Rund 220'000 Tonnen Zucker produziert die Schweizer Zucker AG dieses Jahr. Das reicht nicht, um die Nachfrage zu decken. CEO Guido Stäger will daraus das Beste machen: Denn die Schweiz brauche den Schweizer Zucker. Werden Sie 2021 noch Zuckerrüben anbauen? Abstimmen und mitdiskutieren
Herr Stäger, wie viel Zucker wird während der diesjährigen Kampagne in den Fabriken in Frauenfeld und in Aarberg produziert und wie viel davon ist Schweizer Zucker?
Guido Stäger: Im Moment rechnen wir mit 1,5 Millionen Tonnen Rüben und etwa 220'000 Tonnen Zucker. Davon ist knapp 90 Prozent Schweizer Zucker.
Die Nachfrage nach Schweizer Zucker konnte letztes Jahr nicht abgedeckt werden. Braucht es auch dieses Jahr Importe?
Der Gesamtbedarf der Schweiz dürfte wegen Covid-19 auf etwa 300'000 Tonnen sinken. Der Selbstversorgungsgrad mit Schweizer Zucker sinkt also gegen 60 Prozent, es müssen über 100'000 Tonnen EU-Zucker importiert werden. Auch die Schweizer Zucker AG (SZU) importiert Rüben und Zucker, um unsere Kunden mit dem fehlenden Zucker zumindest teilweise zu versorgen.
Albrecht Dreier
Wegen der Virösen Vergilbung gibt es in westlichen Anbaugebieten Ertragsausfälle, die Rüben sind sehr klein. Führen kleine Rüben auch in der Verarbeitung zu Umstellungen oder Problemen?
Kranke oder trockenheitsgeschädigte Rüben haben eine andere Zusammensetzung und lassen sich schlechter extrahieren. Wir müssen unsere Verarbeitungsbedingungen anpassen und haben eine etwas tiefere Zuckerausbeute, dafür mehr Melasse und Schnitzel.
Milder Winter fördert Virus
Die Viröse Vergilbung ist weltweit verbreitet und die wirtschaftlich bedeutendste Krankheit bei den Zuckerrüben. Das BYV (Beet Yellow Virus) genannte Virus wird von Blattläusen beim Saugen übertragen. In der Schweiz sei vor allem die grüne Blattlaus ein Problem, sagt Samuel Jenni von der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau. Dieser sei mit Nützlingen schwerer beizukommen als etwa der schwarzen Blattlaus. Weil der letzte Winter mild war, ermöglichte er den Blattläusen eine Lebendüberwinterung. Deshalb gab es die ersten Symptome für die Viröse Vergilbung in der Schweiz dieses Jahr bereits am 8. Juni im Chablais, so früh wie noch nie. In den westlichen Anbaugebieten dürften zwischen 80 und 90 Prozent der Felder befallen sein. Noch weniger verbreitet aber ebenfalls vorhanden ist das Virus östlich von Bern.
SFZ
Gibt es noch andere Probleme?
Ja. Bei den Ernte- und Verlademaschinen die Rollenabstände der Reinigungsanlagen wegen den kleinen Rüben angepasst werden müssen. Dadurch werden die Steine weniger gut entfernt und mehr davon landen in der Fabrik. Wenn die Rüben aus steinreichen Böden kommen, haben wir grosse Probleme und unsere Schnitzel-Schneidmaschinen vor der Extraktionsanlage werden durch die Steine beschädigt. Aber wir müssen das Beste aus der Situation machen und alle Rüben verarbeiten, wir brauchen den Zucker.
Wie sieht die Anbaubereitschaft der Pflanzer für nächstes Jahr aus?
Die Pflanzer und auch die SZU haben auf die Notzulassung von Gaucho gewartet und sind entsprechend enttäuscht. Trotzdem müssen wir den politischen Entscheid des BLW akzeptieren. Es muss ja unser aller Ziel sein, die extremen Trinkwasser- und Pestizidinitiativen abzulehnen und der Druck, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen wird bleiben. Wir möchten den Anteil an Bio- und IP-Suisse-Rüben im nächsten Jahr deutlich erhöhen. Das BLW hat immerhin zwei zusätzliche Wirkstoffe zur Bekämpfung der Blattläuse zugelassen.
Wie geht es hier weiter?
Die Fachstelle wird zusammen mit den kantonalen Landwirtschaftsämtern ein Monitoring aufbauen, damit wir die neuen Wirkstoffe zum richtigen Zeitpunkt und damit möglichst effektiv einsetzen können. Wir werden in den nächsten Wochen intensiv mit den Pflanzern kommunizieren, um ihnen die Chancen des Ansatzes neuer Wirkstoffe und dem Blattlausmonitoring zu erklären. Damit hoffen wir, viele von ihnen zu überzeugen, auch 2021 wieder Rüben anzubauen. Die Kunden wollen Schweizer Zucker und die Preise sind unterdessen auch deutlich besser.
Wettbewerbsnachteil
Der Verband der Schweizer Zuckerrübenpflanzer SVZ , dass die Notzulassung von Gaucho abgelehnt wurde. Der negative Entscheid stellt den Schweizer Zuckerrübenanbau laut dem SFZ vor riesige Herausforderungen: «Es muss befürchtet werden, dass die Schweizer Zuckerwirtschaft in ihren Grundfesten gefährdet ist. Die Ablehnung der befristeten Notzulassung führt zu einem massiven Wettbewerbsnachteil der einheimischen Zuckerproduktion und hat hohe Importmengen von nachweislich weniger nachhaltig produziertem Zucker zur Folge», warnt der Verband.
Der Schweizer Zuckerrübenverband fordert, dass nur noch Zucker importiert wird, der ohne Pflanzenschutzmittel hergestellt wurde, die in der Schweiz nicht zugelassen sind.
Die Schweizer Zucker AG teilt die Bedenken des SVZ bezüglich Zuckerimporten. «Der Entscheid führt zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung gegenüber der EU. Der Entscheid des BLW wird zu einem Rückgang der Anbaufläche führen und dies wiederum zu einem grösseren Anteil von Importzucker, welcher nicht nur mit den in der Schweiz verbotenen Pflanzenschutzmitteln behandelt, sondern auch deutlich weniger nachhaltig produziert wird als in der Schweiz», machte Schweizer Zucker nach dem Entscheid deutlich.
Andreas Scheurer
Den Bodendruck bei der Ernte nehme ich in Kauf. Das laden mit der Maus hinterlässt alerdings häufig für Jahre Spuren.
Ironie ein: "Wird den Biogasanlagen fehlen. Wärme +Stromproduktion fallen, verarbeitende Industrie ins günstigere Ausland. In die Region mit Freihandelsverträgen. (z.B. Südamerika. Platz wird abgeholzt) Danke Bundesrat. Flieger Schiffe müssen dann nur noch mit verkaufsfähigen Produkten geladen werden. Weniger Transport und weniger Produktion, mehr Umweltschutz". Ironie aus