Yves Branchi stellt aus Baumnüssen Likör her. Damit führt er eine lange Tradition fort. Gleichzeitig will er anderen Schweizer Alkohol-Produzenten eine Plattform geben und hat das Swiss Craft Spirits Festival organisiert.
«Bist du noch Jungfrau und willst einmal mit mir Nüsse pflücken?» Es kann vorkommen, dass Yves Branchi an Messen diese Fragen stellt. Was zunächst als anzüglich, unangebracht oder belästigend verstanden werden kann, reicht weit zurück und gehört zum Tessiner Brauchtum. Die Frage steht in Zusammenhang mit Noos, einem Likör aus unreifen Baumnüssen, den Branchi produziert und an Messen an den Mann oder eben an die Frau bringen will.
Tessiner Tradition
«Noos leitet sich ab vom Wort ‹Nos›, was im Tessiner Dialekt ‹Nuss› bedeutet», erklärt Branchi. Für den Likör werden Baumnüsse mit verschiedenen Gewürzen und Schweizer Zucker in Tessiner Grappa eingelegt. Während vierzig Tagen wirkt der Alkohol auf die Nüsse ein und das besondere Getränk entsteht. Diesen Likör, den Nocino, gibt es im Tessin schon lange. Und die Gewinnung seiner Rohstoffe geht auf einen keltischen Brauch zurück.
Der Likör gelinge nur, wenn die Nüsse in einer Nacht rund um die Sommersonnenwende von barfuss gehenden Frauen von Hand gepflückt werden. Die Frauen sollen Jungfrauen sein. «Mit dem letzten Punkt nehme ich es nicht so genau», sagt Branchi und lacht. Das mit der Nacht im Juni stimme aber. In der Dunkelheit pflücken sie die Nüsse. Die meisten Bäume gehören Bauern, die froh sind, wenn jemand die Ernte übernimmt und die kaum Geld für die Nüsse wollen. In einzelnen Fällen bezahlt Branchi ihnen einen angemessenen Preis, wie er sagt.
Junge ansprechen
Später wird der Likör in Flaschen abgefüllt. Früher machte Branchi das auch in der Nacht. So sei es gelungen, dem Likör «die mythische Energie der Nacht einzufangen». Der wohne ihm aber auch heute noch inne. Der junge Mann kennt sich aus mit Marketing. Er hat in diesem Bereich unter anderem bei Nestlé gearbeitet. Er weiss, was eine gute Geschichte rund um ein Produkt ist und dass es sie braucht. Und er setzt sich dafür ein, dass die Traditionen nicht verloren gehen.
Der traditionelle Tessiner Likör kommt deshalb nun mit dem modernen Namen und mit einer stylischen Etikette daher. Er soll auch ein jüngeres, urbaneres Publikum erreichen. Branchi setzt seinen Likör über einen Onlineshop ab, und er ist in verschiedenen Läden in der ganzen Schweiz erhältlich. Branchi trifft man zudem oft an Messen. Mit seinem Geschäftspartner Joe Nyfeler organisiert er sogar selbst eine.
Das Swiss Craft Spirits Festival. Es findet am 13. und 14. Oktober in Basel statt. Dort dreht sich alles um handgefertigte Schweizer Spirituosen.

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Eine Box voller Schnaps
«Eigentlich sollte ich ja keinen Anlass organisieren, an dem ich meiner Konkurrenz eine Plattform biete», sagt Branchi und lacht. Nein, nein. Ihm sei es wichtig, den Markt zu stärken und anderen innovativen Herstellern eine Chance zu geben.
Innovativ zeigte sich Branchi auch während Corona. Als das Festival zwei Mal in Folge nicht stattfinden konnte, kamen er und seine Partner auf die Idee, je eine Flasche von jedem Aussteller in eine Box zu packen und diese zu verkaufen und zu verschicken. «Mit der Craft Distillers Box kamen die Schweizer Spirituosen auch während Corona direkt zu den Leuten», sagt Branchi.
Die Box war ein Erfolg. Deshalb ist sie auch heute noch bestellbar. Darin befinden sich 25 nummerierte 2-cl-Fläschli mit Schweizer Wodka, Gin, Whisky, Fruchtbränden, Absinth und verschiedenen Likören drin. Nebst jenem von Branchi findet sich in der Box zum Beispiel ein Apérogetränk aus Enzianwurzeln, das drei Brüder aus Souboz im Berner Jura herstellen.
Edelwhite Gin ist ebenfalls in der Box. Das ist ein Gin, in dem sich unter anderem Kräuter von der Genossenschaft Entlebucher Kräuter befinden, für die 15 Bauernfamilien Kräuter anbauen. Wahrscheinlich nicht in der Nacht und wohl auch nicht barfuss.

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