Das neue EU-Freihandelsabkommen mit Kanada trifft bei Branchenvertretern in der EU auf grundsätzliche, aber nicht uneingeschränkte Zustimmung. Kritisiert wurden insbesondere Zugeständnisse über Importquoten von 50000 t masthormonfreiem Rindfleisch und 75000 t Schweinefleisch.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht nach einer ersten Bewertung Licht und Schatten. Zwar ergäben sich für die Milch- und Weinmärkte gute Absatzchancen, ebenso für höher veredelte Produkte, aber auf die europäischen Fleischmärkte, insbesondere für die Sektoren Rind und Schwein, könnten Belastungen zukommen, erklärte der DBV vergangene Woche in einer Stellungnahme. Jetzt komme es darauf an, dass die europäische Agrarwirtschaft ihre Chancen auf dem kanadischen Markt bestmöglich nutze.
Der DBV erinnerte daran, dass im Agrarkapitel des Handelsabkommens für die sogenannten sensiblen Produkte beider Seiten - beispielsweise Milchprodukte, Schweine- und Rindfleisch - zollfreie Tarifquoten vereinbart wurden. Die Getreidemärkte würden nach einer Übergangszeit von sieben Jahren vollständig liberalisiert. Für Wein sowie für höher veredelte Produkte wie Kekse, Kuchen, Nudeln und Schokolade sei ein unmittelbarer Freihandel beschlossen worden. Die europäischen Qualitätsstandards würden von der kanadischen Seite vollständig anerkannt. Dies verhindere Wettbewerbsnachteile bei offeneren Märkten. Ferner hätten die Kanadier zugestimmt, alle in Europa geschützten Ursprungsbezeichnungen zu respektieren.
Marktstörungen vermeiden
Der Präsident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA), Albert Jan Maat , nannte die Anerkennung der EU-Produktions- und Qualitätsstandards einen Schritt in die richtige Richtung. Kanada sei der erste große Handelspartner, der das Prinzip der EU-Systems zu geographischen Angaben mit einigen Einschränkungen anerkenne. Im Schweine- und Rindfleischsektor gehe das Abkommen jedoch über den letzten Stand der Doha-Runde hinaus. „Wir müssen sicherstellen, dass es nicht zu Marktstörungen im Fleischsektor kommt“, so Maat. Der Präsident des EU-Ausschusses der landwirtschaftlichen Genossenschaften (COGECA), Christian Pèes lehnte einen größeren Marktzugang für kanadisches Rind- und Schweinefleisch ab. Er rief Rat und Europaparlament auf, diesen Punkt vor der Ratifizierung des Abkommens zu überprüfen.
Milchmarkt weiter dynamisch
Lob kam vom EU-Milchindustrieverband (EDA). Die Branchenvertreter gratulierten den Unterhändlern für ihre Arbeit. Die Marktöffnung werde sich für beide Handelspartner günstig auswirken. Das Einräumen eines Zollkontingents von 18 500 t Käse für den kanadischen Markt wertet der EDA als positiven Schritt, auch wenn diese Menge nur etwa 0,3 % der jährlichen EU-Käseproduktion ausmache. Gleichzeitig rief der Verband zur Wachsamkeit auf, auf welche Weise die kanadischen Behörden die Importlizenzen verteilten. EDA-Generalsekretär Alexander Anton sieht im Abkommen eine Bestätigung, dass die Kommission dem Milchsektor auch in Zukunft Wachstumschancen einräumt. „Wir sind zuversichtlich, dass die Kommission die Dynamik des europäischen Milchsektors durch künftige, auch handelspolitische Maßnahmen unterstützt“, so Anton.
Wichtiger Exportmarkt
Auch der EU-Dachverband der Ernährungswirtschaft (FoodDrinkEurope) signalisierte Zustimmung. Kanada rangiere auf Platz acht der wichtigsten Exportmärkte für EU-Nahrungsmittel. Man begrüße sowohl die vorgesehene Abschaffung von 99 % der Zölle auf beiden Seiten als auch die Anerkennung geographischer Angaben. Vom Abbau technischer Handelsschranken verspricht sich der Verband mehr Transparenz und einen leichteren Marktzugang. FoodDrinkEurope-Präsident Jésus Serafín Pére z : „Die Vereinbarung hat das Potential, Wachstum und neue Gelegenheiten für die europäische Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie zu schaffen.“
Kanadier trinken europäischen Wein
Wie aus Zahlen der Kommission hervorgeht, exportierten europäische Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft im vergangenen Jahr Waren im Wert von 2,85 Mrd Euro nach Kanada. Ein großer Teil davon entfiel auf Wein und Spirituosen, zusammen fast 1,07 Mrd Euro. Weitere wichtige Exportprodukte waren Eiskrem, Schokolade und Süßwaren, Zubereitungen auf Mehl- und Stärkebasis, Bier, Käse, Obst- und Gemüsezubereitungen, Kaffee und Tee sowie Olivenöl. Die EU selbst bezog 2012 aus Kanada Nahrungsmittel im Wert von 1,84 Mrd Euro, vor allem Sojabohnen und weitere Ölsaatenprodukte, Weizen sowie Gemüse. Der Wert der Fleischeinfuhren belief sich auf etwa 35 Mio Euro, davon 6 Mio Euro für Rindfleisch. Der Großteil der Fleischimporte entfiel auf Spezialitäten jenseits der üblichen Kategorien von Schweine-, Geflügel-, Schaf- oder Ziegenfleisch. Das dürfte sich mit den jetzt gewährten Zollquoten ändern.