Im vergangenen Frühjahr haben hunderte Landwirtinnen und Landwirte gerechte Produzentenpreise eingefordert. Nun richtet sich der Protest an die Verwaltung.
Patrik Ryter
«Schweizer Bauer»: Anfang Jahr halfen Sie Mahnwachen zu organisieren, viele Bauernfamilien folgten Ihrem Aufruf. Wie hat sich die Situation für die Bauern seither entwickelt?
Urs Haslebacher: Ich bin enttäuscht . Gerade auch politisch ist wenig gegangen. Wenn wir als Bauern darauf aufmerksam machen, wie stark die Bürokratie auf uns lastet, und der Bundesrat in der Folge nur zu einem runden Tisch einlädt und auf die Agrarpolitik 2030+ vertröstet, ist das ernüchternd. Ich bin der Meinung, dass die Lage von den Bundesämtern nicht richtig eingeschätzt wurde, es brennt den Bauern viel mehr unter den Nägeln, als sie meinen. Wir erwarten und brauchen rasch Lösungen.
Die «Ermahnung» soll vor den beiden Bundesämtern BLW (r.) und BLV in Bern-Liebefeld stattfinden.
Daniel Salzmann
Und was sagen Sie zur landwirtschaftlichen Produktion in diesem Jahr?
Der Selbstversorgungsgrad wird auch wegen der schlechten Ernten weiter sinken. Es macht einem nachdenklich, wenn man erlebt, wie schwierig beispielsweise die heurige Weizen- und Kartoffelproduktion war. Eigentlich fände seit dem Ukrainekrieg ein Umdenken statt, viele Leute sind sich einig darüber, dass man wieder vermehrt in die Sicherheit investieren müsste. Da bringt es nichts, wenn man nur die Armee stärkt.
Die Forderungen der Gruppe «Dialog»
Die Bewegung hat im vergangenen Frühling folgende vier Kernforderungen an die Verwaltung, die Politik, Gesellschaft und die Marktakteure:
- Stabilität und Planungssicherheit (Politik, Verwaltung)
- Gerechte und angemessene Entschädigung der Produkte (Handel)
- Verringerung des administrativen Aufwandes (Verwaltung)
- Wertschätzung der Arbeit und der Produkte (Gesellschaft)
Warum?
Was nützt der Schirm über der Schweiz, wenn wir darunter nichts mehr zum Essen haben? Wir müssen der Bevölkerung erklären, wie gefährlich ein sinkender Selbstversorgungsgrad ist. Da wäre auch die Verwaltung beim Bundesamt für Landwirtschaft BLW und beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV gefordert. Einerseits haben wir in der Lebensmittelproduktion strengste Hygienevorschriften, auf der anderen Seite haben wir wegen fehlendem Pflanzenschutz vermehrt Pilzgifte im Getreide und verfaulende Kartoffeln – das ist Food Waste und verantwortungslos. Ich bin auch der Meinung, dass die vielen Extensobeiträge nur einen sehr geringen Nutzen für die Biodiversität haben. Es muss gelingen, die Biodiversität und gleichzeitig die Nahrungsmittelproduktion zu stärken.
Im vergangenen Frühjahr kam es zu zahlreichen Protesten wie hier in Echallens VD.
Die Bevölkerung merkt nichts davon, sie hat immer genug zu essen.
Es ist ein Fehler im System, wenn man alles zu jeder Zeit und von überall her importieren kann. Und egal, wie es produziert wurde. Man hört von kanadischem Weizen mit Glyphosat-Rückständen, der dann einheimischem Getreide beigemischt wird. Die Mehrwerte der inländischen Produkte sind offensichtlich vorhanden, trotzdem steigen die Preise nicht.
Was hat das für Folgen?
Das führt dazu, dass die Wertschöpfung im Pflanzenbau derjenigen aus der Tierhaltung nach wie vor deutlich nachhinkt. Und wenn wir dann als unternehmerische Bauern – Unternehmertum wurde ja von uns jahrzehntelang gefordert – auch Tiere halten, will man sie uns womöglich noch verbieten, anstatt dass man den Pflanzenbau stärkt. Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden – die Bundesverwaltung ist in der Pflicht
Zur Person
Urs Haslebacher (49) aus Lohnstorf BE war 15 Jahre im Vorstand von Suisseporcs tätig und ist seit zwei Jahr Gemeindepräsident von Thurnen BE. Der vierfache Familienvater führt einen Betrieb mit Schweinezucht und -mast. Zudem wird durch Ackerbau (Körnermais, Getreide) ein Teil des Futters selbst produziert. hal
Urs Haslebacher bewirtschaftet in Lohnstorf BE einen Landwirtschaftsbetrieb.
zvg
An welche Rahmenbedingungen denken Sie?
