Acht Bäuerinnen aus vier K ontinenten sind auf einer Reise durch die Schweiz und besuchen bäuerliche Familienbetriebe. Am Donnerstag waren sie zu Gast auf dem Hof bei Irene Röthlin im Kanton Obwalden.
Von den trockenen Feldern ihrer Heimat auf eine saftig grüne Alp in Obwalden. Für die zwei Bäuerinnen aus Tschad, die auf Einladung von Swissaid am Donnerstag den Hof von Irene Röthlin in Kerns besuchten, hätte der Kontrast nicht grösser sein können. Doch die 48-jährige Momini Serrobé und die 49-jährige Dorcas Ndigueroim zeigten sich nicht nur beeindruckt von Wasserfällen und steilen Berghängen.
Was sie an den Schweizer Bauernhöfen besonders interessant fanden, war, wie gut organisiert und zielgerichtet die Produktion ausgerichtet ist. «Wir halten zwar auch Rinder, aber in erster Linie, damit sie den Pflug oder den Wagen mit der Ernte ziehen», sagt Momini Serrobé. Wie zielgerichtet viele Höfe in der Schweiz auf die Milchproduktion ausgerichtet sind, hatte bei der Mutter von acht Kindern einen tiefen Eindruck hinterlassen. «Ich möchte gerne etwas von dem, was ich hier sehe, auch bei mir zu Hause umsetzen», sagte sie.
Bevor Swissaid sie zum Bäuerinnen-Dialog in die Schweiz einlud, hat Serrobé ihre Heimat noch nie verlassen. Auf ihrem fünf Hektar grossen Hof im Süden des Tschads baut sie mit ihrer Familie vor allem Mais, Sorghum, Reis, Bohnen, Okra, Erdnüsse und Soja an. Für ihre Schweizer Kolleginnen hatte die Bäuerin eine grosse Auswahl ihrer Produkte mitgebracht. Dabei gab Serrobé beredt Auskunft darüber, wie sie ihre Produkte anbaut, erntet und von Hand verarbeitet.
Die Stützen der Familien
Im UNO-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe lud Swissaid acht Frauen aus Kolumbien, Tschad, Myanmar und aus Kanada in die Schweiz ein, wo sie Bäuerinnen auf Höfen von Genf bis St.Gallen besuchten und sich mit ihnen austauschten. Trotz der gewaltigen Unterschiede gab es auch Gemeinsamkeiten. «Frauen sind die Stützen der Familienbetriebe auf der ganzen Welt und leisten einen grossen Beitrag zur Entwicklung im ländlichen Raum», sagt Mediensprecher Lorenz Kummer. «Dabei ist es für die Bäuerinnen überall wichtig, sich zu organisieren und zu vernetzen.» Auch wenn es um Innovation gehe, könnten sie voneinander lernen.
Swissaid hat Frauen ausgesucht, die in ihrer Heimat Bauern- oder Bäuerinnenorganisationen vorstehen und sich für Verbesserungen engagieren.
Schweren Stand
Irene Röthlin, die am Dorfrand von Kerns Milchkühe hält und Schweine aufzieht, war von der Energie und der Neugierde ihrer afrikanischen Kolleginnen beeindruckt. Zum Austausch auf ihren Hof hat sie eingeladen, weil sie es «immer spannend findet, den Blick über die eigene Welt hinaus zu öffnen». Gerade die Afrikanerinnen hätten in ihrer Heimat einen sehr schweren Stand. «Das Land gehört den Männern, die Arbeit machen die Frauen. Wenn sie etwas verkaufen, streichen die Männer den Erlös ein», hat sie von den Bäuerinnen aus dem Tschad gehört. «Zu sehen, wie diese Frauen trotzdem den Mut haben, sich hinzustellen und zu kämpfen, finde ich extrem beeindruckend», so Röthlin.
Wie wichtig es ist, dass Frauen sich organisieren, weiss die ehemalige Präsidentin der Landfrauen Obwalden. Zusammen mit anderen Bäuerinnen und Landfrauen hat sie eine Apéro-Gruppe gegründet. Seit sieben Jahren verköstigen die Frauen als GmbH grössere Gruppen mit Apéros aus lokalen Produkten. «Das schafft nicht nur ein Zusatzeinkommen, sondern ermöglicht den Frauen, aus ihrem Alltag herauszukommen und sich miteinander auszutauschen», erklärt Röthlin.
Innovative Ideen für ein Zusatzeinkommen sind auch in der Heimat der kolumbianischen Bäuerin Martha Cecilia Pinto Senejoa gefragt. Zusammen mit ihren beiden Töchtern bewirtschaftet sie 0,6 Hektaren Land auf 3000mü.M., wo sie Mais, Kartoffeln und Hülsenfrüchte anbaut. Der Mann von Senejoa arbeitet unter Tage in einer Kohlemine. Nach der Schicht ruht er sich kurz aus und hilft dann auf dem Feld.
Eigener Kompost
Mit der Hilfe von Swissaid konnten die Senejoas ein Gewächshaus bauen, wo sie jetzt auch im Winter Tomaten, Zucchetti, Kürbisse und Blumenkohl anbauen. Die jüngere Tochter hat als neues Anbauprodukt die Quinoa-Pflanze eingeführt. Ausserdem haben die Senejoas von Swissaid gelernt, ihren eigenen Kompost herzustellen, um die Felder fruchtbarer zu machen.
Das Thema Bodenfruchtbarkeit brennt auch den Bäuerinnen aus dem Tschad unter den Nägeln. Wie viel Mist und Jauche die Schweizer Bauern zum Düngen auf ihre Felder ausbringen, hat Serrobé und Ndigueroim beeindruckt. «Unser Land reicht nicht aus, um mehr Vieh zu halten», sagt Serrobé. «Und den Mais, der hier an Kühe und Rinder verfüttert wird, brauche ich für meine Familie. Sie möchte auch lernen, wie sie aus organischen Abfällen Kompost herstellen kann, um ihre Felder wieder fruchtbarer zu machen.
Bäuerinnendialog
Bäuerinnen aus Kolumbien, Tschad, Myanmar (Burma) und Kanada reisen während zwei Wochen von Genf nach St.Gallen und besuchen Schweizerinnen auf ihren Höfen. Sie berichten über den Bäuerinnen-Alltag in ihrer Heimat und diskutieren über Ökologie in der Wüste, den Anden und den Alpen.