Die Sommer-Leserreise führte nach Norwegen, in das Land der Mitternachtsonne. An den Ufern der Fjorde trägt ein mildes und ausgeglichenes Klima dazu bei, dass nebst kräftigem Gras auch Obst und Beeren gedeihen.
Von der schönsten Seite zeigte sich die Stadt Bergen, als die Gruppe der «Schweizer Bauer»-Leserreise dort ankam. Wer davon ausging, dass es dort jeden Tag regnet, wurde von der ersten Stunde an eines Besseren belehrt.
Bergen: Heimliche Haupstadt
Kein Tropfen Regen während der Zeit, da sich die Schweizerinnen und Schweizer in der Hafenstadt an der Nordsee aufhielten. Dafür eine interessante Führung durch die Hansestadt, welche als «heimliche Hauptstadt Norwegens» gilt und ein Unesco-Weltkulturerbe ist.
Wie unzählige andere Städte und Dörfer in Norwegen wurde auch Bergen von verheerenden Bränden nicht verschont, welche durch die typischen Holzbauweisen der Häuser extrem begünstigt wurden. Das Hafenviertel «Bryggen», das bei den Stadtbränden mehrmals niederbrannte, wurde nach jeder Zerstörung nach originalen Plänen wieder aufgebaut.
Wo sind denn die Schafe?
Schmal, kurvenreich und steil war die Strasse, die sich zu dem Betrieb mit 220 Spael-Schafen hinaufschlängelte. Eine wahre Herausforderung für den Bus-Chauffeur Geir Arne. Der Empfang durch die typische Norwegerin Ingunn Teigland war unkompliziert und herzlich. Der Stall war sauber geputzt, «aber wo sind denn die Schafe?», fragten sich die Besucherinnen und Besucher wie aus einem Munde! Die Antwort liess nicht lang auf sich warten: «Die Schafe sind in den Sommerferien», entschuldigte sich die Schafhalterin, «sie wurden ins Gebirge transportiert, rund 20 Kilometer von hier auf die Alm Kjerringadalen.»
Ingunn Teigland hat sich aber seriös auf den Besuch aus der Schweiz vorbereitet: Sie schleppte Strohballen als Sitzgelegenheiten in den Schafstall, und hatte, in deutscher Sprache, eine sehr ausführliche PowerPoint-Präsentation zusammengestellt.
So war zu erfahren, dass sich drei Bauernfamilien, deren Ställe baufällig waren, zusammentaten und als Betriebsgemeinschaft den sehr tierfreundlichen, zweckmässigen und modernen Schafstall oder die Halle bauten. «Obwohl es eine Stange Geld kostete, hat sich diese Investition gelohnt, und es ist eine ideale Lösung für alle Beteiligten», erzählt sie.
Wolf hat nichts zu suchen
Hellhörig wurden die Zuhörerinnen und Zuhörer beim Thema Raubtiere. Ingunn Teigland machte kein Geheimnis daraus, dass auch der Wolf und der Bär ein grosses Problem in Norwegen sind. «Aber hier bei uns, im Fylke (bei uns Kanton) Hordaland haben weder der Wolf noch der Bär etwas zu suchen», erklärte sie klipp und klar. Und: «Sollte sich ein Wolf, Bär oder Luchs in den Westen von Norwegen verirren, muss er es mit dem Leben bezahlen.» Sie gab aber zu bedenken, dass die Raubtiere im Osten, das heisst an der Grenze zu Schweden, geschützt sind.
Nicht weniger steil und kurvenreich war die Anfahrt zu der Betriebsgemeinschaft «Kjosås og Stuve Samdrift». Zu dieser haben sich vier Familien zusammen geschlossen. Im Freilaufstall sind 160 Milchkühe der Rasse «Norsk Rødfe» (NRF), eine typische norwegische Milchviehrasse. Das Kontingent ist im Laufe der Jahre auf 425'000 Liter angestiegen. Der Stall wurde im Jahr 2006 total umgebaut und modernisiert, und von dort hat man eine fantastische Aussicht auf den Hardangerfjord.
Leider verschönert die herrliche Wohnlage nicht die Tatsache, dass auch die norwegischen Milchbauern grossen Herausforderungen ausgesetzt sind. Mit der Gründung der Betriebsgemeinschaft sahen die vier Familien eine Zukunft und hoffen, dass so auch ihre Nachkommen der Milchwirtschaft treu bleiben werden.
Glückliche Kühe
Ganz anders sowohl von der Topografie und der Philosophie her der Einmann-Betrieb von Hans Arild Grøndalen, etwa eine Autostunde nordöstlich von Oslo. Der Biobauer ist überzeugt: «Glückliche Kühe haben ein Glänzen in den Augen, und das wirkt sich auch auf die Qualität der Milch aus!» Das Wohl seiner Tiere liegt ihm sehr am Herzen. Deshalb dürfen die 19 Milchkühe während zwei Monaten ihre Kälblein bei sich behalten.
Die gute Milchqualität ist ihm sehr wichtig, weil er pro Woche von rund 300 Kilo Milch in der hofeigenen Milchverarbeitungsanlage «Nyr» herstellt. Zwar nennt der Norweger «Nyr» Käse, aber bei der Degustation stellte sich heraus, dass es sich viel mehr um eine Quark-ähnliche Spezialität handelt.
Im Jahr 2007 startete Grøndalen mit der Frischkäse-Produktion und konnte 1800 Kilo ab Hof vermarkten. Er machte kein Geheimnis daraus, dass er im Jahr 2013 rund 7000 Kilo «Nyr» an Gourmet-Restaurante und Grossverteiler ausliefern kann. «Während fünf Jahren habe ich herumtelefoniert, bis ich meinen Kundenstamm zusammen hatte», gibt er zu bedenken, und fügte mit bescheidenem Stolz an, «sogar ins königliche Schloss kann ich ‹Nyr› liefern!»
Aus eigener Produktion
Das milde Klima am Hardangerfjord ist eine Existenz für viele Obstbauern. Über 40 Prozent der landesweiten Produktion an Äpfeln, Birnen, Pflaumen und Kirschen werden in der Region produziert und vermarktet. Ein Beispiel ist der «Steinsø Fruktgard», ein Familienbetrieb im wahrsten Sinne, der jetzt in der Führung der achten Generation liegt.
Nebst Obst werden an den steilen Hängen auch Erdbeeren und Himbeeren angepflanzt. Alles, was auf dem Betrieb geerntet wird, wird auch selber vermarktet und veredelt.
Rund hundert Meter unterhalb des Hofes, direkt am Fjord und an der Hauptstrasse, hat die Familie ein kleines Kaffee mit integriertem Hofladen eröffnet. Dort werden im Sommer frischen Beeren und Früchte oder hausgemachte Konfitüren und Apfelsaft verkauft. Aber auch auf der Menükarte des kleinen Tea-Rooms stehen verschiedene Apfelkuchen, und andere Spezialitäten aus den hofeigenen Produkten.
Das grösste Früchtelager
Auf der anderen Seite des Fjords taten sich 150 Obstproduzenten zusammen und gründeten die «Fjordfrukt BA», das grösste Früchtelager in Norwegen. Die Produzenten liefern ihre Beeren, Kirschen, Pflaumen, Äpfel und Birnen dort ab, wo sie sortiert, verpackt und ausgeliefert werden. Mit Erfolg vermarkten die Produzenten ihre Früchte und sind sich einig, dass sich die Investitionen in diese Anlage gelohnt haben.