Wichtige Themen sind der Grenzschutz, Deklarationspflichten oder Massnahmen an der Grenze wie zum Beispiel Beprobungen von Lebensmittel. Ich sehe in all diesen Bereichen viel Verbesserungspotenzial.
Nun rufen Sie am 3. Dezember um 13.00 Uhr vor dem BLW und BLV in Bern mit Treicheln und Glocken zu einer sogenannten «Ermahnung» auf. Welche Forderung steht dabei im Vordergrund?
Der Volkswillen muss endlich wahrgenommen und umgesetzt werden. In mehreren Abstimmungen und zuletzt bei der Biodiversitätsinitiative zeigte die Schweiz, dass sie eine einheimische Landwirtschaft will ohne unverhältnismässige Einschränkungen. Nur die Bundesverwaltung und die Politik nehmen diese Anliegen nicht ernst.
Petition des Bauernverbandes forderte höhere Preise
Der Schweizer Bauernverband (SBV) hat im Frühjahr eine Petition mit 65'000 Unterschriften an die vier Detailhändler Coop, Migros, Aldi und Lidl überreicht. Zudem haben sich von Abnehmern 5 bis 10 Prozent höhere Produzentenpreise eingefordert. Dieses Ziel konnte der Bauernverband und die Produzentenverbände realisieren. Es gelang ihnen aber, einige Erhöhungen zu realisieren, so bei der Milch, beim Getreide und den Kartoffeln. Es wird nun interessant sein zu beobachten, ob der SBV die Aktionen der Basis unterstützen wird.
Forderungen der Petition
- Bessere Anerkennung der vielfältigen Rollen der Landwirtschaft, ihres Engagements und ihrer Hauptaufgabe: Die nachhaltige und tierfreundliche Lebensmittelproduktion.
- Keine Sparprogramme auf dem Rücken der Landwirtschaft.
- Erhöhung der Produzentenpreise und eine Preisbildung, die auf den effektiven Kosten basiert.
- Keine neuen Auflagen im Umweltbereich, die nicht entschädigt sind.
- Berücksichtigung der Realität in der Praxis und der Situation der Bauernfamilien.
Die Meldung macht die Runde, dass das BLW auf Pflanzenschutzmittel, Mineraldünger und Importfutter eine Lenkungsabgabe erheben will, d.h. diese verteuern will. Ist diese mögliche Massnahme auch Thema?
Dieses Thema gehört ins grosse Ganze. Wenn man auf diese Art und Weise versucht, die Landwirtschaft dorthin zu bringen, wo man sie haben will, dann habe ich grosse Vorbehalte. Solche Massnahmen beissen sich mit dem Unternehmertum.
Können Sie sich eine weitere Aktion bei der Migros-Zentrale in Zürich vorstellen, die ja neu eine Tiefpreispolitik fährt?
Es ist grundsätzlich in unserem Sinn, wenn die Grossverteiler die Margen senken. Es darf aber nicht zum Preisdumping gegenüber den Bauern führen. Ich wiederhole mich: Es braucht bessere Rahmenbedingungen
beim Grenzschutz und den Deklarationspflichten, und die Spiesse müssen für alle Detailhändler gleich lang sein. In der Pflicht sehe ich die Bundesverwaltung und die Politik. Sie müssen Gegensteuer geben. Wenn wir immer mehr auf Importe angewiesen sind, ist das auch ethisch problematisch.
stehen am Feldrand und schreien.
stehen am Feldrand und schreien.
Wenn ich den schweizer Durchnitslohn auf meine 70 Stundenwoche runter rechne, müssten sich der Produtzentenbreise um 50% anheben. Aber auch den habe ich keinen 13 Monatslohn und eine Presenszeit von 365 Tagen im Jahr.
Das soll dann aber wieder der Staat richten.
Du stehst bei Weitem nicht alleine da, mit der Kontrollwut!
Die anderen haben es nur noch nicht kapiert.
Das Gewebe und die Industrie werden von SUVA und dem Zertifizierung-Irrsinn Vorschrschriften aufgedrückt, die unvorstellbar sind.
Aber von dieser Ecke hört man nie Kritik.
Spannt doch einfach zusammen, denn grundsätzlich haben alle das gleiche Problem!
Dennoch sehe ich das Thema „Unternehmertum“ etwas anders. Die Landwirtschaft hat gemäss Artikel 104 und 104a der Bundesverfassung klare Aufgaben: eine sichere Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und die Pflege der Kulturlandschaft und der dezentralen Besiedlung des Landes.. Diese Aufgaben müssen durch eine gezielte und einfache Agrarpolitik unterstützt werden. Unternehmertum kann ein zusätzlicher Wert sein, allerdings stösst es oft an Grenzen – insbesondere wegen der Raumplanung und der Beschränkungen in der Landwirtschaftszone, die auf die Urproduktion ausgerichtet ist.
