Steigende Gaspreise und russische Düngemittelexporte gehen nicht spurlos am europäischen Markt vorbei, schreibt das «Handelsblatt». Die europäischen Düngemittelhersteller stecken in der Krise. Ein grosser europäischer Düngemittelhersteller drosselt deshalb seine Produktion. Das könnte die Preise in die Höhe treiben.
Durch die höheren Kosten für Düngemittel steige auch der Druck auf die Landwirtinnen und Landwirte, heisst es weiter. Ob diese Mehrkosten für die Bauern an die Konsumenten weitergegeben werden können, bleibt abzuwarten. Ein zusätzliches Risiko stellt die zunehmende Abhängigkeit der europäischen Landwirtschaft von russischen Düngemittel dar.
Erleben wir eine Nachkriegs-Situation?
Der grösste deutsche Ammoniakhersteller, die ostdeutsche Firma SKW Piesteritz, hat seine Produktion halbiert, schreibt das «Handelsblatt» weiter. Eine solche Drosselung der Produktion – auch um die Verluste einzugrenzen – habe es schon einmal im Jahr 2022 gegeben, nämlich als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist. Damals verteuerte sich das Erdgas massiv und damit die Herstellungskosten für Düngemittel.
Nachdem bereits eine Produktionsanlage stillgelegt wurde, wollen die Stickstoffwerke Piesteritz, einer der letzten Düngemittelhersteller in Deutschland, https://t.co/g7RryKEQKt ihre Produktion auch in der zweiten Anlage drosseln. Es drohen nicht nur Engpässe bei Düngemittel und…
— Tichys Einblick (@TichysEinblick) January 15, 2025
Agrarexperten vergleichen die aktuelle Lage auf dem europäischen Düngemittelmarkt mit jener nach Ausbruch des Krieges. Damals sind nicht nur die Düngerpreise massiv gestiegen, sondern mit ihnen auch die Produktionskosten für Lebensmittel und damit die Inflation. Alles wurde teurer.
Gaspreis bestimmt Düngerpreis
Aufgrund der Entwicklungen auf dem Gasmarkt sei mit steigenden Preisen für Stickstoffdünger zu rechnen, heisst es im Artikel. Denn Erdgas ist nicht nur Rohstoff für Stickstoffdünger. Erdgas liefert auch die Energie, um das künstliche Nährstoffprodukt herzustellen. Dadurch würden 80 Prozent der Produktionskosten vom Gaspreis abhängen, rechnet das «Handelsblatt» vor.
Das teuer werdende Erdgas ist aber nicht der einzige Kostentreiber für den Düngerhersteller SKW Piesteritz. Auf Anfrage vom «Handelsblatt» verweist das Management auch auf politische Rahmenbedingungen, die die Produktionskosten erhöhen würden, wie die Gasspeicherumlage oder die Belastung durch das CO2-Zertifkatssystem. Das SKW-Management fordert deshalb, diese Energie-Nebenkosten auf das Niveau von vor 2022 zu senken.
Entwicklung des Gaspreises
Der Gaspreis ist zwar seit Januar 2024 um 50 Prozent gestiegen, aber noch weit von den Spitzenwerten der Nachkriegsmonate entfernt. Auf der Plattform «Finanzen.ch» können Sie die Gaspreise der letzten Jahre vergleichen (stellen Sie dazu die Grafik auf 5 Jahre ein, auf 5J). So liegt der Gaspreis derzeit bei 4,14 Dollar (3,77 Franken) pro Einheit (Stand: 17..01.25: 10.00h). Im vergangenen Januar lag der Preis noch bei rund 2,70 Dollar (2,46 Franken) pro Einheit. Eine Einheit entspricht 26,4 Kubikmeter Gas.
Woher bezieht die EU ihr Erdgas?
Norwegen ist mit einem Anteil von 30,3 % der grösste Gaslieferant für die EU. Nach dem Beginn des Ukraine-Krieges hat es Russland als grössten Gaslieferanten abgelöst. Der Anteil russischen Pipeline-Gases an den EU-Importen ist von über 40 % im Jahr 2021 auf 8,7 % im Jahr 2023 gefallen, schreibt der EU-Rat. Weitere Gaslieferanten sind: USA (19,4%), Nordafrika (14,1%), Vereinigtes Königreich (5,7%) und Katar (5,3%)
Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges erreichte der Gaspreis Spitzenwerte von 9,50 Dollar (8,65 Franken) pro Einheit. Doch auch wenn das Gas nur noch weniger als halb so teuer ist wie damals: Im Vergleich zum Vorjahr sind die Gaspreise massiv gestiegen und damit auch die Kosten für die Düngemittelhersteller. Diese hätten nun mit einer Erhöhung der Verkaufspreise reagiert, heisst es im «Handelsblatt».
Konkurrenz aus Russland
Neben den steigenden Gaspreisen macht den europäischen Düngemittelherstellern aber auch die harte Konkurrenz aus Russland zu schaffen. «Russische Stickstoffproduzenten bieten in der EU meist unterhalb der für unser Überleben notwendigen Preishöhe an» zitiert das «Handelsblatt» einen namentlich nicht genannten Hersteller. Importe von Stickstoffdünger aus Russland sind von den «Kriegs-Sanktionen» nicht betroffen. Der russische Anteil am europäischen Düngemittelmarkt steigt stetig an und liegt inzwischen bei 30 Prozent.
The European Union's increasing reliance on Russian fertilizers poses significant risks to its agricultural sector and #foodsecurity. The EU's growing dependence on Russian fertilizers mirrors its previous reliance on Russian natural gas, raising concerns about potential… pic.twitter.com/up5a782r1o
— Fertilizers Europe (@FertilizersEuro) December 10, 2024
Fertilizers Europa, der wichtigste Branchenverband der europäischen Düngemittelindustrie, habe die Europäische Kommission auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Er fordert Importzölle, um die Existenz der europäischen Düngemittelhersteller zu sichern, heisst es weiter. «Bis heute hat die Politik absolut nichts Wirksames gegen das Fluten des europäischen Marktes mit billigen russischen Düngemitteln unternommen», wird die SKW-Geschäftsführerin Antje Bittner vom «Handelsblatt» zitiert.
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