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Weniger Zucker wegen kleinem Insekt

2017 wurde in der Schweiz erstmals eine Krankheit der Zuckerrüben festgestellt, die für einen sehr viel tieferen Zuckerhalt sorgt. Ein Mittel gegen dieses «Syndrome Basses Richesses» gibt es noch nicht – die Hoffnung liegt auf resistenten Sorten.

Hannes Hübner, lid |

 

 

2017 wurde in der Schweiz erstmals eine Krankheit der Zuckerrüben festgestellt, die für einen sehr viel tieferen Zuckerhalt sorgt. Ein Mittel gegen dieses «Syndrome Basses Richesses» gibt es noch nicht – die Hoffnung liegt auf resistenten Sorten.

Blickt man in diesen Tagen in ein Zuckerrübenfeld in der Westschweiz, fallen dem Laien hellere, gelbliche Stellen oder grossflächige Aufhellungen auf und der Experte denkt dabei vielleicht an eine viröse Vergilbung, eine von der Blattlaus auf die Zuckerrüben übertragene Krankheit. Untersucht man aber einzelne Pflanzen, zeigen sich bei den älteren Blättern Vergilbungen zwischen den Blattadern, neue Herzblätter sind jedoch unnatürlich langgestielt und zeigen asymmetrische Lanzettformen.

Neuartige Erkrankung

Wird die teils deformierte Rübe aufgeschnitten, fallen die braunen Gefässbündelringe auf. Ein Gefässbündelring ist eine im Querschnitt runde Struktur, welche dem Transport von Wasser und Nährstoffen zwischen Blättern und Wurzel dient. Dieses besondere Symptom lenkt den Verdacht auf eine neuartige Erkrankung: «Syndrome Basses Richesses» (SBR) genannt, zu Deutsch etwa «Syndrom der niedrigen Zuckergehalte».

Tatsächlich zeigt sich die grösste Auswirkung der Krankheit erst in der chemischen Analyse. Der Zuckergehalt der infizierten Rüben ist zwischen 12 und 25% tiefer als bei gesunden. Die Rüben können zwar normal verwertet werden, doch durch den tieferen Zuckergehalt entstehen dem Landwirt finanzielle Einbussen, da der «Qualitätsbeitrag» einen grossen Teil des Rübengeldes ausmacht.

In der Schweiz erst seit 2017 bekannt

Erstmals wurden die kombinierten Symptome 1991 in

den grossen Zuckerrübenanbaugebieten im Osten Frankreichs, der Bourgogne

und der Jura-Region beobachtet. In Ungarn kamen erste Meldungen aus dem

Jahre 2005 und in Deutschland wurde die Krankheit 2009 auf Feldern nahe

Heilbronn (Baden-Württemberg) festgestellt.

In

der Schweiz wurde SBR offiziell 2017 das erste Mal registriert, zirka

1000 Hektaren Rübenflächen waren von der Krankheit betroffen. Im Jahr

darauf verdoppelte sich die betroffene Fläche. Ende 2019 war die ganze

Westschweiz bis ins Berner Seeland betroffen, eine Fläche von zirka

3000 Hektaren war befallen. Zum Vergleich: im ganzen Land wurden 2019

etwa 19‘000 Hektaren Zuckerrüben angebaut.

Zikade ist Überträgerin

Auslöser der SBR sind die zwei Bakterien Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus sowie C. Phytoplasma solani.

In der Zuckerrübe lagern sich die beiden Erreger in den bereits

erwähnten Phloemzellen an, welche für den Transport von Zucker und

Aminosäuren innerhalb der Pflanze zuständig sind. Dort führen sie zu

einem teilweisen Absterben dieser Zellen, was als typische braune

Verfärbung in der aufgeschnittenen Rübe sichtbar ist.

Die abgestorbenen

Zellen können den Stofftransport nicht mehr gewährleisten und so sinkt

der Gehalt an eingelagertem Zucker in der Rübe. Als wahrscheinlicher

Überträger der Bakterien agiert die Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus).

Sie war 2018 in deutschen Zuckerrübenfeldern die am häufigsten

gefangene Zikadenart und durchschnittlich zu 44 % mit auslösenden

Bakterienbeladen.

Zikade hat sich angepasst

Die Zikade hat sich

von der natürlichen Wirtspflanze (Schilf) an die landwirtschaftliche

Kulturfolge aus Zuckerrüben und Winterweizen angepasst und überträgt die

Bakterien beim Saugen der Pflanzensäfte. Das Insekt bevorzugt warme, trockene

Gebiete, welche bedingt durch den Klimawandel in ganz Mitteuropa

zunehmen. Mittlerweile wurden in deutschen Zuckerrübenfeldern sogar

zwei ausgewachsene Generationen pro Jahr nachgewiesen.

Die

adulten Zikaden fliegen im Frühsommer aus Weizenbeständen (je nach

Witterung ab Mai/Juni) in die Zuckerrübenfelder ein. Dort legen die 3 bis 11 Miliimeter grossen Insekten ihre

Eier im Boden in die Nähe der Zuckerrübenpfahlwurzeln ab. Nach 10 bis

15 Tagen schlüpfen die Larven und ernähren sich saugend von der

Rübenwurzel.

Noch kein Insektizid

Nach zwei weiteren Larvenstadien und der Überwinterung im

Boden beenden die Larven ihre Entwicklung im folgenden Frühjahr in

Winterweizen. Von dort startet der Zikadenflug ab Mai in angrenzende

Zuckerrübenfelder oder in umliegende Schilfgürtel. Die

Schilf-Glasflügelzikade ist in ganz Europa, Zentral- und Ostasien und

Nordafrika verbreitet. In der Schweiz scheinen sich die infektiösen

Bakterien mit ihr pro Jahr etwa 20 Kilometer ostwärts zu verbreiten.