Ein weiteres Problem sehe ich in der Verteilung der Direktzahlungen. Es erscheint mir nicht fair, dass vor allem Betriebe, die grosse Flächen bewirtschaften und/oder viele Tiere im Tierwohlprogramm haben, überproportional profitieren. Jeder Betrieb leistet einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung des Verfassungsauftrags, und daher sollten kleine und mittlere Betriebe gezielt gestärkt werden. Direktzahlungen für grössere Betriebe sollten relativ früh durch einen einheitlichen Deckel begrenzt werden. Grössere Betriebe können dank Skaleneffekten und Effizienzsteigerungen auch ohne zusätzliche Direktzahlungen auf weiteren Flächen oder bei zusätzlichen Tieren wirtschaftlich erfolgreich sein. Dies würde sicherstellen, dass die finanzielle Unterstützung vor allem dort ankommt, wo sie zur Umsetzung der gesellschaftlichen Aufgaben der Landwirtschaft am dringendsten benötigt wird.
Die aktuellen Diskussionen zeigen: Es braucht dringend eine offene Debatte innerhalb der landwirtschaftlichen Kreise, etwa über ein DZV-System. Leider scheint der Bauernverband nicht in der Lage zu sein, diese Diskussion zu führen, geschweige denn eine klare Linie zu vertreten. Hier ist eine differenziertere, zukunftsorientierte Betrachtung notwendig.
Dank Grenzschutz und Direktzahlungen können wir eine Landwirtschaft fördern, die den verfassungsmässigen Auftrag erfüllt und zugleich die Wünsche der Bevölkerung berücksichtigt – wie sie in den letzten Abstimmungen (Trinkwasser-, Massentierhaltungs-, Pestizid- und Biodiversitätsinitiative) klar zum Ausdruck kamen. Gleichzeitig bleibt es Betrieben durch unternehmerische Freiheit möglich, mehr Flächen zu bewirtschaften oder grössere Tierbestände zu halten, sofern dies auch ohne zusätzliche Direktzahlungen wirtschaftlich tragfähig ist.
Die Landwirtschaft ist heute viel mehr als nur der Anbau von Pflanzen und die Haltung von Tieren. Sie steht unter massivem Druck, nicht nur gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, sondern auch zusätzliche Standards in Bereichen wie Nachhaltigkeit, Tierwohl, Regionalität und Qualität einzuhalten – oft, um Produkte überhaupt noch erfolgreich vermarkten zu können. Ein Blick auf die Fülle der Labels zeigt, wie vielschichtig diese Anforderungen sind:
Herkunfts- und Regionalitätslabels wie AOP und IGP, Suisse Garantie, „Aus der Region. Für die Region.“ oder regio.garantie heben die regionale Verwurzelung und Schweizer Herkunft der Produkte hervor. Sie verlangen Nachweise über Produktionsmethoden und Herkunftsgebiete.
Nachhaltigkeits- und Biodiversitätsprogramme wie Nature Suisse, IP-SUISSE, SwissGAP, Nachhaltige Früchte oder Hochstamm-Suisse setzen auf ökologische Ausgleichsflächen, schonende Produktion und die Förderung der Artenvielfalt. Programme wie ProSpecieRara oder UrDinkel schützen bedrohte Nutztierrassen und Pflanzenarten.
Biologische Landwirtschaft ist ein anspruchsvolles Segment mit Labels wie Bio Suisse (Knospe), Demeter oder Coop Naturaplan. Sie legen strenge Vorgaben für den Verzicht auf chemische Hilfsstoffe, artgerechte Tierhaltung und die Förderung natürlicher Kreisläufe fest.
Tierwohlstandards wie Natura-Beef, Natura-Veal, Bio Weide-Beef, KAGfreiland oder Swiss Black Angus setzen Maßstäbe in der Haltung von Nutztieren – von täglichem Auslauf über artgerechte Fütterung bis hin zu kurzen Transportwegen und stressfreier Schlachtung.
Qualitäts- und Branchenlabels wie QM-Schweizerfleisch garantieren Verbraucherinnen und Verbrauchern die Einhaltung von Mindeststandards in Verarbeitung und Tierhaltung. Labels wie SwissGreenMilk adressieren den Nachhaltigkeitsaspekt in der Milchproduktion.
