Eine Auswertung des Stimmenpotenzials für die Wahl des neuen Bauernverbands- präsidenten zeigt: Andreas Aebi hat das grösste Stimmenpotenzial, knapp vor Markus Ritter. Entscheiden werden die Westschweizer. Mit Diskussionsforum.
Wer wird neuer Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV)? Diese Frage wird an der DV am 21. November in Bern beanwortet. Der «Schweizer Bauer» hat eine Analyse aus bekannten Parolen, Fakten und Einschätzungen erstellt. Demnach wird der Berner SVP-Nationalrat Andreas Aebi im ersten Wahlgang 169 der 499 Delegiertenstimmen auf sich vereinen können. An zweiter Stelle mit einem Abstand von nur 9 Stimmen liegt CVP-Nationalrat Markus Ritter mit 160 Stimmen, gefolgt vom Freiburger Fritz Glauser mit 106 und dem Luzerner Josef Dissler mit 64 Stimmen.
Aebis starke Hausmacht
Dass Aebi im ersten Wahlgang vorne ist, hängt mit seiner Hausmacht zusammen. Die Berner Lobag hat als stärkste SBV-Mitgliedsorganisation alleine schon 51 Stimmen. Dazu hat die Lobag indirekt in diversen Fachorganisationen Vertreter, welche für Aebi stimmen werden, so namentlich im grossen Kontingent der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Denn die Delegierten der SMP werden von den regionalen Milchverbänden bestellt.
Zürcher auch für Aebi
Der Zürcher Bauernverband (ZBV) mit 26 Delegierten unterstützt Aebi ebenfalls grossmehrheitlich. Die diversen Viehzuchtorganisationen, welche zusammen doch auch gegen 20 Stimmen bringen, sind praktisch geschlossen für Aebi. Denn sogar Braunvieh-Schweiz Präsident Markus Zemp unterstützt den SVP-ler Aebi.
Die Tatsache, dass Braunvieh Schweiz am gleichen Tag ebenfalls ihre DV abhält, könnte Aebi deshalb leicht schwächen. Auch die Präsidenten diverser Fachorganisationen wie namentlich Max Binder, Präsident von Waldwirtschaft Schweiz, Ruedi Fischer, Präsident der Kartoffelproduzenten, Hannes Germann, Präsident der Gemüseproduzenten, SMP-Präsident Peter Gfeller, Samuel Graber, Präsident des Kälbermäster-Verbandes, Samuel Keiser, Präsident der Zuckerrübenpflanzer, oder German Schmutz, Präsident des Schafzuchtverbandes, um nur die bedeutendsten zu nennen, unterstützen öffentlich Aebi. Das erklärt auch, warum er viele Stimmen in den Fachorganisationen auf sich vereinigen kann.
Ritter überall stark
Doch auch der St.Galler Nationalrat Markus Ritter kann eine grosse Gefolgschaft aufbieten. Seine 160 Stimmen verdankt er einer grossen Unterstützung in der Ostschweiz (St.Gallen, Thurgau, Graubünden), aber auch aus der Westschweiz, wo namentlich der Waadtländer Bauernverband offiziell Ritter unterstützt, wobei die Waadtländer trotzdem nicht geschlossen für Ritter stimmen werden. Auch Aebi und Glauser werden in der Waadt Stimmen holen.
Wie bei Aebi hat aber auch bei Ritter die Unterstützung durch mehrere Unterverbände eine grosse Hebelwirkung, weil in den diversen Fachorganisationen wiederum Vertreter aus Kantonen sitzen, welche Ritter unterstützen. So wird Ritter von den 48 Delegierten der SMP, welche von den regionalen Milchverbänden gestellt wären, sogar am meisten Unterstützung bekommen. Ritter ist auch der Kandidat des SBV-Establishments und hat wohl am meisten SBV-Vorstandsmitglieder hinter sich. Ein kleiner Nachteil für den Bio-Bauer Ritter ist, dass am gleichen Tag auch Bio Suisse ihre DV abhält und deshalb einige Bio-Vertreter fehlen.
