Die Geschichte von Zwölfischlegel basiert auf einem Schüleraufsatz und auf einer wahren Begebenheit.
«Ein stürmischer Christtag neigte sich dem Abend zu. Durch den breiten Talgrund der Emme raste eine grimmige Bise. Mitten durch Sturm und Schneegestöber kämpfte sich ein einsamer Wanderer.
Es war ein alter Vagabund und Schnapsbruder, dem man den Spitznamen Zwölfischlegel angehängt hatte, weil er mit seinem gewaltigen Kopfe, seinem unförmlichen Leibe und seinen dünnen Schlotterbeinchen einem Glockenklöppel nicht ganz unähnlich sah.
Ihn trieb die bittere Not auf die Bettelfahrt.» So lautet der Anfang der Geschichte «Zwölfischlegels Weihnachtsfeier». Es ist wohl eine der berührendsten Weihnachtsgeschichten in der deutschsprachigen Literatur, geschrieben von Simon Gfeller. Er ist nebst Jeremias Gotthelf der bedeutendste Prosadichter des Emmentals.
In Schriftsprache
Es ist der Weihnachtstag 1910. Das Ziel des Vagabunden ist der stattliche Bauernhof der Familie Bärtschi. Seit ungefähr 1560 ist der Hof in Familienbesitz, heute leben Alfred und Heidi Bärtschi hier. Das Ehepaar sitzt am Wohnzimmertisch. In dem Raum, wo auf Drängen der Kinder Zwölfischlegel den Weihnachtsbaum sehen durfte.
Denn der Zwölfischlegel passiert auf einem Aufsatz von Walter Bärtschi, dem Grossvater von Alfred und auf einer wahren Geschichte. Als Walter Bärtschi den Text verfasste, war er 14 Jahre alt und ging zum Lehrer und Schriftsteller Simon Gfeller in die Schule. Gfeller hat 1914 daraus eine Weihnachtsgeschichte in der Schriftsprache verfasst, diese erschien 1918 auch in der berndeutschen Variante.
Über den Aufsatz habe der Grossvater kaum gesprochen, sagt Alfred Bärtschi. Einmal habe er erzählt, dass ihn nach dem Schreiben des Aufsatzes der Lehrer Simon Gfeller gerufen habe. «Mein Grossvater hat zuerst gedacht, er habe etwas angestellt.» Doch der Lehrer hätte ihn lediglich zu den näheren Umstände des Textes befragen wollen.
Alfred Bärtschi berichtet, dass sein Grossvater ein Viehzüchter, Viehzuchtexperte und Waldliebhaber gewesen sein. Und dass er wegen einer Krankheit bereits als Jugendlicher hochgradig schwerhörig war.
Ein Bärenlebkuchen
Der Schriftsteller Simon Gfeller erzählt in seiner unverfälschten eigenen Sprache, wie ein Engel im schneeweissen Gewand in die Stube kam. Nach und nach sagten die Kinder ein Versli auf. Nachdem der Weihnachtsengel den Kinder einen Bärenlebkuchen geschenkt hatte, kam er auch zu Zwölfischlegel und bot auch ihm einen schönen braunroten Lebkuchen an.
Eine Weile noch ergötzten sie alle an dem strahlendem Lichterbaum, dann erlosch eine Kerze nach der anderen. Zwei Monate später erlosch auch das Lebenslicht des Landstreichers. Bevor er starb, nahm er im Spitalbett einen harten Lebkuchen hervor und legte ihn auf seine Brust. «Den hat mir das Weihnachtskind gegeben, lasst ihn mir ihn.»
Zwar hat Walter Bärtschi in seinem Aufsatz (siehe Kasten) keine solche Szene beschrieben. Jedoch sein Enkel Alfred Bärtschi meint: «Ich weiss nicht, ob es so gewesen ist – aber es wäre schön, wenn es so gewesen wäre.»
Als 14-Jähriger schrieb Walter Bärtschi diesen Aufsatz: «Weihnachten eines Vagabunden. So ein Vagabund hat nicht viel Schönes von einer Weihnacht. Gerade um die Weihnacht herum ist es kalt, und es friert den Vagabunden auch noch am härtesten. Letztes Jahr an der Weihnacht kam auch so ein halber Vagabund zu uns, es war der Stüdelikrigel. Wir gaben ihm ein Pack Zigarren und ein wenig Trusen. Einmal kam ein Vagabund zu uns. Man sagt ihm nur Zwölfischlegel. Der Vater gab ihm an der Weihnacht sieben ein wenig zerschliffene Fünfzigrappenstücke. An dem Weihnachtsvormittag macht der Vagabund im Wald noch ein paar Besen. Dann verkauft er sie. Es gibt ihm einen Batzen für einen Schnaps. Nachmittag geht er zu einem Bauer und fragt ihn, für im Stalle zu übernachten. Am Abend lässt man ihn auch den Weihnachtsbaum schauen und man gibt ihm ein kleines Geschenk. Das freut den Vagabunden. Auch gibt man ihm ein paar Nüsse. Man lässt ihn beim Tische essen. Ein Vagabund bekommt fast Augenwasser, wenn er einen Weihnachtsbaum sieht. Manchmal sind Vagabunden noch unverschämt und sind nicht zufrieden, wenn man ihnen schon viel gibt. Einmal kam ein Vagabund an der Weihnacht. Wir gaben ihm Weihnachtskuchen und Rahm. Dann stahl er dem Melker den Tabak im Stalle.»
«Zwölfischlegels Weihnachtsfeier», neu verlegt vom Landverlag Langnau. Die Bücher von Simon Gfeller sind im Buchhandel oder bei der Simon-Gfeller-Stiftung in Heimisbach erhältlich.





