tiger», sagt Wyss. Hundehalter reagierten gegenüber Nicht-Hundehaltern sensibler, ergänzt Fritsche: «Hunde werden schneller angeleint.»