/fileadmin/images/logo.svg

Artikel werden durchsucht.

Wer Wind sät, wird Sturm ernten - Verirrung und Verwirrung auf dem EU-Saatgutmarkt

Die Freiburgerin Anja Tschannen studiert Agronomie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen. In ihrem Blog berichtet sie über das Studium, aber auch über ihre Arbeit als Freie Mitarbeiterin beim Schweizer Bauer und ihre Hobbies.

Anja Tschannen |

 

 

Die Freiburgerin Anja Tschannen studiert Agronomie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen. In ihrem Blog berichtet sie über das Studium, aber auch über ihre Arbeit als Freie Mitarbeiterin beim Schweizer Bauer und ihre Hobbies.

Letzte Woche wurde mir ein Link gemailt.  Neugierig klicke ich ihn an und fange an zu lesen, ich lese und lese. Und mit jedem Satz verfinstert sich meine Miene etwas mehr bis ich zuletzt innerlich koche. Die EU- Kommission will den europäischen Saatgut-Markt „Neuregeln“ und eine neue Verordnung erlassen. Landwirte dürfen in Zukunft nur noch amtlich zugelassenes Saatgut verwenden.

Wenn die Kommission ihren Willen durchbringen kann, dann dürfen Kleinbauern oder Privatleute ihr selbst erzeugtes Saatgut in Zukunft nicht einmal mehr verschenken ohne sich dabei strafbar zu machen. Was dies für Konsequenzen auf die Sortenvielfallt hat liegt auf der Hand. Viele traditionelle Gemüse- und Getreidesorten werden unwiderruflich verschwinden. Denn das Zulassungsverfahren das es braucht, damit eine Sorte von „Amtes wegen“ zugelassen wird, ist nicht nur mit einem Bürokratiemarathon sondern auch mit einem tiefen Griff ins Portemonnaie verbunden.

Wer davon profitieren wird ist ebenfalls offensichtlich: die Saatgut- und Lebensmittel-Konzerne. Gross, Reich und Mächtig, eine organisierte Lobby, welche bedeutenden Einfluss auf Entscheidungsträger ausübt. Wer sich ihnen in den Weg stellt wird beiseitegeschoben oder gnadenlos überrollt. Wird die neue Verordnung erst einmal in Kraft treten, ist der Weg frei „für einen weiteren Schritt in Richtung Saatgut- Kartell“, und dies obwohl eigentlich in ganz Europa ein Kartellverbot herrscht.

Sind die Konzerne erst einmal an der Spitze mit Absicherung auf gesetzlicher Ebene, werden sie sich nicht mehr vom Thron stossen lassen. Schon heute werden kleinere Konkurrenten oder Landwirte von Monsanto & CO. angezeigt, entweder gezwungen nur noch ihr Saatgut zu kaufen oder vor Gericht solange in den finanziellen Ruin getrieben, bis sie sich „freiwillig“ beugen.

Aber nicht nur diese geplante Verordnung treibt mich auf die Palme. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass „reines Saatgut“ in Zukunft bis zu einem Grenzwert von 0,3-0,7 Prozent mit gentechnisch veränderten Sorten verunreinigt sein darf. Für mich ist es absolut unbegreiflich wie man auf solche Gedanken kommen kann.

Die abstrakten Ideen der EU sind nicht nur schwer nachvollziehbar sondern auch äusserst gefährlich. Gefährlich für die Landwirtschaft, die Umwelt und die Menschheit. Mehr als NUR der Verlust von einigen Sorten steht auf dem Spiel! Eine unwahrscheinlich wertvolle genetische Vielfalt, zahlreiche Sorten und ihre kulturhistorischen Geschichten werden genauso bedroht wie die Entscheidungsfreiheit von Produzenten und Konsumenten.

Die Landwirte werden noch mehr ihrer ohnehin geringen Unabhängigkeit verlieren. Die Lebensmittelqualität wird sinken, ein Verlust von Sorten bedeutet nämlich auch weniger Auswahl im Einkaufsregal, weniger Farben, weniger Geschmack. Künftig werden nur noch massgeschneiderte 08:15-Pflanzen wachsen, auf dem Acker wie auch im Privatgarten. Jedermann kann dann in seinem Garten normgetreue XXL-Tomaten und rotleuchtende Riesenerdbeeren ernten, und das Beste daran sie sind sogar austauschbar.

Hat man also zu wenig Riesenerdbeere für das Dessert, mischt man einfach ein paar rote Tomaten darunter, merken wird’s wohl keiner, denn schmecken tun sie alle gleich fade und wässerig. Ich möchte meinen Enkelkindern nicht erzählen müssen, wie es war als Erdbeeren noch fruchtig süss schmeckten und es sonnengereifte würzige Tomaten gab, als man im Herbst selber die reifen Samen sammeln und sie im Jahr darauf wider aussähen konnte. Ich möchte meinen Enkelkindern nicht in die Augen schauen und ihnen sagen: „Wir konnten ja auch nichts dagegen machen!“ Denn das wäre schamlos gelogen. Der Beschluss ist noch nicht umgesetzt. Die EU- Komission wird ihren abstrakten Entwurf am 6. Mai vorlegen, danach muss sich das EU-Parlament damit beschäftigen.

Ein Sprichwort aus der Bibel sagt: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten!“  Ich will auf meinem Feld jedenfalls kein EU-Überraschungspaket ansäen. Wer weiss wie viel Blaken  und Disteln hervorkeimen? Hat man sie erst einmal auf dem Feld wird man sie kaum wieder los...

    Das Wetter heute in

    Umfrage

    Geht Ihr an die Olma?

    • Ja:
      29.63%
    • Nein:
      61.9%
    • Weiss noch nicht:
      8.47%

    Teilnehmer insgesamt: 378

    Zur Aktuellen Umfrage

    Bekanntschaften

    Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?