Auf seiner Leserreise ins Allgäu und nach Bayern hat der «Schweizer Bauer» die Familie Demmel in Königsdorf südlich von München (D) besucht. Auf der Weiterfahrt im Reisebus sprachen die beeindruckten Teilnehmer noch lange von dem «Huabahof», wie er sich nennt. Ein Aspekt war, dass Franz-Xaver und Gerline Demmel sowie ihr Sohn Xaver das Ziel verfolgen, am Ende sowohl vom öffentlichen Stromnetz als auch von zugekauftem Diesel unabhängig zu werden.
Eine 386-kWp-Fotovoltaikanlage auf ihren Dächern haben sie schon, eine grosse Batterie und diverse Elektro-Geräte. Ein wichtiges Puzzleteil soll im nächsten Jahr auf den Hof kommen: eine Wasserstoffanlage, ein Wasserstoffspeicher und ein Wasserstofftraktor mit rund 180 PS. Weiter braucht er von den elektrisch betriebenen Geräten eine neue Generation, deren Akkus auch wieder Strom abgeben können ( das heisst «bidirektional» sind). Lesen Sie die Details dazu im «Schweizer Bauer» vom 26. Oktober.
Ausserordentlicher Milchviehstall
Sehr viel zu bieten hat auch der Milchviehstall aus dem Jahr 2019. Hier hat Demmel als Bauingenieur selbst mitgeplant und stark mitgewirkt. Überhaupt bringt er ja als gelernter Landwirt und mit zwei Fachhochschulabschlüssen (Bauingenieur und Technischer Umweltschutz) ideale Voraussetzungen mit für einen solchen Forschungsstall. Gemolken werden die rund 90 Kühe von zwei Melkrobotern der Firma Lemmer Fullwood (M2). Warum diese Marke? «Diese Firma zeigte am meisten Interesse, an unseren Forschungsarbeiten mitzuwirken», erklärt Demmel.
Die Kühe sind von der Rasse Deutsches Fleckvieh - Demmel spricht von «Alpenfleckvieh» - und geben im Schnitt rund 8000 kg Milch. Die Kraftfuttergabe beträgt zu Beginn der Laktation um die 6 Kilo pro Tag, im Schnitt sind es über die Laktation hinweg etwa 3 Kilo pro Tag. Seit der Feed-Rover die Futtervorlage rund um die Uhr sicherstelle, habe die Milchleistung der rangniederen Kühe zugenommen.
Sehr guter Biomilchpreis nicht kostendeckend
Überhaupt betont Demmel bei seinen Besuchen immer, dass dank der Automatisierung seine Kühe nach ihrem individuellen Tagesrhythmus leben könnten. Ein spezielles Lichtsystem im Stall, das zweimal so teuer ist wie die üblichen, ahmt den natürlichen Lichteinfall der Sonne inklusive Morgenröte nach. Er hat auch eindeutig mehr Fressplätze gebaut, als er gesetzlich für diese Herdengrösse bereitstellen müsste. Wichtig ist die Langlebigkeit der Kühe. Im Schnitt würden sie bei ihm etwa fünfmal abkalben, das Durchschnittsalter betrage aktuell 7-8 Jahre, sagt er.
Ein in der Herde mitlaufender Stier hilft, keine fruchtbaren Tage zu verpassen. In der Ration sind rund 80% Grassilage und 20% Heu, nur ganz wenig Mais, da der 90-Hektaren-Hof keinen Ackerbau hat. Die Tiere sind genetisch hornlos. «Wenn ich sah, wieviel Schmerzausschaltung nötig ist für die Enthornung, dann ist für mich die genetische Hornlosigkeit der richtige Ansatz», so Demmel. Die seit 20 Jahren nach Bioland zertifizierte Biomilch geht zur Molkerei «Berchtesgadener Land», einer bäuerlich-genossenschaftlichen Molkerei. «Mein Milchpreis von 55 bis 63 Rp./kg ist vergleichsweise ein sehr guter Biopreis. Unseren Aufwand deckt er aber nicht», so Demmel. Dabei berücksichtigt Demmel auch die Direktzahlungen, die sich aufgrund verschiedener Umweltzuschüsse auf seinem Grünland zwischen 200 und 600 Euro (187 bis 562 Fr.) pro Hektare bewegen.
