Die Freiburgerin Anja Tschannen studiert Agronomie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen. In ihrem Blog berichtet sie über das Studium, aber auch über ihre Arbeit als Freie Mitarbeiterin beim Schweizer Bauer und ihre Hobbies.
Nicht nur durch mein Studium oder als Privatperson, sondern auch durch meine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin des Schweizer Bauer habe ich die Möglichkeit, an vielen verschiedenen Veranstaltungen dabei zu sein. Seien es die lieben Haustiere oder die gewinnbringenden Nutztiere, heutzutage wird alles gewertet, bewertet und gerichtet. Wer ist schöner, besser, grösser oder schneller? In einer leistungsorientierten Welt ist diese Frage etwas völlig Normales. Gepuderte Pudel an der Hundeausstellung, Schwergewichtziehen für Bodybilderpferde, Hindernissspringen fürs Zwergkaninchen oder Schönheitswettbewerbs für Kühe, Ziegen & CO.
Wer, unabhängig um was für einen Wettbewerb es sich handelt, immer mit von der Partie ist, ist der Richter. Als massgebende Person ist er da, um eine objektive fachmännische oder fachfrauliche Bewertung abzugeben. Um die Teilnehmer zu bewerten, zu entscheiden wer die Nase zuvorderst hat und wer sich leider hinten anstellen muss. Ein Richterurteil wird stark gewichtet, und viele Leute nehmen es sich sehr zu Herzen, ja manchmal sogar persönlich, wenn das Klassement und die Bewertungen bekannt gegeben werden.
Als stille Beobachterin sehe ich die Emotionen, die ausgelöst werden können, wenn das Urteil positiv oder negativ ausfällt. Freudentränen, Jubel aber auch unzufriedene Mienen und verzogene Gesichter sind an der Tagesordnung. Vor allem bei enttäuschten Haltern oder Züchtern richten sich die negativen Gefühle dann häufig gegen den Richter. „Der hat ja sowieso keine Ahnung“ oder „Der Sieger ist eben sein Nachbar“ sind nur einige charmante Äusserungen von enttäuschten Teilnehmern. Häufig werden dann die Fähigkeiten des Richters stark in Frage gestellt. Obwohl dieser in der Regel einen anerkannten Richterkurs absolviert hat.
Ein Richter muss authentisch sein, eine Linie haben und diese dann durchziehen und vor allem muss die Begründung seiner Entscheidung niet und nagelfest sein, damit diese nicht in Frage gestellt werden können. Die entscheidende Frage für mich persönlich ist: Was ist der oder die ausschlaggebenden Punkte, dass X vor Y platziert wurde? Wenn ich dann eine schwammige Begründung wie: „Das Gesamtpaket ist heute besser“ oder „X ist in allen Teilen besser als Y“ höre, dann fängt bei mir die Glaubwürdigkeit der richtenden Person schon leicht zu schwanken an.
Ich selber kenne die Situation auch als Pferdebesitzerin und Teilnehmerin an Wettbewerben. Wobei Leistungsprüfungen wie zum Beispiel die Gymkhana-Prüfung bei den Pferden einfacher zu richten sind als andere Prüfungen. Denn wenn der Ball runter fällt werden zwei Punkte abgezogen, wenn er oben bleibt nicht. Schwieriger ist es wenn Merkmale wie die Gangart, Aussehen oder Verhalten beurteilt werden. Die Begründungen die einem manchmal zu Ohren kommen, geben Anlass zur Annahme, dass einige Richter manchmal selbst etwas am Schwimmen sind. Die Note von der Teilprüfung wird hinunter korrigiert, weil der Richter die Resultate der vorangehenden Prüfung angeschaut hat, Begründung: „Beim Fahren hat X auch nicht viel Gang gezeigt“ Wenn ich Besitzer oder gar Züchter von X wäre, würden mir die Haare zu Berge stehen, wenn mir jemand eine solche Antwort gibt und dann kann ich die Weissglut einiger enttäuschter Teilnehmer nachvollziehen. Obwohl ich persönlich nicht betroffen bin - mein Pferd Gigolino und ich treten sowieso ausschliesslich an Gymkhanas an, wo der Ball zwei Punkte gibt wenn er oben bleibt - geht die Glaubwürdigkeit von Richtern mit solchen Äusserungen bei mir dann natürlich auch baden.
Vielleicht muss mal noch erwähnt werden, dass es sich bei einer Teilnahme an einem X-Beliebigen Wettbewerb um eine Momentaufnahme handelt und die Bewertung, die man da erhält, nicht als endgültiges Urteil abgetan werden darf. Sie gibt lediglich ein Feedback über einen aktuellen Zustand. Dieser Zustand kann sich aber im Laufe der Zeit und je nach Training, Fütterung, Haltung oder Entwicklung noch ändern.
Mit dieser Gewissheit im Hinterkopf können eventuelle Enttäuschungen vielleicht etwas besser verkraftet werden, oder sonst ist halt der Richter schuld… Dies frei nach dem Motto: "Wenn der Richter heftig schwimmt, der Züchter bald auf Rache sinnt"