Der Überraschungsmann
Auch Fritz Glauser ist Bio-Bauer, wobei er von Bio Suisse weniger Unterstützung erwarten kann, als Ritter. Denn es ist bekannt, dass Glauser zuerst nach Bundesbio-Vorschriften produzierte und nicht aus grosser innerer Überzeugung Bio-Suisse-Mitglied geworden ist. Er wird im ersten Gang um die 106 Stimmen auf sich vereinen können. Das mag auf den ersten Blick überraschend viel sein, zumal Glauser von den Westschweizern nicht geschlossen unterstützt wird. Doch er kann beispielsweise als Präsident der Freiburger Bauern oder der Schweizer Getreideproduzenten punkten.
Dissler weiter hinten
Wenig Chancen hat Josef Dissler. Er wird im 1. Wahlgang auf rund 64 Stimmen kommen. Er wird zwar die praktisch geschlossenen Stimmen aus der Zentralschweiz auf sich vereinigen können. Doch darüber hinaus kann er kaum punkten. In der Ostschweiz versperrt ihm sein CVP-Parteikollege Ritter den Weg, im Westen Aebi und Glauser. Zudem spricht er praktisch kein Französisch und wird deshalb fast keine Stimme aus der Westschweiz bis vielleicht auf eine aus dem Kanton Neuenburg erwarten dürfen. Am Regionalseminar in Yverdon hat er deutsch gesprochen und liess sich übersetzen, während die anderen drei Kandidaten fliessend französisch redeten. Die Bäuerinnen und Landfrauen beispielsweise fordern in einem Brief an ihre Mitglieder explizit, einen Präsidenten zu wählen, der französisch spricht.
Nationalrat gefordert
Dass Dissler wie auch Glauser nicht im Nationalrat Einsitz nehmen, ist für beide ein weiteres Handicap. Denn die Bäuerinnen und Landfrauen wollen nur ein Mitglied des nationalen Parlaments wählen. Auch der Bauernverband Aargau gibt die Parole heraus, nur einen Nationalrat zu wählen. Das Gleiche ist hinter vorgehaltener Hand bei Fachorganisationen zu hören.
Aebi gegen Ritter
Dissler wird also als Erster und Glauser als Zweiter ausscheiden. Im Schlussgang werden sich Aebi und Ritter gegenüber stehen. Und hier ist eine Aussage schwierig. Ritter hat mehr Zuwachspotenzial in der Innerschweiz. Doch hier lauert für ihn auch ein Problem. Im SBV-Präsidium gilt ein Parteienproporz. Demnach teilen sich die traditionell als Agrarparteien geltenden SVP, FDP und CVP die drei Sitze im Präsidium unter sich auf. Als am 16. November 2000 der SVP-Vertreter Hansjörg Walter zum neuen SBV-Präsidenten gewählt wurde, musste deshalb sein Parteikollege Fritz Abraham Oehrli als SBV-Vizepräsident zurücktreten. Bei einer Wahl Ritters würde Dissler also auch noch den Sitz als SBV-Vizepräsident verlieren. Aebi dürfte deshalb ein paar Dissler-Stimmen vor allem aus den Fachorganisationen für sich gewinnen können. Trotzdem wird Ritter wohl einen erheblichen Teil der Innerschweizer Stimmen holen.
Aebi leicht im Vorteil
Nach dem Ausscheiden Glausers im vierten Wahlgang dürften dann die Westschweizer das Zünglein an der Waage spielen. Wenn sich die Westschweizer relativ eindeutig für Ritter entscheiden, ist er gewählt. Kann Aebi hingegen einen erheblichen Teil der Westschweizer Stimmen für sich gewinnen, ist er gewählt. Aebis Stimmenpotenzial im letzten Wahlgang liegt irgendwo zwischen 230 und 280, während Ritter mit 220 und 270 Stimmen rechnen kann. Aebi dürfte also auch in der Schlussausmarchung ganz leichte Vorteile haben, ohne dass jedoch der Wahlausgang auch nur annähernd sicher prognostiziert werden könnte. Sollte es zu Stimmengleichheit kommen, müsste die Abstimmung gemäss Auskunft von SBV-Vizedirektor Urs Schneider wiederholt werden.
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