 

Eine

schnelle Lösung des Problems ist nicht in Sicht, da ein geeignetes

Insektizid zur Bekämpfung der Zikade bislang nicht gefunden werden

konnte. In Frankreich wurden sogar betroffene Anbaugebiete eingestellt

und der Anbau in nicht betroffene Gebiete verlagert. Mehr Erfolg

verspricht die Wahl resistenter Sorten. So wurde letztes Jahr eine

Notzulassung für die Sorte Rhinema bewilligt. Diese hatte in

Deutschland ein positives Verhalten gegenüber der Krankheit bewiesen.

Senkung der Bonus-Malus-Zahlung 

Des Weiteren stehen ackerbauliche Massnahmen im Fokus, so scheint

reduziertes oder ganz eingestelltes Pflügen den Krankheitsverlauf zu

bremsen. Vermutet wird dabei, dass durch das weniger gestörte Bodenleben

die Larven der Zikaden mehr Fressfeinden ausgesetzt sind und so der

Bestand der Krankheitsüberträger reduziert wird. Ausserdem wirkten sich

bei Versuchen eine Fruchtfolge mit Gerste statt Weizen positiv aus.

Die

Interprofession Zucker hat bereits Mitte Juli reagiert. So erwartet sie

aufgrund von SBR und Pilzkrankheiten bei gleichzeitig abnehmendem

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln generell in Zukunft tiefere

Zuckergehalte und hat für 2021 eine Senkung der Bonus-Malus-Zahlung des

Zuckergehaltes auf +/- 0.35 Fr. je Promille Zuckergehalt beschlossen

statt wie bisher +/- 0.5 Fr. Bereits 2018, dem ersten Jahr nach dem

offiziellen Auftreten von SBR, wurde dieser Mechanismus wegen der

erwarteten hohen Strafen für die Pflanzer notfallmässig ausser Kraft

gesetzt. Zur Kompensation wird sowohl der Grund- wie auch der Richtpreis

um 1 auf 40 Franken respektive 45 Franken pro Tonne erhöht.

 

So wird das Rübengeld berechnet

In der Schweiz gibt es zwei Zuckerfabriken der Schweizer Zucker AG, welche die Rüben den Produzenten abkaufen. Eine in Aarberg (BE) und eine in Frauenfeld (TG). Die «Interprofession Zucker» setzt sich aus Vertretern der Zuckerfabriken und Vertretern des Schweizerischen Verbandes der Zuckerrübenpflanzer (SVZ) zusammen und legt jährlich den definitiv ausbezahlten Schlusspreis sowie die Preis- und Übernahmebedingungen fest. Das schlussendlich ausbezahlte Rübengeld setzt sich dabei aus mehreren Komponenten zusammen. Abhängig vom Weltmarktpreis wird ein Grundpreis veranschlagt. 2019 waren es 39 Frankenpro Tonne.

Dazugerechnet wird ein Beitrag aus Rückstellungen und eine «Variable Komponente», dies zusammen ergibt den Richtpreis. 2019 lag er bei 44 Franken. Für das ausbezahlte Rübengeld kommt zu diesem Richtpreis für jeden Pflanzer ein individueller Qualitätsbeitrag, abhängig vom Zuckergehalt der Rüben (2019 im Durchschnitt 7 Franken). Dieser Qualitätsbeitrag wird als Bonus erhöht, wenn der Zuckergehalt der Rübe über 16% liegt und wird als Malus verringert, wenn er unter 15% liegt. Dazu kommen Beiträge für den Transport zur Fabrik. Ausserdem leistet der Bund eine Direktzahlung von 2’100 Franken pro gepflanzter Hektare Zuckerrüben.

 

Rübengeld ging zurück

Der vom Zuckergehalt abhängige Beitrag «Qualitätszahlung» sank von 25 Franken im Jahr 2015 auf 7 Franken im Jahr 2019. Somit resultierte, trotz Auflösung von Rückstellungen und anderen Stützmassnahmen im selben Zeitraum ein Rückgang des durchschnittlichen Rübengeldes von 69 auf 51 Franken pro Tonne Rüben.

Dieser Preisrückgang ist jedoch nicht alleine dem SBR anzulasten, sondern auch Folge diverser andere Krankheiten und Politik- und Wettereinflüsse. Trotzdem wenden sich immer mehr Pflanzer von den Zuckerrüben ab und die von der Interprofession quotierte Menge von 265‘000 Tonnen Rüben gerät immer mehr unter Druck.

 

Wie der Zucker in die Rübe kommt

Wie alle Pflanzen nimmt die Zuckerrübe über die Wurzeln Wasser in die darin gelösten Nährstoffe auf. Das Wasser wird durch die sogenannten Xylemzellen nach oben in die gesamte Pflanze transportiert, da jede Zelle Wasser benötigt. An den Blättern bildet die Pflanze mittels Photosynthese das Zuckermolekül Glukose aus gasförmigem CO2. Das Glukose-Molekül wird über sogenannte Phloemzellen nach unten in die Pflanze geschickt, weil auch jede Pflanzenzelle zum Leben Zucker als Energiequelle benötigt. Phloem- und Xylemzellen verlaufen nebeneinander und bilden jeweils ein sogenanntes Leitbündel.

Die Blätter der Zuckerrübe produzieren im Sommer mehr Zucker als sie verbrauchen, so dass sie ihn in der dicken Wurzel, der Rübe, speichern können. Eine durchschnittliche Rübe besteht dann zum Erntezeitpunkt Ende August zu etwa 16% aus Zucker.

 

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