Die Erwärmung des Klimas macht sich auch durch das Auftauen des Permafrosts bemerkbar, was wiederum Steinschläge und Erdrutsche immer häufiger macht. Auch Hitzewellen und Waldbrände häufen sich. Um diese Folgen des Klimawandels bestmöglich abfedern zu können, brauche es eine intakte Biodiversität, heisst es in einem Bericht im Pro Natura Magazin vom Mai.
Pro Natura lässt dabei die Expertin Sonja Wipf zu Wort kommen. Sie ist Schweizer Pflanzenökologin, die sich mit den Folgen des Klimawandels befasst. Beim Schweizer Nationalpark ist sie Leiterin Forschung und Monitoring und Mitglied der Geschäftsleitung.
Klimawandel führt zu Artenzunahme
Pro Natura hat Sonja Wipf an ihren Arbeitsort auf die Alp Mingèr begleitet. Die Botanikerin erfasst an diesem Tag auf dieser Alp systematisch die Alpenflora. Sie steckt dazu einen Quadratmeter Alpenwiese ab und erfasst auf dieser «Naturbeobachtungsfläche» alle vorhandenen Pflanzen. Sonja Wipf zählt 40 verschiedene Pflanzen, was ein recht hoher Wert sei, wie sie dem Pro Natur Magazin erklärt.
Der Klimawandel führe zu einer grossen Artenverschiebung, erklärt Wipf weiter. Auf den Berggipfeln gäbe es heute rund 45 Prozent mehr Arten als noch vor ein paar Jahrzehnten. Dies liesse sich mit einer entsprechenden Faustregel vereinbaren: Je stärker die Erwärmung, desto grösser die Artenzunahme.
Die grosse Diversität von Standorten und Arten schafft auch eine gewisse Resilienz gegen die Folgen des Klimawandels.
Immer mehr subalpine Arten besiedeln höhere Lagen. Trotzdem würden einige alpine Pflanzen, die sich eine Nische erobert haben, grosse Mühe bekunden mit den veränderten Bedingungen zurecht zu kommen. Ihre Bestände seien rückläufig, sagt Wipf. Die Besiedelung durch neue Arten ginge in den letzten Jahren aber immer schneller voran.
Die neuen Arten suchen sich dabei vor allem die warmen Stellen an den Süd- und Ostflanken der Berge. Die alteingesessenen alpinen Pflanzen ziehen sich in Nischen zurück. Für Wipf sei dies auch ein Alarmzeichen.
In den Alpen bekommen einheimischen Plfanzenarten immer mehr Konkurrenz aus subalpinen Lagen. Die alpinen Arten sind deshalb schon auf die Gipfel ausgewichen. Der #Klimawandel zeigt sich auch hier. Wir waren im Schweizerischen #Nationalpark mit der Botanikerin Sonja Wipf… pic.twitter.com/nZwuu0zZ2k
— Pro Natura (@pronaturach) October 13, 2023
Stressfaktor Trockenheit
Was als weitere Stressfaktor hinzukäme, sei die zunehmende Trockenheit. Niederschläge werden seltener dafür kräftiger. Im Hochsommer könne es auf den Alpen staubtrocken sein, was nicht nur für die Flora eine grosse Belastung darstellt. Die Böden können kaum mehr Wasser aufnehmen. Bei heftigen Gewittern komme es dann zu Murgängen, also zu Schlammlawinen.
Für einen geschützten Nationalpark sei das nicht so tragisch, weil eine dynamische Landschaft auch zur Biodiversität beitrage. Gerade auf der Alp Mingèr sorgten natürliche Abläufe und Störungen für ein unglaublich vielfältiges Mosaik.
Denn ohne Steinschläge, Murgänge, Stürme, Hitze, Trockenheit, Kälte und weitere Faktoren würden wohl wenige einzelne Spezies zu dominieren beginnen. Auf einem Quadratmeter «Naturbeobachtungsfläche» würden sich dann kaum mehr 40 verschiedene Pflanzenarten finden lassen.
Die Alp Mingèr befindet sich Mitten im Schweizerischen Nationalpark.
Neophyten als eigentliche Bedrohung
Anders sehen die Folgen des Klimawandels jedoch in bewohnten Gebieten aus. Der Wasserhaushalt verändere sich stark. Gletscher und Schneereserven seien stark rückläufig. Diese versiegenden Wasserquellen würden die Bewirtschaftung vieler Alpen zunehmend erschweren.
Schlammlawinen und Steinschläge bedrohen bergnahe Dörfer. Der Klimawandel bedroht also den Menschen stärker als die alpine Flora. Was hingegen die alpine Pflanzenwelt wirklich bedroht, ist wiederum von Menschen gemacht.
Denn es sind die Neophyten (gebietsfremde Pflanzen), die von Besuchern und Fahrzeugen in den Nationalpark eingeschleppt werden, die zu einer Bedrohung der alpinen Flora werden können. Der Klimawandel fördert dabei deren Ausbreitung in die Höhe.
Denn im Nationalpark wird die Natur sich selbst überlassen. Menschliche Eingriffe sind nicht erlaubt. Das Nationalparkteam, stehe hier vor noch ungelösten Fragen, schliesst der Bericht im Pro Natura Magazin .
Text: Wie der Klimawandel den Alpenraum beeinflusst.
"Bedrohen" und "beeinflussen" sind zwei verschiedene Schuhe. Eine Bedrohung ist eine Gefahr, eine Veränderung kann für einige Organismen positiv ausfallen und für andere negativ.
Fakt: Die Temperaturen im Alpenraum steigen seit etwa 150 Jahren. Und jetzt? Das ist ganz normal und signalisiert lediglich eine Veränderung in der Fauna und Flora. Die Flora ist NICHT bedroht. Einige Arten werden dadurch benachteiligt, andere werden bevorteiligt. Auch das ist vollkommen normal.
Die Realität ist diese:
Der Alpenraum ist ein Gebiet auf der Erde, das massiv von höheren Temperaturen profitiert.
Höhere Temperaturen bezwecken nur, dass die negativen Auswirkungen, die der Mensch auf den Alpenraum hat, schneller sichtbar werden.
Also gilt es wie bei allem:
Der Mensch muss herausfinden, wie er die Landschaft um ihn herum weniger negativ beeinflussen kann. Das bedeutet konkret, dass die Alpweiden anders bewirtschaftet werden müssen, sodass auch wieder mehr Bäume und Sträucher auf den Weiden überleben. Das gilt vor allem am Bach- und Flussufer. So können Überschwemmungen vermindert und Hangrutsche verglimpflicht werden. Trockenheiten würden auch weniger schlimm.
Dazu muss man halt auch Pflanzen wie die Grün-Erle respektieren und für sich nützen (Schatten, Futter, Hangstabilisierung, Lawinenschutz Wasserspeicherung usw.).
Ich verstehe die finanzielle Not der Alpbauern, aber evtl. lässt sich auch ein finanzieller Nutzen aus der Stärkung des Ökosystems herausholen.
Danke