Forscher der Weltgesundheits-organisation (WHO) haben Dieselabgase aus Autos und Maschinen als krebserregend eingestuft. Autobauer in Deutschland kritisierten am Donnerstag, die Untersuchung basiere auf Emissionswerten alter Dieselmotoren ohne Filtersysteme.
«Heute hat die Internationale Agentur für Krebsforschung Dieselabgase als krebserregend für Menschen klassifiziert», heisst es in einer Mitteilung der IARC, die zur WHO gehört, vom Dienstag.
«Wissenschaftlicher Beweis ist überzeugend»
Die Forschungsgruppe sei «übereinstimmend» zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Diesel-Abgase bei Menschen Lungenkrebs erzeugen, sagte der Leiter einer entsprechenden Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon, Christopher Portier.
Die Ergebnisse wurden nach einwöchigen Erörterungen der Studie durch internationale Wissenschaftler in Lyon vorgestellt. «Der wissenschaftliche Beweis ist überzeugend», betonte Portier Abgesehen von «hinreichenden Beweisen» für die Verursachung von Lungenkrebs gebe es Hinweise darauf, dass Dieselabgase zu Blasenkrebs führen könnten.
Gefahr durch Einatmen gering
Zwar räumen die Wissenschaftler ein, dass die Gefahr einer Krebserkrankung durch das Einatmen von Abgasen eher gering sei. Jedoch müsse bei Menschen, die oft und - teils auch beruflich bedingt - intensiv Dieselabgase inhalieren, von einer direkten Verbindung zu Lungenkrebs ausgegangen werden.
Angesichts solch grundsätzlicher Gefahren durch Diesel fordern die IARC-Wissenschaftler: «Weltweit muss der Kontakt mit dieser Mixtur von Chemikalien reduziert werden.» Bislang seien aber «grosse Bevölkerungsteile im täglichen Leben Dieselabgasen ausgesetzt, sei es durch ihren Beruf oder die Umgebungsluft».
IARC-Chef Kurt Straif schätzt laut der «Süddeutschen Zeitung», dass die Gefahren selbst bei Berufskraftfahrern eher mit jenen des Passivrauchens vergleichbar sind, während das Risiko für Strassenpassanten niedriger liege. Dennoch empfehlen die Forscher weitergehende und genauere Studien.
Schadstoffemissionen gesunken
Gemäss Angaben der Autoindustrie und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) sind die Schadstoffemissionen bei Dieselmotoren in den letzten Jahrzehnten allerdings immer mehr zurückgegangen, während die Motoren leistungsfähiger wurden. Neben dem günstigeren Tankstellen-Preis in Deutschland im Vergleich zu Benzin ist dies für viele Autokäufer ein wichtiges Argument.
Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) hiess es am Donnerstag, die Lyoner Forscher hätten veraltete Motoren untersucht: «Diese über acht Jahre alten Motoren repräsentieren in keiner Weise die heute im Markt vorhandene fortschrittliche Dieseltechnologie.»
Neuwagen der ab 2014 verbindlichen Schadstoffklasse Euro 6 stossen laut VDA 98 Prozent weniger Partikel, flüchtige Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid aus als Fahrzeuge vor Einführung der Abgasnorm vor 20 Jahren. Bei Stickoxiden betrage der Rückgang 75 Prozent.
Benzin «möglicherweise krebserregend»
Die IARC forscht der Mitteilung zufolge auch weiter nach möglichen Krebsgefahren durch Benzin. Sie verwies darauf, dass sie Benzin bereits 1989 als «möglicherweise krebserregend» klassifiziert hatte. An dieser Einstufung habe sich durch neuere Forschungen nichts geändert, so dass Benzin im Gegensatz zu Diesel bislang nicht definitiv als krebserregend eingestuft werde.
Die Studie der IARC zur Krebsgefahr durch Diesel wurde durch die US-Umweltschutzbehörde und der kalifornischen Behörde für die Reinhaltung der Luft (CARB) finanziert.