Für Gesundheitsminister Alain Berset gilt es, die individuellen Entscheide zum Umgang mit der Corona-Pandemie zu akzeptieren. Wer sich indes nicht impfe, der trage selber die Konsequenzen «und kann sich nicht mehr auf den Schutz durch staatliche Massnahmen verlassen», sagte er am Mittwoch vor den Medien in Bern.
Mit dem neuen Fokus in der Corona-Politik nehme der Bundesrat eine Erhöhung der Fälle in Kauf. Einziges Ziel sei es nun noch, eine allfällige Überlastung der Spitäler zu verhindern.
Das Virus werde also zirkulieren, vor allem bei jenen, die nicht immun seien. Derzeit präsentiere sich die Situation ziemlich gut, die Dynamik mit den wöchentlichen Verdoppelungen der Ansteckungszahlen sei jedoch «nicht sehr vorteilhaft».
Starke Einschränkungen liessen sich aber nicht mehr rechtfertigen. Mit der Impfung gebe es eine Alternative. Das Ende des Sommers nahe. Als Gemeinschaft seien die Menschen in der Schweiz gefordert, die noch bleibenden wenigen Massnahmen einzuhalten.
Der Bundesrat wolle kein Impf-Obligatorium. Aber die Impfung sei der «individuelle Beitrag an das gemeinsame Ziel», warb Berset. Niemand wolle mehr geschlossene Restaurants und Kinos oder Geisterspiele in Sportstadien. Eine Impfung biete zwar keinen absoluten Schutz vor Covid-19, so Berset weiter. Aber wenn man sich anstecke, seien die Krankheitsverläufe deutlich weniger dramatisch.
Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung im Bundesamt für Gesundheit (BAG), ergänzte, die in der Schweiz verwendeten mRNA-Impfstoffe erlaubten es, grössere Ausbrüche ohne einschneidende Massnahmen bewältigen und zulassen zu können. Aber auch wenn man geimpft sei, könne man sich anstecken oder das Virus weitergeben.
In seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen, die noch geltenden Corona-Massnahmen beizubehalten. Begründet werden diese nur noch damit, die Spitäler vor Überlastung zu schützen. Nicht mehr Teil der Überlegungen des Bundesrats ist der Schutz von Personen, die sich trotz Möglichkeit, sich impfen zu lassen, darauf verzichtet haben.
Diesen Personen will der Bundesrat weiterhin die Wahl lassen, sich impfen zu lassen oder nicht. Ungeimpfte und Ungenesene, die ein Fussballspiel oder Ähnliches besuchen wollen, sollen ab dem 1. Oktober aber selbst für die Kosten eines Corona-Tests aufkommen müssen. Ausgenommen wären Personen, die nicht geimpft werden können. Definitiv darüber entscheiden will die Regierung in zwei Wochen nach einer Konsultation.
Der vom Bundesrat beschlossene Wechsel von der Stabilisierungs- und die Normalisierungsphase hat keine unmittelbaren Folgen für die Bevölkerung. Begründet wird er mit dem Impffortschritt. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass alle, die sich impfen lassen wollten, dazu in der Lage waren.
Für den Bundesrat bedeutet diese neue Phase eine Stärkung der Eigenverantwortung, wie er schreibt. Für die Bevölkerung sei die Impfung nach wie vor der wirksamste Weg, sich vor einer Covid-19-Infektion und schwerwiegenden Komplikationen zu schützen.