Stallboden für weniger Ammoniak
Der Stallboden hat verschiedene Besonderheiten. Erstens hats auf dem Betonspaltenboden Gummi, der für die Kühe rutschfest und angenehm ist. Zweitens hat es Gummiklappen mit einem Schlitz verbaut, die sich nur dann öffnen, wenn die Gülle kommt. Teil des Systems ist ein Mistroboter, der den Mist nach unten drückt und hinten etwas Wasser rausspritzt.
So konnten die Ammoniak-Emissionen um etwa 50 Prozent gesenkt werden, wie Demmel bei der Besichtigung sagte. Allerdings: Dieser Boden kostete etwa das Dreifache eines konventionellen Spaltenbodens.
10 Zentimeter dicke Holzdecke
Die Decke ist eine Vollholzdecke aus regionalem Fichtenholz. Im verbauten Holz ist viel CO2 gebunden. Und die zehn Zentimeter dicke Holzschicht sorgt im Sommer zusammen mit einem temperaturgesteuerten Ventilator für eine angenehme Kühle. «Die Temperatur im Stall ist mit diesem Holzdach 10 bis 15 Grad tiefer als unter einem Blechdach», so Demmel. Aber auch hier gilt Demmels Beobachtung: «Der Preis ist das Problem, nicht die Technik, die wäre vorhanden.»
Wenn so günstig wie möglich gebaut und das Futter aus Monokulturen bezogen werde, wo Wiesen mit fast nur Weidelgras und Weissklee im Jahr achtmal geschnitten und neunmal gedüngt würde und Stalldurchschnitte von 12’000 Kilogramm realisiert würden, dann ist dies laut Demmel «betriebswirtschaftlich richtig, aber ökologisch total verkehrt». Seine Familie mache drei bis vier Schnitte und mit Nitratmessungen sei auch überprüft worden, dass sie nur so viel Gülle ausbrächten, dass sie in den Kreislauf komme und nicht ab- oder ausgeschwemmt werde.
«Ich zeige, was möglich wäre»
Sein Hof zeige, was heute bezüglich Umwelt und Tierwohl technisch möglich wäre, wenn die bezahlten Preise für Milch und Fleisch höher wären. Sein Hof funktioniere wirtschaftlich nur dank seines Ingenieur-Büros als zweiten, solidem Standbein. Und es bleibt ein Kantengang, aktuell geht die Rechnung gerade so auf. Ein Element ist auch, dass Demmel ausserhalb des Hofes auch noch als Berater tätig ist.
Gegenüber anderen Medien hat Demmel auch schon nicht ausgeschlossen, dass er den Hof dereinst aus wirtschaftlichen Gründen schliessen oder massiv umstellen muss. «Wenn Leute auf den Hof kommen, Beifall klatschen und von einem Leuchtturm reden, sage ich jeweils: Achtung, unser Hof kann auch ein Mahnmal werden, wenn die Entwicklung falsch läuft», so Demmel.
Fokus auf CO2 hat Nebenwirkungen
Demmel fordert überall eine ganzheitliche Sicht. Von den Konsumenten fordert er, dass sie nicht unrealistische und unmögliche Erwartungen an die Landwirtschaft herantragen (etwa das sofortige Umstellen auf E-Traktoren bei allen Modellen) und bei ihren Einkäufen ihre eigenen Umweltschutz- und Tierwohlanliegen berücksichtigen. Aber auch die Industrie und die Detaihändler mahnt er, dass sie zweimal nachdenken sollten. Wenn im Sinne des Tierwohl Anbindeställe aufgegeben werden und an ihrer Stelle grosse Laufställe gebaut würden, könne es sein, dass die Betriebe bezüglich Futtergewinnung und Futterzukauf an Nachhaltigkeit verlören.
Und wenn die Branche einseitig auf eine Minimierung der CO2-Äquivalenteemission pro Kilogramm Milch hinarbeite, lande man bei man sehr viel Mais und sehr viel Kraftfutter in der Ration für Holsteinkühe, die 14’000 Kilo Milch geben. «Das ist dann zwar auf dem Papier gut fürs Klima, führt aber in der Landschaft zu Monokulturen, die man nicht will», so Demmel. Der CO2-Rechner dürfe darum nur ein Indikator unter mehreren sein. Sonst passiere in der Landwirtschaft das, was bei der Forstwirtschaft mit den Fichtenmonokulturen passiert sei. «Wir müssen anwendungsbezogen nüchtern sein, nicht ideologisch besoffen», so Demmel. «Ordentlich produzieren, aber die Natur schonen» ist ein weitere Aussage, die er gegenüber den Lesern des «Schweizer Bauer» machte.