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Warum Landwirte in Europa protestieren

Die grossen Bauernproteste sorgten in Deutschland für ordentlich Aufsehen. Und auch anderswo in Europa demonstrieren die Landwirte. Treiben sie die gleichen Probleme um?

Blockierte Autobahnen, Kolonnen von Traktoren und wütende Bauern: Nicht nur in Deutschland bringen Landwirte ihren Frust derzeit lautstark zum Ausdruck. Von Rumänien bis nach Litauen und Frankreich wird blockiert und protestiert. In Frankreich sind für Freitag Protestaktionen in etwa 85 der 101 Départements angekündigt.

Preise im freien Fall

«Bei allen europäischen Landwirten gab es schon länger einen Überdruss», sagte die Studienleiterin beim Thinktank Agriculture Stratégies, Alessandra Kirsch, der Deutschen Presse-Agentur. Bisher seien die Agrarpreise recht gut gewesen, so dass die Landwirte zuversichtlich blieben.

Doch der Jahresanfang sei schwierig gewesen, die Preise seien im Fall. «Es brauchte quasi nichts, damit der Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt», sagte die Agrarexpertin. «Alle teilen wirklich das Gefühl, dass man ihnen immer mehr abverlangt.»

 

Kampf gegen Regularien aus Paris und Brüssel

In Frankreich lodert die Unzufriedenheit der Landwirte bereits seit Monaten. Sie stören sich an sinkenden Einnahmen, Umweltvorschriften aus Brüssel und allgemein zu vielen Vorgaben. Und zuletzt war auch in Frankreich Agrardiesel teurer geworden. Seit einigen Tagen blockieren Bauern Autobahnen, werfen Reifen oder Abfälle vor Behörden ab. Berichten zufolge haben einige Demonstranten auch Lastwagen aus dem Ausland geplündert und das Obst und Gemüse im Kampf gegen angeblich ungleiche Wettbewerbsbedingungen auf die Fahrbahn geworfen.

 

Die Gewerkschaften fordern Nothilfen für die Sektoren, denen es am schlechtesten gehe – vor allem die Biolandwirtschaft und den Weinbau – sowie Entschädigung für den höheren Dieselpreis. Ausserdem sollten etwa Regelungen zur Wasserentnahme und zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zurückgenommen werden. Rechtsextreme versuchen, sich die Proteste zu nutzen zu machen und sich als Versteher der Bauern zu inszenieren.

Frust über Getreideeinfuhren aus dem Osten

In Polen protestieren die Bauern bereits seit Monaten. Der Protest richtet sich vor allem gegen die vom Zoll befreiten Importe von Getreide und anderen Agrarprodukten aus der Ukraine. Die Landwirte beklagen, dass diese Produkte ihnen die Preise verderben. Unterstützt wird der Protest von der rechtsnationalen Partei Konfederacja, die auf anti-ukrainische Stimmungsmache setzt.

In Litauen haben in dieser Woche mehrere Tausend Bauern gegen die Sparpläne und Agrarpolitik der Regierung des baltischen EU-Landes demonstriert. Sie sind mit Vorschriften zu Schutzgebieten, ihrer Einkommenssituation und den Milchpreisen unzufrieden und fordern, den Transit von russischem Getreide durch Litauen zu stoppen. Ähnlich wie in Deutschland geht es ihnen auch um den Preis von Kraftstoffen.

Ärger um Agrardiesel

In Deutschland war der Protest am geplanten Ende der Steuererleichterungen für Agrardiesel entbrannt. Die Pläne wurden mittlerweile abgeschwächt. Für Einsparungen im Etat 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung enden – statt auf einen Schlag wie ursprünglich geplant nun schrittweise über drei Jahre. Eine angepeilte Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung ganz fallen gelassen. Die Branchenverbände fordern eine völlige Rücknahme der Mehrbelastungen.

Dem Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent zufolge versuchten nationalistische, rechtsextremistische und verschwörungsideologische Akteure, die Bewegung in Deutschland politisch zu instrumentalisieren. Teils legten Demonstranten eine drastische Symbolik an den Tag und bauten etwa Galgen, an denen eine Ampel hing.

 

Deutsche Proteste als Vorbild?

In Rumänien haben Bauern und Transportunternehmer tagelang mit Traktoren Strassen blockiert, auch an Grenzübergängen zu Ungarn, Serbien und der Ukraine. Die Demonstrationen in Deutschland könnten ein Vorbild gewesen sein. Inzwischen sind die Proteste stark abgeflaut, weil die Regierung die Erfüllung einer der Hauptforderungen – die Senkung der Kfz-Versicherungskosten – versprochen hat.

