Der Hype um Künstliche Intelligenz befeuert den Stromverbrauch. Experten der Internationalen Energieagentur (IEA) erwarten, dass Anwendungen wie ChatGPT und Gemini bis 2030 jährlich so viel Strom verbrauchen wie ganz Japan.
Grosse Techkonzerne haben deshalb Milliarden-Investitionen in die Kernkraft angekündigt, um ihren künftigen Strombedarf decken zu können. Google will bis 2030 erste Mini-AKW in Betrieb nehmen, Amazon und Microsoft haben ähnliche Ankündigungen gemacht.
Hype um AKW-Aktien
Die plötzliche Aufmerksamkeit für Atomkraft lässt die Börsianer träumen: So haben die Aktien des 2013 gegründeten US-Start-ups Oklo in den vergangenen zwölf Monaten um über 1000 Prozent zugelegt. Zu den ersten Investoren gehören unter anderem die umstrittenen Tech-Vordenker Sam Altman und Peter Thiel. Allem Hype zum Trotz: Derzeit befindet sich kein Reaktor des Unternehmens in Betrieb.
«AKW-Investitionen performen derzeit sehr gut», sagt der Däne Johan Christian Sollid, Sprecher des Nuklear-Fonds 92 Capital, am Rande einer Medienveranstaltung der Schweizer Lobbyorganisation Nuklearforum in Kopenhagen. «Während erneuerbare ETFs Abflüsse verzeichnen, verbuchen AKW-ETFs Zuflüsse.»
Der Gründer der Organisation «Atomkraft Ja Tak» (Atomkraft, Ja gerne) stützt sich dabei auf eigene Zahlen, die sein Fonds laut den Angaben demnächst veröffentlichen will.
Viele Reaktoren existieren nur auf dem Papier
Die Hoffnung der Branche ruht auf sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Diese sind kleiner als herkömmliche AKW und sollen in Massenproduktion gebaut werden. Laut OECD gibt es derzeit rund 80 Unternehmen weltweit, die solche Reaktoren entwickeln. Gebaut wurden bisher jedoch nur zwei Mini-AKW.
«Es gibt viele Reaktoren, die nur auf dem Papier existieren», sagt Marco Streit, Forscher am Paul Scherrer Institut (PSI). Das stelle Investoren derzeit vor grosse Herausforderungen. Natürlich könne man einen Reaktor modellieren. «Ob sie funktionieren, zeigt jedoch erst das echte Experiment.»
Genau das will das PSI gemeinsam mit Copenhagen Atomics durchführen. Da in Dänemark keine AKWs betrieben werden dürfen, will das dänische Start-up in der Schweiz am PSI seinen Reaktor testen. Bereits 2027 dürfte es laut Streit so weit sein. «Die Zeitpläne sind abhängig von der Reaktionszeit der Behörden.»
Das Start-up erhofft sich, bereits 2030 erste Reaktoren an Kunden ausliefern zu können. Die Gründer glauben, dass ihre Abnehmer damit dereinst Strom für 15 bis 30 Dollar pro Megawattstunde produzieren können. Das wäre deutlich günstiger als herkömmliche AKW. Erst aber müssen sie beweisen, dass ihre Technologie überhaupt funktioniert.