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Warum das Benzin plötzlich billiger wird

Polens Autofahrer können sich freuen. In den Wochen vor der Parlamentswahl am 15. Oktober verkauft der staatlich kontrollierte Mineralölkonzern Orlen Benzin und Diesel weit unter Marktpreis.

So gross ist der Run auf die Tankstellen, dass mancherorts sogar vorübergehend der Sprit knapp wurde. Benzin ist aktuell bis zu 60 Cent (58 Rp.) pro Liter billiger als etwa im benachbarten Deutschland.

Wahlkampfhilfe

Die Opposition in Warschau schäumt vor Wut. Die Dumping-Preise seien Wahlkampfhilfe für die nationalkonservative PiS, empörte sich ein Abgeordneter der Linken. Auch Wirtschaftsfachleute vermuten einen Zusammenhang. Orlen-Chef Daniel Obajtek ist Mitglied der PiS – so wie mittlerweile viele, die in Polen eine Schlüsselposition innehaben.

Seit acht Jahren dominiert die Partei Prawo i Sprawiedliwosc («Recht und Gerechtigkeit») Polen. Laut Umfragen könnte sie aus der Wahl erneut als stärkste Kraft hervorgehen. Vermutlich wird sie für eine Regierungsbildung aber die ultrarechte Konfederacja als Koalitionspartner benötigen. Das liberalkonservative Oppositionsbündnis Bürgerkoalition (KO) von Donald Tusk hat noch Chancen, die PiS zu schlagen – müsste sich aber mit zwei weiteren Parteien auf eine Koalition einigen.

Autoritäre Tendenzen

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Polens Rolle als Nato-Partner und wichtigem westlichen Verbündeten Kiews aufgewertet. Gleichzeitig befürchten viele im Land: Sollte die PiS ein drittes Mal in Folge siegen, könnten sich die autoritären Tendenzen verstärken.

Auch in Brüssel gibt es die Sorge, dass Polen gemeinsam mit der Slowakei und Ungarn künftig einen Block bilden könnte, der demokratische Prinzipien ignoriert und Integrationsbestrebungen ablehnt. Die deutsche SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katharina Barley, warnt bereits vor einem «ungarischen Modell» in Polen. Die PiS wolle, wie die Regierungspartei Fidesz in Ungarn, «nie wieder von der Macht verdrängt werden», sagte sie Web.de.

Dauerkonflikt mit Brüssel

PiS hat Polen seit 2015 grundlegend umgekrempelt. Ihr «Prezes» und Chefstratege Jaroslaw Kaczynski hat dabei wichtige Stellschrauben so gedreht, dass seine Partei sich möglichst lange an der Macht halten kann. Die PiS kontrolliert die Justiz, die Zentralbank, den nationalen Rundfunkrat, die öffentlich-rechtlichen Medien und viele Konzerne mit Staatsbeteiligung – wie etwa Orlen.

Die 2015 eingesetzte Präsidentin des Verfassungsgerichts, die Juristin Julia Przylebska, ist eine enge Vertraute Kaczynskis. «Eine wirklich nette Person, ich bin gerne bei ihr zu Gast», schwärmte der 74-jährige Junggeselle.

Przylebskas Gericht entscheidet regelmässig im Sinne der PiS. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Wegen des Umbaus des Justizsystems ist Polen in einem Dauerkonflikt mit Brüssel. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eröffnet. Sie sieht die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten gefährdet. Deshalb hält sie milliardenschwere Corona-Hilfen für Polen zurück.

Höhere Kinderzulage

Dass die PiS bei vielen Polen so beliebt ist, verdankt sie vor allem dem Ausbau des Sozialstaates. Seit 2016 gibt es Kindergeld in Höhe von 500 Zloty (umgerechnet etwa 105 Franken) pro Kind. Vor der Wahl wurde der Betrag nun auf umgerechnet 167 Franken erhöht.

Polens Rentner haben seit 2020 Anspruch auf eine jährliche einmalige Sonderzahlung in Höhe der Minimalrente, die sogenannte «13. Rente». Eine sogenannte «14. Rente» für Senioren mit geringen Altersbezügen wurde im September ausgezahlt – dem Monat vor der Wahl.

Restriktives Abtreibungsrecht.

Mit Frauenrechten sieht es dagegen düster aus. Seit einem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts 2021 gilt ein restriktives Abtreibungsrecht. Frauen dürfen auch dann keinen Abbruch vornehmen, wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen aufweist. Immer wieder sorgen Fälle für Empörung, bei denen schwangere Frauen während einer Krankenhausbehandlung starben, nachdem sich die Ärzte trotz Komplikationen nicht für eine Abtreibung entschieden hatten.

Die öffentlich-rechtlichen Medien hat die PiS bereits 2015 unter ihre Kontrolle gebracht. Inzwischen stehe die Pressefreiheit in Polen «am Scheideweg», warnt das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in einer neuen Studie. Die öffentlich-rechtlichen Medien hätten sich vollständig in einen Propagandaarm der PiS verwandelt, sie dienten auch der Verunglimpfung der politischen Gegner.

Als kürzlich bis zu einer Million Oppositionsanhänger in Warschau gegen die Regierung demonstrierten, hatte der Sender TVP ein anderes Thema für die Hauptnachrichten: die Wahlkampfveranstaltung der PiS im schlesischen Kattowitz.

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