Zudem hat ein Versuch rechtsextremer Politiker, die Proteste zu instrumentalisieren, diesen einen Dämpfer verpasst: Die Mehrheit der Bauern will mit den Rechtsextremisten nichts zu tun haben. Andere Forderungen – Steuererleichterungen, mehr Subventionen, günstigere Kredite – blieben offen.

Ventil für allgemeine Unzufriedenheit

In den Niederlanden liegen die Bauernproteste schon einen Moment zurück, hatten aber gewaltige Auswirkungen. 2021 und 2022 protestierten tausende Bauern im ganzen Land mit oft gewalttätigen Aktionen gegen Umweltauflagen, die nach Schätzungen zum Aus für mehr als 30 Prozent der Zuchtbetriebe führen werden.

Die Bauern-Proteste wurden aber auch ein Ventil für allgemeine Unzufriedenheit von Bürgern. Eine neue rechtspopulistische Partei wurde gegründet, die BauerBürgerBewegung BBB. Radikal-rechte Parteien versuchten, den Unmut der Bauern für ihre Zwecke zu nutzen. Bei den Regionalwahlen im Frühjahr 2023 wurde die rechte BBB auf Anhieb stärkste Kraft in allen Regionen. Auch bei der jüngsten Parlamentswahl im Oktober 2023 legte die BBB stark zu und könnte nun sogar mit in die Regierung einziehen, gemeinsam mit der Anti-Islam-Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders und zwei weiteren rechten Parteien.

Kritik an Agrarpolitik der EU

In der Kritik sieht Expertin Kirsch vom Thinktank Agriculture Stratégies vor allem die gemeinsame EU-Agrarpolitik. Die EU zahlt Landwirten jedes Jahr dutzende Milliarden als Unterstützung. Ein grosser Teil des Geldes wird vor allem nach Flächen vergeben, es gibt aber beispielsweise auch Zahlungen, die an Umweltauflagen geknüpft sind. Das Budget sei nicht hoch genug und die Vergabe nicht mehr an heutige Bedürfnisse angepasst.

Auch Agrarsoziologe François Purseigle von der Toulouser Agrarhochschule INP-ENSAT sieht hier Probleme. «Diese Bewegungen in Europa zeigen eine Sache: Wie schwer es der EU-Agrarpolitik fällt, eine grosse Diversität landwirtschaftlicher Modelle und Unternehmensprojekte zu begleiten.»

Beide Experten betonen aber auch, dass man die Proteste nicht über einen Kamm scheren sollte. Je nach Land gebe es spezifische Gründe für den Frust.

Kommentare (3)

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  • Michi | 27.01.2024

    In der CH ist es wie in DE .Die Bauern wählen mehrheitlich Bürgerlich und schaffen so sich selber ins abseits


    Der BR der SVP war und ist immer wieder für ein Freihandelsabkommen mit div Ländern China Indien , da sind die Bauern selber Schuld wenn sie solche Leute wählen. Auch die Bürgerlichen in der CH sind für den wahnsinnigen Ausbau der N1 , dabei verlieren wieder viele Bauern ihre Existenz. Müsst halt mehr denken

  • Franz Ruetz | 26.01.2024
    In Deutschland hatten wir von 2005 bis 2021 durchgehend konservative Landw.minister der CDU/CSU. In dieser Zeit mussten auch rund die Hälfte der Betriebe aufgeben. Weil aber viele Bauern auch Schwarz wählen, hatte man eine gewisse Beißhemmung, seinen Unmut zu zeigen. Nun ist es aber ein Grüner, der in zwei Jahren noch nicht viel falsch machen konnte. Da traut man sich eher drauf zu dreschen.
    Aber der unverzeihliche Kardinalfehler der Regierung, bes. der FDP, ist es, bei den Bauern klimaschädliche Subventionen zu streichen, nicht aber bei der Wirtschafts-Klientel: Kerosinsteuer, Dienstwagen-Privíleg usw. Das muss man als ungerecht klassifizieren.
    • joggeli | 27.01.2024
      Ganz gute Analyse! Du hast richtig erkannt, dass die wirklichen Feinde der Landwirtschaft im eigenen Land sitzen, vor allem die "Wirtschaft" will wenig dazu beitragen, pocht auf Freihandel und opfert die Landwirtschaft. Viele Bauern wählen bürgerlich, müssten aber eher links (oder noch mehr grün) sein....
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