Reto Streit aus Rosshäusern BE lehnt die Initiativen für Fair-Food und Ernährungssouveränität ab. Er findet die aktuellen Rahmenbedingungen für die Landwirte in der Schweiz gut. Wie sieht sein eigener Betrieb aus?
Gast und Hof – so nennen Reto Streit und Ursula Knuchel
Streit ihren Betrieb in Rosshäusern BE. Der Name sei eine Verbindung von
Gasthof und Bauernhof, erklärte Ursula Knuchel der Delegation von Bundesrat
Johann Schneider-Ammann. Gekommen war der hohe Besuch aus dem Bundeshaus, um
gegen die anstehenden Initiativen für Fair-Food und Ernährungssouveränität
Stellung zu beziehen.
Zahlreiche Gäste
Tatsächlich empfängt die Familie Knuchel zahlreiche Gäste.
In den vier Gästezimmern im 250jährigen Bauernhaus, die sie für «Bed &
Breakfast» anbieten, übernachten unter der Woche vor allem Handwerker aus dem
Ausland, am Wochenende Fahrradreisende von der sogenannten Herzroute (Link einfügen: www.herzroute.ch) und
immer wieder auch Touristen, welche die Lage im Dreieck zwischen Bern, Freiburg
und Murten schätzen. Die Zimmer kosten mit Frühstück 50-65 Franken pro Person
und Nacht, ohne Frühstück 40-55 Franken, ab 12 Tagen in Folge 36 bis 45
Franken.
Gäste kommen auch für Seidenraupenführungen und Hofrundgänge
in den Weiler Bärfischenhaus, der ein paar Kilometer westlich der Stadt Bern
liegt und wo von noch vier Landwirtschaftsbetrieben keiner mehr Milch
produziert (Reto Streit lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit und
Nachbarschaft). Gesellschaften bis zu 30 Personen können für ein Familienfest
oder ein Geschäftsessen einen sogenannten «GästeTisch» buchen. Gastgeberin
Ursula Knuchel tischt dann Spezialitäten aus hofeigenen oder regionalen
Produkte auf, z. B. Apfelsaft, Brote aus eigenem Ur-Dinkel oder Salate mit
Quinoa wie am Apéro, das dem Bundesrat angeboten wurde. Ursula Knuchel Streit
kann hier ihre Ausbildung als Hauswirtschaftslehrerin und ihre Erfahrung in der
Hotellerie bestens einbringen.
Bewusst ein vielseitiger
Betrieb
Auch ihr Mann Reto Streit, der den «Hof mit einem damals
schon soliden Fundamt» käuflich von seinen Eltern Annalise und Hans-Ueli
Streit-Brunner übernommen hat, kann seine Ausbildung als Sozialpädagoge auch
auf dem Hof zur Geltung bringen. Neben zwei eigenen Kindern haben
Knuchel-Streits nämlich zwei Pflegekinder in der Familie. Und natürlich ist
Reto Streit auch Landwirt und als solcher an verschiedenen Fronten gefordert.
«Als wir den Betrieb vor zehn Jahren übernahmen, hatten wir das Ziel, ihn zum
Vollerwerbsbetrieb zu machen. Heute ist das erreicht.» Mittlerweile beschäftigt
der Hof sogar noch zehn Teilzeitangestellte.
Bewusst ruht der Hof auf verschiedenen Standbeinen. «Dass
wir vier verschiedene Nutztiere - Galloway-Mutterkühe, Masthühner, Pferde und
Seidenraupen – haben, ist spannend. Da ist immer was los», sagt Reto Streit. Diversifikation
sei ihnen wichtig, das gebe Stabilität, man könne eine schwierige Zeit in einem
der Bereiche überbrücken. «Und es gibt uns auch Zufriedenheit. Das ist wichtig
beim Bauer-Sein», schiebt Streit beim Rundgang mit dem Bundesrat nach.
Galloway-Fleisch
direkt vermarktet
Warum gerade Gallowaykühe? Auf diese Frage sagt Reto Streit,
schon sein Vater habe gerne etwas ausprobiert und habe zur Freude eine einzige
Galloway-Kühe gekauft. Diese sei bei der Hofübernahme Teil des Inventars
gewesen. Als sie sich mit der Zukunft des Hofes befassten, hätten sie
festgestellt, dass diese Rasse ganz gut zu ihnen und zur Ausrichtung des
Betriebs passen würden.
Fortan bauten sie den Bestand bis auf heute 9 Kühe aus.
Dazu kommen zwischen zehn und zwanzig Jungtiere. Geschlachtet werden die Tiere
nicht wie beim Natura-Beef schon mit 10 Monaten, sondern erst nach rund 24
Monaten, und nicht in der Grossmetzgerei Bell, sondern im Nachbardorf. Deshalb
lebt ein Muttertier jeweils mit zwei verschiedenen Generationen von Nachkommen
zusammen.
«Da die
Galloway-Rasse so extensiv und langsam wachsend ist, entsteht auch eine andere
Fleischqualität», erklärt Streit. Verkauft wird das Fleisch ausschliesslich an
eine private Kundschaft, und zwar vorwiegend als 15-Kilogramm-Mischpakete. «Da
gibt es dann eben mehr Hackfleisch als Filet, entsprechend den Anteilen am
Tier». Respekt vor dem Tier sei ihm wichtig, er pflege zu sagen: «Das Tier
schenkt uns das Fleisch.»