Fairer Handel und Konsumethik spielen durch Labels wie claro fair trade oder Fairtrade Max Havelaar eine Rolle, die sozialen und ökologischen Aspekten Rechnung tragen.
Diese Vielfalt zeigt, dass die Landwirtschaft längst keine blosse Nahrungsmittelproduktion mehr ist. Sie muss ökologischen, sozialen und ökonomischen Anforderungen gerecht werden und dabei stets auf die Wünsche von Vermarktern (und Konsumenten) reagieren, die diese Labels fordern. Jeder Produzent, der solche Standards erfüllt, trägt nicht nur höhere Produktionskosten, sondern auch administrative Lasten.
Der sogenannte „Zertifizierungs-Irrsinn“, wie er oft beschrieben wird, ist zunehmend ein Problem. Statt den Produzenten zu helfen, hochwertige und nachhaltige Lebensmittel effizient zu produzieren und vermarkten, schafft er in erster Linie Stellen für Kontrollen, Überprüfungen und die Entwicklung neuer Richtlinien. Jedes zusätzliche Label bringt nicht nur Anforderungen für die Betriebe mit sich, sondern auch eine eigene Geschäftsführung, Büroräumlichkeiten und ein bürokratisches System, das verwaltet werden muss. Diese Strukturen belasten die Landwirte finanziell und administrativ, ohne zwingend einen Mehrwert für die Qualität der Produkte zu schaffen.
Wer bereits nach strengen und etablierten Standards wie ÖLN produziert, erfüllt damit automatisch auch die Kriterien von Labels wie Suisse Garantie oder QM-Schweizer Fleisch. Es sollte nicht notwendig sein, diese zusätzlich separat anerkennen zu lassen, da dies lediglich zu unnötigem bürokratischen Aufwand und Doppelspurigkeiten führt. Die bestehenden Standards sind umfassend genug, und die Harmonisierung solcher Anforderungen ist dringend nötig, um die Landwirte zu entlasten.
Die Vielzahl an Labels und Zertifizierungen führt nicht zu besserer Transparenz oder Nachhaltigkeit, sondern zu immer mehr Bürokratie und zusätzlichen Hürden. Eine Konzentration auf wenige, klar definierte und etablierte Standards (EINFACH: ÖLN, EU-BIO, BIO-KNOSPE UND DEMETER) würde nicht nur den Produzenten helfen, sondern auch den Vermarktern und Konsumenten eine bessere und einfachere Orientierung bieten. Es ist an der Zeit, die Label-Organisationen und ihre Strukturen kritisch zu hinterfragen und den Fokus auf eine vereinfachte, praxisnahe Lösung für die Landwirtschaft zu legen.
Es wäre daher sinnvoll, das Gewerbe, die Industrie und die Landwirtschaft nicht isoliert zu betrachten, sondern die Herausforderungen gemeinsam zu analysieren. Denn wie Sie richtig sagen: Alle haben im Kern ähnliche Probleme. Ein Schulterschluss könnte helfen, die Diskussion über die Sinnhaftigkeit und Praktikabilität von Zertifizierungen voranzutreiben und zu einer Lösung zu gelangen, die sowohl wirtschaftliche als auch ökologische und soziale Belange ausgewogen berücksichtigt.
Grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen
Oder anders ausgedrückt: man holt im Ausland, was in der Schweiz nicht erhältlich ist. Der Bundesrat hat im Anschluss an die Volksabstimmung genau gestützt auf diesen Buchstaben die Verhandlungen über Mercosur aufgenommen. Der SBV hat sich aufgeführt wie Kindergärtner. Ich habe im Vorfeld den SBV mehrfach genau darauf hingewiesen, bis man mir klar gemacht hat, dass man mit mir nicht mehr diskutiert. Spart euch das Gefasel über "Wertschätzung" und "Selbstversorgung". Nix ist damit, man setzt auf Import. Und dieser Artikel kam mit tatkräftiger Unterstützung des SBV in.die Verfassung. Das, was ein Jahr später von Uniterre hätte korrigiert werden wollen, wurde abgeschmettert. Da ist kein "Unternehmertum" gewünscht. Die Bauern werden am Gängelband der DZ geführt, grad so, wie es der Bund für seine Politik braucht.
Sie können es auf Youtube sehen
MC Roger nicht zufrieden ( Fassung mit Untertiteln )
MC Roger pas content
Leider haben die Medien und das Radio nicht darüber gesprochen.Es ist zu ländlich für sie
schweizerbauer.ch können uns helfen, das Lied in der Deutschschweiz bekannt zu machen.
Es wäre eine große Anerkennung für all das Engagement, das wir freiwillig geleistet haben.
Können Sie mir per E-Mail antworten, danke im Voraus