Trotz nächtelanger Bemühungen von Diplomaten liegt für die Welthandelskonferenz auf Bali kommende Woche kein unterschriftsreifes Abkommen vor. «Wir hätten in Genf auch noch zwei weitere Wochen beraten können, ohne es zu schaffen», räumte WTO-Chef Roberto Azevêdo am Dienstag in Genf ein.
Man sei einer Einigung aber sehr nahe gekommen, sagte er. Er forderte die zuständigen Minister der 159 WTO-Mitgliedsländer dazu auf, sich an der Konferenz in Indonesien für ein Abkommen einzusetzen.
In der letzten Vorbereitungsrunde im WTO-Generalrat - dem höchsten Gremium der Handelsorganisation zwischen den Weltkonferenzen auf Ministerebene - ging es um das sogenannte Bali-Paket. Über einige der darin vorgesehenen Reformen hatten sich die Diplomaten in den letzten zehn Wochen bereits verständigen können. Dazu gehören etwa Absprachen über eine schrittweise Reduzierung direkter und versteckter Agrarsubventionen.
Keine Einigung gab es dagegen bei angestrebten Handelserleichterungen wie dem Bürokratieabbau in der Zollabwicklung. Laut Azevêdo haben neue Vorbehalte in letzter Minute sowie der Rückzug von Zusagen durch einige Länder Hoffnungen auf ein unterschriftsreifes Abkommen für Bali zunichtegemacht.
21 Millionen neue Jobs
Zu den umstrittenen Punkten soll nun bei der Konferenz auf der indonesischen Insel Bali vom 3. bis 6. Dezember ein Kompromiss gefunden werden. Die Verhandlungen dürften nicht leicht werden, sagte Azevêdo. «Obwohl wir bei den meisten Verhandlungspunkten Spielraum für eine Einigung erkennen, gibt es noch viele Hindernisse.»
Der Brasilianer warnte vor den Auswirkungen eines Scheiterns der Verhandlungen in Bali. «Die Unterzeichnung eines Abkommens würde die Weltwirtschaft mit Hunderten von Millionen Dollar stimulieren», betonte er.
Von einem mittlerweile ungewissen Durchbruch versprechen sich Experten einen Investitionsschub für die gesamte Weltwirtschaft im Umfang von 960 Mrd. Dollar. Dadurch könnten nach Berechnungen der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris 21 Millionen neue Jobs entstehen, 18 Millionen davon in Entwicklungsländern.
Die Ministerkonferenz auf Bali wird als vielleicht letzte Chance gesehen, die Doha-Verhandlungsrunde über den Abbau internationaler Handelsschranken wiederzubeleben. Diese Verhandlungsrunde hatte 2001 in Katar begonnen.