Vom «Schweizer Bauer» auf die Versorgung mit eigenem Futter
angesprochen, sagte Streit: «Wir mussten bereits auf Winterfütterung umstellen,
die Weide ist nur noch für die Bewegung da, zu fressen gibt es nichts mehr.»
Wenn es jetzt noch einmal zwei bis drei Wochen trocken sei, werde er Futter
zukaufen müssen. Er versuche auf seinem Betrieb auf zukünftige Trockenphasen
einzustellen, so habe er etwa eine trockenheitsresistentere Kunstwiesenmischung
angesät.
Experimente mit
Quinoa
Auf ihren Ackerflächen baut die Familie Streit-Knuchel
Weizen, Ur-Dinkel und Quinoa nach den Produktionsrichtlinien von IP-Suisse an,
dazu kommen Sonnenblumen. Bei Quinoa sei er seit drei Jahren am
Experimentieren. «Heuer habe ich das erste Mal einen Ertrag», sagte er zum
Bundesrat. Auf 90 Aren hat er 1,7 Tonnen Quinoa geerntet. Bei etwas Neuem könne
es halt zum Totalausfall kommen, meinte er lapidar.
Es heisse ja, man solle 10%
der Arbeitszeit für die Innovation einsetzen. Die bundesrätliche Delegation und
die Medienvertreter konnten nach dem Hofrundgang einen feinen Quinoa-Salat
degustieren. Ebenso gab es Brot mit eigenem Ur-Dinkel.
Umstellung auf Bio
Auf dem Betrieb steht auch eine Hühnermasthalle. Die Tiere
gehen an die Migros (Marke «Optigal»). Doch damit würden sie Ende Jahr
aufhören, sagte Reto Streit. Stattdessen würden in Zukunft Junghennen
aufgezogen. Erhalten würden sie Küken, sobald diese Eier legten, gingen sie an
einen Eierproduktionsbetrieb weiter. Der Hintergrund ist die anstehende
Umstellung auf den Bio-Landbau. «Bio passt besser zu unserem Betrieb und zu
unserer Haltung», erklärte er.
Sie glaubten an eine längerfristig gute
Nachfrage für Bio-Produkte. «Man muss sich überlegen, was in Zukunft gefragt
sein wird. Man muss auch Liebgewordenes über Bord werfen können, wenn es nötig
ist.» Das waren weitere Aussagen im Zusammenhang mit Innovation und der Aufgabe
der Hühnermast. Nach Bio-Standard hätten sie teilweise schon jetzt
gewirtschaftet, z. B. beim Obst im Hinblick auf die Seidenraupenzucht.
7000 Seidenraupen
Die Seidenraupenzucht ist wohl das Speziellste auf dem
Betrieb der Familie Streit-Knuchel. Aktuell würden sie 7000 Raupen halten. Die
gepflanzten 360 Maulbeerbäume hätten ein Produktionspotential von rund 15 kg
Rohseide. Das werde aber noch nicht erreicht, ebensowenig die 20 Franken
Stundenlohn, welche sich die Swiss Silk, die Vereinigung der Schweizer
Seidenproduzenten einst zum Ziel gesetzt habe. «Man muss noch was anderes damit
machen», sagte Reto Streit.
Er meinte, dass ihr Betrieb für die Gäste wegen der
Seidenraupenzucht besonders interessant sei. So können denn die Raupen, die in
einem klimatisierten Raum sein müssen, über zwei grosse Scheiben gut beobachtet
werden. Auch Bundesrat Johann Schneider-Ammann war fasziniert, als er hörte,
dass die Seidenraupen in 25 Tagen ihr Gewicht verzehntausendfachen können.
Der
Austausch unter den rund zwölf Seidenproduzenten in der Schweiz funktioniere
gut, sie würden sich zwei- bis dreimal im Jahr in der Form eines Arbeitskreises
treffen. Übrigens: Wer sich eine ganz besondere Krawatte aus Schweizer Seide
kaufen will, kann dies direkt auf dem Hof tun.
Zur Attraktivität des Hofes tragen im Weiteren ein Lama und
ein Alpaka bei, ebenso sechs Pensionspferde (Offenstall), ein Haflinger Pferd,
ein Hund und eine Katze bei. Der schön gestaltete Garten lädt
«Bed&Breakfast»-Gäste zum Verweilen ein.
Für die Zukunft
zuversichtlich
Reto Streit zeigte sich zuversichtlich für die
Zukunft. «Für Produkte mit höherer Qualität werden wir auch einen genügend
hohen Preis erhalten.» Probleme werde es immer geben, aber die gebe es in jeder
Branche. Der Staat müsse die Rahmenbedingungen so setzen, dass innovative
Projekte in der Landwirtschaft durchgezogen werden könnten.
Es sei gewisse
Freiheit nötig, damit sich Betriebe entwickeln könnten. Streit sprach
ausdrücklich die Bodenmobilität an – weitergeführte Betriebe sollen das Land
von aufgegebenen Betrieben übernehmen können. Mit der Uniterre-Initiative «wäre
das nicht mehr so gut möglich», so Streit. Beide Initiativen, sowohl die Fair-Food-Initiative
als auch diejenige für Ernährungssouveränität von Uniterre, kommentierte Streit
wie folgt: «Das ist überflüssig, wir brauchen das nicht. Die aktuellen
Rahmenbedingungen für die Schweizer Landwirtschaft sind gut.»